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Eigentlich ist es ziemlich egal, ob es Neuwahlen gibt, oder nicht.

Kann jemand das Wort "Steuerreform" in diesem Land noch hören? Der gelernte und geprüfte Bürger verbindet damit zwangsläufig die Untiefen der heimischen Politik - am wenigsten aber das, was es eigentlich bezeichnet und was Politiker stets versprechen: eine spürbare und "nachhaltige" Entlastung. Der Begriff ist längst zur beliebigen Chiffre verkommen, zum Vehikel des tagespolitischen Geschäfts - vom Abtausch von Interessen bis zur Koalitionssprengung. Dies freilich nicht erst unter dieser Bundesregierung: So spielte das Thema etwa im Schlussakt von Schwarz-Blau I (mit der Schlüsselszene in Knittelfeld) eine zentrale Rolle: Damals war es Jörg Haider, der mit seinem Insistieren auf einer sofortigen Steuersenkung den Koalitionspartner ÖVP "nachhaltig" nervte, bis zuletzt die Regierung von der Jahrhundertflut hinweggespült wurde.

Diesmal ist Haider Gusenbauer - und der ist, im Unterschied zu Haider, Parteichef der größeren Regierungspartei und Kanzler; und während seinerzeit die Notwendigkeit der Hochwasserhilfe den VP-Widerstand gegen eine "Steuerreform auf Pump" stützte, bedeutet die derzeitige Teuerung Wasser auf die SP-Mühlen.

Alfred Gusenbauer hat mit seinem überraschenden Vorstoß in der letzten ORF-Pressestunde jedenfalls einen Befreiungsschlag versucht, der allerdings so durchsichtig war, dass fraglich ist, ob er diesen Namen verdient. Gewiss, bei all jenen SP-Sympathisanten und -Funktionären, die seit der Regierungsbildung am "Umfaller"-Kanzler litten, die ob gebrochener Wahlversprechen, der ÖVP überlassener Schlüsselministerien und mangelnder Themenführerschaft die Faust in der Hosentasche ballten, ist die Botschaft angekommen. "Du bist großartig gewesen und hast gezeigt, dass du der starke Mann der Regierung bist", lobte der Wiener SP-Gemeinderat Ernst Woller seinen Kanzler. Das wird Gusenbauer gut getan haben - und es zeigt, wie groß die Erleichterung an der viel zitierten Basis sein muss.

Was aber macht der Kanzler mit dieser ihm nunmehr bescheinigten Stärke? Er kann den Kleinkrieg mit der ÖVP noch eine Zeit lang fortsetzen - im Bewusstsein nun einmal selbst die treibende Kraft zu sein, dabei Kronen Zeitung plus Volkes Stimme auf seiner Seite zu haben; und in der Hoffnung, dass Wolfgang Schüssel (oder wer immer) wieder einmal sagt: Jetzt geht es nicht mehr. Im Presse-Interview ließ der Ex-Kanzler dieser Tage immerhin schon wissen, dass die Koalition "bei einer grundlegenden Abweichung vom Koalitionspakt in der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik" gefährdet sei: "Das kann nicht funktionieren".

Aber nein, Neuwahlen will natürlich niemand, immer nur der andere - und der möge das, bitte schön, doch wenigstens offen sagen, damit die Wähler wüssten … Bis zum Abwinken werden wir mit diesen Phrasen behelligt. Sie stellen die wirkliche "Belästigung" dar, nicht Neuwahlen, wie Martin Bartenstein meinte.

Der Wirtschaftsminister hat nur insofern recht, als auch ein neuerlicher Urnengang keine wirklichen Perspektiven eröffnen würde. Endloses Sondieren und Taktieren wäre die Folge, mit all den sattsam bekannten Unterstellungen, der politische Gegner versuche ja doch insgeheim mit Blau und/oder Orange gemeinsame Sache zu machen, mit dem bedächtigen Abwägen der Grünen, die beteuern würden, einzig an Sachfragen interessiert zu sein und demnach nur in eine Koalition zu gehen, die eine ausgeprägt grüne Handschrift trage; das alles noch grundiert von wohlgesetzten, mahnenden und demokratiepolitisch zweifellos gewichtigen Worten des Bundespräsidenten … Bitte nicht schon wieder!!!

Doch, es wird früher oder später so kommen - mangels Bereitschaft der Parteien, das Wahlrecht grundlegend zu reformieren und damit für klare Mehrheiten zu sorgen. Warum es an dieser Bereitschaft fehlt, ist nicht ganz klar. An Blau/Orange will ja angeblich ohnedies keiner anstreifen - also bleiben eigentlich nur die Grünen. Sollte das rot-schwarze Herz für Van der Bellens Truppe tatsächlich so groß sein? Oder ist es einfach so, dass SPÖ wie ÖVP nach wie vor Politik spielen weitaus lustiger finden, als Politik machen?

rudolf.mitloehner@furche.at

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