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Digital In Arbeit

Vranitzkys Erfolgsrezept

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Das Fernsehen ist fiir Politiker unbarmherzig: Wer schlecht über den Bildschirm kommt, hat keine Chance.

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Das Fernsehen ist fiir Politiker unbarmherzig: Wer schlecht über den Bildschirm kommt, hat keine Chance.

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Hätte Fred Sino-watz heute überhaupt noch eine Chance? Braucht Franz Vranitzky überhaupt die SPÖ? Gäbe es kein Fernsehen, wer würde Silvio Berlusconi überhaupt kennen? Fragen über Fragen, die bei einer hochkarätig besetzten Diskussion in der SPÖ-Zu-kunftswerkstätte unter dem Titel „Shooting-Stars - Politiker und elektronische Medien" erörtert wurden.

„Wenn heute jemand etwas über die Sozialdemokratie wissen will, dann drücke ich ihm einige Broschüren in die Hand, oder ich sage ihm: Schau den Kanzler an, den ersten proletarischen Kanzler der Republik!" ~ Also sprach Karl Krammer, Kabinetts-Chef und Pressesprecher Vranitzkys. Und das Publikum lacht - weil die vier Herren auf dem Poditun, Politologe Fritz Plasser, Kommunikationswissenschafter Holger Rust, Medienberater Alec Taylor (er sorgte für das TV-gerechte Auftreten Thomas Klestils) und Krammer mit pointierten Analysen und Statements etwas Farbe in den grauen Polit-AUtag bringen.

Die Wechselbeziehung zwischen Femsehen (Massenmedien) und Politik(er) ist der Aufhänger des Abends: Zum einen der Erfolg des ita-henischen Medienzaren und Neopolitikers Berlusconi, zum anderen der Absturz des Bundespräsidenten in der Sympathieskala. Laut Moderator Christian Kern, Pressesprecher von Staatssekretär Peter Kostelka, ein Indiz für die politische Meinungsbildung jenseits des Fernsehens, da die „Anti-Klestil-Kampagne" vor allem von den Printmedien getragen worden sei.

Wie soll nun ein Politiker angesichts der medialen Herausforderung agieren? Einen Drei-Schritt zur Selbstvermarktung postuliert Klestil-Macher Taylor: „Botschafter - Botschaft - Strategie" oder in den Worten des Kommüni-kationstrainers, „persönlicher Kommunikationsstil, professionelle Vorbereitung und Strategie".

GEHEIMREZEPTE

Im Gegensatz zu Taylor, der vor allem bürgerliche Politiker zu seiner Khentel zählt, hat Kranmier „nur einen Kunden". Und für ihn gibt es „keine Alternative zum Erfolg in den Medien als eine gute Politik". Seit 1986 stünde der „Politiker und Mensch Vranitzky im Mittelpunkt des Handelns und keine reine Kunstfigur". Aber natürlich hat auch Krammer seine Geheimrezepte: „Make-up ist dann schlecht, wenn man's merkt!" - Gelächter bei den Männern, hochgezogene Augenbrauen bei den ge-i schminkten SPÖ-Damen.

Der Geist Silvio Berlusconis schwebt im Raum, als der Moderator die schlichte Frage stellt: „Hätte jemand wie Fred Sinowatz heutzutage eine Chance?" Mitleidig schütteln die Jungen den Kopf, ältere warten geschockt auf die Antwort der Experten. Doch der angesprochene Plasser verweigert die erwartete Verneinung und ergeht sich in wortreichen Erklärungen: So müßten anhand veränderter Selektionskriterien die ,^Parteiführer nicht nur in Österreich eine gewisse Medien- und Darstellungskompetenz" mitbringen. „Acting, Performing" stünden im Vordergrund, daher seien Spitzenpolitiker „gespaltete Person ichkeiten", zerrieben zwischen „klassischen Führungsnotwendigkeiten" und „Medienterminen". Politik werde, so Plasser, vermehrt zur „Formulierung von Kommuniques".

Hinzu komme die theatralische Inszenierung nach amerikanischem Vorbild. Die Loslösung von Parteibindungen bringe ein vermehrtes Ubertragen von politischer Verantwortung an Personen, illustriert Plasser die Parteien-Müdigkeit. „Klestil und Haider", raunt das Publikum zustimmend.

VORBILD USA

„Man überschätzt generell den Einfluß des Fernsehens" - mitten in die Idylle des allgemeinen Verständnisses platzt Rust. Herbe Kritik an den Medien folgt: Von „Bou-levardisierung" spricht Rust, von „Joumalismussubstitu-ten", zudem körme man sich auf die Theorien Plassers nicht verlassen. Rusts moralischer Appell: „Wir brauchen Journalisten, die die Leute wieder mit Informationen belästigen!"

Der - abwesende - „shoo-ting Star" des Abends ist aber Vranitzky. Krammer über seinen Chef „Offenbar ist doch auch in der Politik Platz für Gefühl!" Ziel seiner Öffentlichkeitsarbeit sei es, „das politische Thema in einem Satz erklären zu können". Und dies möglichst TV-gerecht in neunzig Sekunden.

Ob die Partei eine Managementfunktion für Vranz ausübe? Krammer mehrdeutig: „Die Partei hat extrem wichtige Aussagen zu machen", und „die Parteiarbeit kann sich ja der neuen Medienentwicklung bedienen". Kram-mers Resümee: „Jede Zeit hat ihre Paradigmen!"

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