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„Endlich eine Politik für erwachsene Menschen!”

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Jung, jung, jung — so tönt es von den Plakaten, Inseraten und TV- Werbespots. (Wobei, ganz nebenbei bemerkt, das ökonomisch Erstaunliche daran ist, daß die Werbung offensichtlich noch immer nicht erfaßt hat, daß dank dem sozialen und medizinischen Fortschritt die Zahl der älteren Menschen immer größer wird.)

Jung, jung, jung — so schallt es aber auch durch die politische Diskussion, nicht zuletzt deswegen, weil — oft zu ihrem eigenen Schaden — die politischen Parteien immer mehr die Dienste kommerzieller Werbemanager in Anspruch nehmen, denen meist erst mühsam beigebracht werden muß, daß Politik und Waschmittelverkauf — Gott sei Dank! — inkommensurable Größen sind. Aber wo greise Revolutionsphilosophen, wie etwa der Siebziger Marcuse, die Jugend als neue Kraft entdecken, da wollen auch die Politiker nicht zurückstehen. Das rührt meist daher, daß diesen der Effekt über alles geht,

Lektüre und Nachdenken in der Abgeschiedenheit aber fremde Begriffe sind. Bedenklich wird es dann, wenn selbst Männer, die ernst genommen werden^ meinen, auf dieser Welle reiten zu können. In Erinnerung ist noch der Ausspruch des ÖVP-Ob- mannes Dr. Withalm, man wolle „schockierend junge Menschen” ins Parlament nehmen. So als ob die Zahl der Twens und Dreißigjährigen das einzige Kriterium für die Güte und geistige Offenheit einer politischen Gruppe wäre.

Dem entspricht dann auch der Stil der politischen Werbung. Pop ist Trumpf, das Rotwelsch der Teenager und Schlagersänger findet dann auch in die politische Propaganda Eingang.

Man hat das in drastischer Form bei dem nun hinter uns liegenden Wahlkampf auf der Seite Dr. Waldheims erlebt. Was hat man diesem seriösen Diplomaten — gewiß wider dessen bessere Überzeugung — nicht alles zugemutet! Den Weg in das schumm-

rige Licht von Diskotheken, die Begegnung mit Pop-Stars, Versprechungen, er sei für den kürzestmög- lichen Präsenzdienst und für mehr Mitsprache der Jugend, schließlich präsentierte man ihn auch in Hemdsärmeln an der Schreibmaschine. Wer am Samstag vor dem Wahltag um die Mittagsstunde auf dem Wiener Stephansplatz das Pandämonium miterlebte, das das Waldheim- Jugendkomitee dort inszenierte, mußte sich kopfschüttelnd fragen, ob denn hier an „Jugend” und Ameri- kanisierung des Wahlkampfes nicht zuviel des Guten getan werde. Eine Schönheitskönigin wurde aufge- boten, politische Aussagen zu machen, ein Londoner Autobus mit

Mitgliedern der „Schickeria” an Bord fuhr durch die Stadt, ebenso über und über mit Plakaten bepidete Autos, in denen sich Söhne und Töchter „aus guten Familien” aus Hetz durch die Straßen bewegten.

Der Abstand zwischen den Politikern (insbesondere auf der bürgerlichen Seite) sowie ihren Beratern für die Öffentlichkeitsarbeit und dem Volk wird immer größer.

Es ist notwendig, solches in diesen Tagen auszusprechen, da die österreichische Volkspartei darangeht, den Prozeß ihrer inneren Konsolidierung durch eine Neubestellung der Führungsspitze abzuschließen. Schon hört man da und dort die Forderung nach völlig neuen Gesichtem, also nach den Angehörigen jener „Jugend”, die meist nichts anderes mitbringt als gutes, amerikanisiertes Aussehen und ein paar Klischees. Man findet dort kaum Persönlichkeiten, vielmehr meist leere Hülsen, in die alles, auch jeder „wissenschaftlich” verbrämte Unsinn, eingefüllt werden kann. Das Wichtigste für diese cleveren Showmen der Politik ist der günstigste Fernsehtermin, die Aussage richtet sich nach dem, was „man” gerade für aktuell hält. Es wäre einer wissenschaftlichen Untersuchung wert, wer diesen „Zeitgeist” bestimmt: in Wahrheit ein paar „linke” Manager an den Schalthebeln der Massenmedien und der Kulturindustrie. Wenige Monate nach der Amtsübernahme durch eine der Zukunftshoffnungen der ÖVP, nämlich

Alois Mock, wies einer der intelligentesten jungen politischen Journalisten dem Minister nach, daß er zahllose unverdaute Phrasen aus dem Vokabular der Neuen Linken in seine Enunziationen einflechte, um „fortschrittlich” zu sein.

Dem kann man — nicht zuletzt nach den Erfahrungen vom 25. April 1971! — nur entgegenhalten: Macht .endlich eine Politik für erwachsene Menschen! Die ist es nämlich, die auch bei der Jugend, die nicht „Berufsjugend” ist, Anklang findet. Es wird Aufgabe der „großen Alten”, also der gestandenen Männer in der Volkspartei sein, in den für diese für Österreich unentbehrliche Gruppe entscheidenden Tagen darüber zu wachen, daß die Politik der Partei in den siebziger Jahren nach geistigen Anforderungen, nicht aber nach Pop-Idolen ausgerichtet wird. Denn es ist ein himmelweiter Unterschied zwischen einem halbseidenen Amalgam aus Progressismus, Enttabuisie- rung und antiautoritärem Getue und jenem „modernen Österreich”, das ein sehr erwachsener Mann zu verwirklichen auf dem besten Weg ist. Der weiß nämlich, was er will, und es wird höchste Zeit, daß ihm eine Alternative entgegengesetzt wird. Sonst landen wir einmal in einem Österreich, das alles andere als „popig” sein wird!

* Herbert Krejci ist Pressereferent der Vereinigung österreichischer Industrieller.

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