Partei-Erzählungen

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Über die Befindlichkeit von SPÖ und ÖVP, die derzeit gemeinsam eine Regierung bilden.

Warum redet eigentlich niemand über die SPÖ? Während uns die ÖVP mit ihrer Neupositionierungsdebatte erfrischt und die Medien auf Trab hält, segelt die Kanzlerpartei relativ ruhig dahin. Gelegentlich lässt Sozialminister Buchinger einen seiner bunten Luftballons steigen, jetzt hat uns eben Bildungsministerin Schmied mit einer punktuellen Chianti-Koalition in Sachen Gesamtschule überrascht - aber das ist es auch schon. Der Kanzler selbst, wer sonst, brachte die Grundbefindlichkeit seiner Partei (jedenfalls insoweit Gusenbauer die Partei ist) unübertrefflich auf den Punkt: "Fühlt sich gut an" resümierte er im Presse-Interview die ersten hundert Tage seiner Kanzlerschaft. Politik als Wohlfühl-Programm - das entspricht dem Bedürfnis der "Menschen in diesem Land", auf die sich Gusenbauer so gerne beruft. Geht's dem Kanzler gut, geht's uns allen gut.

Allen in der Partei geht's freilich nicht gut. "Kummt wos von der Basis, waaß i, dos a Sch … is", sagt die Kanzler-Puppe in der Produktion Beim Gusenbauer im Wiener Rabenhof. Das ist böse, überspitzt und daher auch ein bisschen ungerecht - aber Alfred Gusenbauer weiß natürlich, dass hier ein zentrales innerparteiliches Problem benannt wurde: Wie kann man den (eigenen) Leuten erklären, dass man die Politik, die man sieben Jahre als kalt, unmenschlich, arrogant gegeißelt hat, nun mit ein paar Abfederungen versehen fortzusetzen gedenkt? Eigentlich gar nicht - deswegen braucht es das wärmende Feuer von Parteitagen, an dem man sich Geschichten von "Verlotterung", "lupenreiner Machtpolitik" und dergleichen mehr des politischen Gegners erzählen kann. Degleichen Phrasen sind wohlfeil - und Balsam auf die Basis-Seelen. Dort lässt sich dann auch Alfred Gusenbauer selbst, mit der Rückendeckung der mächtigen Wiener SP zumal, zu "starken Auftritten" hinreißen - während er ansonsten freilich geradezu peinlich bemüht ist, jene "Harmonie-These" (© Michael Häupl, auf die ÖVP gemünzt) zu verbreiten, die der Wiener Bürgermeister zuletzt für obsolet erklärte.

Auch beim Bundesparteitag der ÖVP in Salzburg war Wahlkampfrhetorik angesagt, die nicht vermuten hätte lassen, dass man mit der SPÖ in einer Regierung sitzt. Wir sind die, die Verantwortung übernehmen, wir wissen, wie das Regieren geht - ungebrochene Kontinuität der Arbeit seit 2000: das ist die eine Geschichte der ÖVP.

Die andere ist jene von der "modernen, konservativen Volkspartei", die man sich mittlerweile so oft erzählt hat, dass alle irgendwie dran glauben. Fast täglich darf jemand anderer seine Fassung vortragen, was in Summe jene Buntheit ergibt, welche die Partei so fröhlich stimmt. Eigentlich bräuchte die VP zur Zeit gar keinen Regierungspartner, denn in ihr selbst bildet sich eine Koalition ab, die so schillernd ist, wie Andrea Kdolskys Kondom-Sortiment.

Längst hat man den Überblick über die diversen Positionen zu Bildungs- und Gesellschaftspolitik verloren - als roter Faden zieht sich die Botschaft durch, dass nichts ein Widerspruch, nichts tabu und alles Platz haben muss. Festhalten an den bestehenden Werten - gleichzeitig aber nichts und niemanden diskriminieren, lautet die Parole. Das ist entweder, allgemein gedacht, eine banale Selbstverständlichkeit - oder aber, im Konkreten, verlogen: Denn Diskriminierung und Förderung bzw. Unterstützung sind letztlich nur zwei Seiten einer Medaille. Nur wer nichts fördert, diskriminiert auch nichts; wer niemanden diskriminieren will, darf auch niemanden fördern. So gesehen hat der zuletzt von Andreas Khol zitierte Kalauer "Wer in alle Richtungen offen ist, kann nicht ganz dicht sein" schon seine Berechtigung.

Wir wollen die Freude über die neu entdeckte Vielfalt und das Ende der "Enge und des Miefs" (@ Hermann Schützenhöfer) nicht stören; wir wollen auch glauben, dass sich die Partei nach dem Abgang von Wolfgang Schüssel in manchem neu aufstellen muss. Aber was bisher zu vernehmen war, wird nicht reichen, um den Kanzlersessel zurückzuerobern. Eine "lesende, eine schreibende, eine diskutierende Volkspartei" (© nochmals Schützenhöfer) wird nicht gewählt, sondern eine mit einem erkennbaren Profil. Für's erste kann sich Gusenbauer weiter gut fühlen.

rudolf.mitloehner@furche.at

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