Rote Wende vorwärts

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Die Sozialdemokraten machen einen Schwenk und wählen Werner Faymann zum 8. Vorsitzenden der Partei. Die hat Alfred Gusenbauer zwar saniert, aber der Machterhalt erscheint ohne ihn doch wahrscheinlicher zu sein.

Mehr, so möchte man meinen, könne man von einem Parteiführer nicht verlangen. Alfred Gusenbauer, Vorsitzender der SPÖ seit dem Jahr 2000 bis zu diesem Freitag, 8. August, hat die Partei umfassend saniert: Die Schulden wurden von 25 auf fünf Millionen Euro vermindert. Die Welle an Parteiaustritten gestoppt, die Anzahl der Parteimitglieder bei 270.000 stabilisiert. In der Steiermark und in Salzburg wurden der Landshauptmann gewonnen, die Hofburg als Sitz des Bundespräsidenten wurde zurückerobert - und vor allem: Seit Gusenbauers Wahlsieg im Oktober 2006 gehört das Bundeskanzleramt wieder einem von der SPÖ gestellten Regierungschef. Denn Gusenbauer hat, historisch gebildet und ideologisch sattelfest, die nach Viktor Klima persönlich zerstrittene und in Flügel gespaltene Partei geeint. Doch der ist das nicht genug, sie unternimmt eine Wende vorwärts und bestellt jetzt Werner Faymann, einen 48 Jahre alten Wiener Berufspolitiker, zum neuen Vorsitzenden. Und glaubt, gute Gründe zu haben.

Will die SPÖ die führende Partei bleiben, muss sie die Stammwähler halten, so wenige wie möglich an Protestparteien wie die FPÖ verlieren und wechselbereite Wähler gewinnen. Faymann wird dafür als der Geeignete gehalten, sagt etwa der Politikwissenschafter Fritz Plasser.

"Er ist sehr swing voters-, also Wechselwähler-tauglich", meint Plasser. Faymann sei "out-reaching", wirke über den sozialdemokratischen Kern hinaus auf die Wähler. Der Verkehrsminister und Koalitions-Koordinator "ist nicht der Gralshüter der sozialdemokratischen Kernprogrammatik", ist kein "Chefideologe", er sei vielmehr von "ideologischer Flexibilität, ja Pragmatismus" gekennzeichnet, sagt Plasser. Stimmt. Und genau das macht ihn für die SPÖ so notwendig.

Faymann bewegt sich nicht in der Tradition weltmännischer, intellektueller Führer der Arbeiterbewegung, in der sich Gusenbauer so gerne - in indirekter Nachfolge von Victor Adler bis Bruno Kreisky - sah. Faymann ist anders, ideologisch aber vor allem politisch-handwerklich in der neuen Schule der Wiener Partei sozialisiert. Dort hat er hat seine Lektionen gelernt.

Die Wiener Sozialdemokraten kooperieren mit dem konservativ regierten Niederösterreich, paktieren mit der Wiener Wirtschaftskammer. Gleiches, nämlich Interessenausgleich, betreibt Faymann in der Koalition und in der Partei. Die Vorschläge von ÖVP-Chef und Finanzminister Wilhelm Molterer gegen die Teuerung wurden von Faymann nicht vom Tisch gewischt sondern aufgegriffen. Und die ihm gegenüber durchaus kritisch eingestellten Gewerkschafter holte er nach ihrem Rauschmiss durch Gusenbauer in den Parlamentsklub, verspricht ihnen Ministerämter. Es ist zu einem Teil genau diese smarte Art, die Faymann zum neuen SPÖ-Chef und zu ihrer Kanzler-Hoffnung werden ließ.

Karl Krammer, früher für Kanzler Franz Vranitzky tätig und heute als Strategie und Kommunikationsberater ein Konsulent für Faymann, meint über diesen: "Er hört zu. Er fragt nach. Und wie bei Vranitzky geht nichts hinaus, bis es fertig durchdiskutiert ist."

Der Berufspolitiker Faymann gilt sogar beim Koalitionspartner ÖVP als "umgänglich", "nicht fordernd", sei keineswegs "plump oder aggressiv" wie manch andere in der politischen Arena. Allerdings sei Faymann ein "totaler Kontrollfreak", von einem starken "Macht- und Kontrolldenken" geprägt, "extrem um seine öffentliche Wahrnehmung besorgt". Für die Seite des Werner Faymann finden sich ebenfalls Belege.

Für den Austausch der Vorstände von ÖBB und Asfinag zog Faymann als Verkehrsminister die Fäden, aber die eigentliche Arbeit erledigten die Aufsichtsräte und Teile der Medien, in denen Manager scheibchenweise demontiert wurden. Deren Pech war Faymanns Glück: Für Abberufungen konnte man auch sachliche Gründe finden, und für die Abfertigungen waren die Unternehmen selbst zuständig. Damit blieb es Faymann erspart, öffentlich Schmutzwäsche zu waschen oder horrende Abfertigungen zu rechtfertigen. So wie er sich im Parlament aus der Affäre zog, als Abgeordnete von ihm und Gusenbauer die Gründe für den Brief an einen Medienunternehmer wissen wollten, mit dem die SPÖ ihren Schwenk in der Europapolitik und den Bruch der noch kurz regierenden Koalition einleitete. Aber auch da war Faymann weder dabei noch schuld. Ganz im Gegenteil. Er hätte ja lieber gearbeitet, hätte mit seinem Gegenüber, Umweltminister Josef Pröll, noch Ergebnisse erzielt, aber leider.... Jetzt lässt er plakatieren: Genug gestritten. Die Parole kennzeichnet nicht nur die gescheiterte Koalition sondern auch Faymann: Er mag keinen Streit.

"Der Werner war schon zu Zeiten der Sozialistischen Jugend als Obmann so", sagt Josef Kalina, Weggefährte und an seinem letzten Chef, Alfred Gusenbauer, wirkungslos abgeprallter Kommunikations-Profi. Faymann, so Kalina, habe schon vor dreißig Jahren nach jedem Streit, wer denn nun Chef der Jugendorganisation sein solle, danach getrachtet, dass sich alle wieder zusammensetzen. "Er hat nie polarisiert", berichten Kalina und andere aus Faymanns politischen Jugendtagen, sondern "der Wunsch nach Kooperation und Harmonie war immer schon sehr groß". Das gilt für Faymann nicht nur in der Politik sondern auch für sein Verhältnis zu ausgewählten Medien.

Er war stets der Meinung, es sei besser, Medien zu nutzen statt eigene Prospekten zu drucken. So finden sich Etats aus seiner Zeit als Wiener Wohnbaustadtrat und als Verkehrsminister werbewirksam vor allem in jenen Zeitungen platziert, mit deren Herausgebern Faymann befreundet ist, nämlich mit Hans Dichand und Wolfgang Fellner. Auch so etwas kann die SPÖ gut gebrauchen.

Regierungen werden nicht mehr mittels der Massen und der Demonstrationen in den Hauptstädten gestützt oder gestürzt, sondern mithilfe der Massenmedien. Dieses Geschäft beherrscht Faymann. Jenes mit den Print-Boulevardmedien. Und das der TV-Auftritte. Er will nämlich nicht den fragenden Journalisten überzeugen, sondern die Zuseher. Das ist ein weiterer Unterschied zu Gusenbauer, auf den die SPÖ Wert legt, weil sie siegen will.

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