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Über Brot und Spiele zu den Sympathie-Bomben

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Seitdem sich die Menschen zu sozialen Gemeinschaften zusammengeschlossen haben, gibt es politische Propaganda — das heißt also seit Jahrtausenden. Sie fußt auf dem Wunsch und oft der Notwendigkeit, den Mitmenschen Auffassungen und Uberzeugungen zu übermitteln und auf diese einwirken zu lassen, respektive widerstreitenden Einflüssen zu begegnen.

Ihre Formen und Mittel variieren nach den vorhandenen Möglichkeiten, dem Stand der Zivilisation und Technik, der Kulturstufe und nach den gegebenen Situationen.

Ein Beispiel für sehr viele: Es ist ein Unterschied, ob die Machthaber oder die Opposition Propaganda betreiben; ferner, ob die Regierungsgegner offen — wie es in einem freien Land möglich ist— arbeiten können oder einen Kampf führen müssen wie etwa Lech Walesa.

Bei allen Verschiedenheiten bleibt eines aber doch immer gleich: die menschliche Natur. Daher ist es begreiflich, daß die Beeinflussungsmethoden seit jeher und überall gewisse Ähnlichkeiten aufweisen — die Art und Weise hingegen wird oft verschieden sein müssen.

Der Propagandist muß unter anderem besonders mit folgendem rechnen: dem Egoismus, der Sensationssucht, dem Drang nach Freiheit und gegensätzlich der Sehnsucht nach dem Führenden, dem Starken — dies alles in den verschiedensten Spielarten.

Die politische Propaganda hat sich nicht nur mit den einzelnen und gewissen Gruppen auseinanderzusetzen, sondern — besonders in der neueren Zeit — vor allem mit den Massen.

Da die Masse im psychologischen Sinn nicht ein Additionsergebnis, nicht die Summe der in ihr vereinigten einzelnen darstellt, sondern sich vielmehr gleichsam zu einem Kollektivindividuum bildet, ist die instinktive oder bewußte Kenntnis dieser besonderen Massenpsyche eine Vorbedingung für ihre Beeinflussung.

Die Masse ist triebhaft, wandelbar, erregbar und extremen Gefühlen ausgeliefert. Sie ist in gleicher Weise zu Grausamkeit wie auch zu heroischer Selbstaufopferung bereit. Es gibt eine ganze Flut von Ratschlägen für die Beeinflussung der Massen. Hier sei nur ein einziges Mittel herausgegriffen - seit Jahrtausenden bewährt: panem et circenses - Brot und Spiele in unglaublich vielen Variationen.

Seit dem Jahr 1945 wird nun in Österreich gewählt. Hat sich innerhalb dieser Zeit die politische Propaganda verändert? Und wie wurden die zuvor erwähnten Gesetzmäßigkeiten angewendet?

Im Jahr 1949 gab es den härtesten Wahlkampf der Zweiten Republik, daher auch eine beinharte Propaganda. Warum? Es gab gegenüber der ersten freien Wahl (1945) rund eine Million mehr Wahlberechtigte, und zwar: Hunderttausende Kriegsheimkehrer und ebenfalls Hunderttausende unbelastete Nationalsozialisten.

Ferner war das Wahlalter auf 20 Jahre herabgesetzt worden.

Von langanhaltender Wirkung auf die Massen erwies sich von Seiten der OVP die „rote Katze“ (Volksdemokratie!) und von der SPÖ der Kampf um die Aufrechterhaltung des Mieterschutzes.

Die beiden großen Parteien ÖVP und SPÖ bildeten dann eine Koalitionsregierung in ähnlicher Zusammensetzung bis zur Nationalratswahl 1966. Selbstverständlich bemühte sich jede der beiden Parteien, während dieser Zeit der politischen „Ehe“ stärker zu werden. Die nötigen Kompromisse und der damit verbundene Proporz erzeugten, speziell bei der Jugend, Unzufriedenheit.

Dann wendete sich das Blatt abermals. Die SPÖ in Opposition verstand es, die Handlungsweise der Regierung propagandistisch herabzusetzen. Von da an führte Bruno Kreisky seine Partei von Erfolg zu Erfolg. Er verstand es lange Zeit hindurch, nicht nur seine Parteigänger zu motivieren, sondern auch einen Teil der bürgerlichen Intellektuellen zu beeinflussen.

Kreisky verstand es sehr geschickt, auf der Klaviatur der Sympathie-Werbung zu spielen. Die Person des führenden Politikers rückt jetzt immer mehr in den Vordergrund der Propaganda zu Lasten der Ideologie und der sachlichen Inhalte.

Diese Tendenz zum Personenkult birgt auch Gefahren. Dies zeigte drastisch die folgende rotblaue Koalition. Die Regierung von Fred Sinowatz und Norbert Steger bot der Gegenpropaganda erhöhte Wirkungsmöglichkeit.

Schon seit längerer Zeit erhielt die Massenpropaganda ein wichtiges Hilfsmittel durch den Rundfunk. Und die Erfindung des Fernsehens brachte geradezu eine neue Ära — auch für die politische Propaganda. Sie bietet der Beeinflussung der Massen die größten Möglichkeiten, wie wir es täglich erleben.

Für die auftretenden führenden Politiker mag das jeweils günstig oder ungünstig sein. Vor einigen Tagen stand sinngemäß in einer

Tageszeitung: Alois Mock war schlechter dran bei der TV-Konfrontation als Franz Vranitzky -war etwa sein Maskenbildner ein politischer Gegner?

Die sogenannten Meinungsforschungsinstitute dienen zum Teil auch der politischen Propaganda. Natürlich spielt es eine Rolle, wer befragt wird und wie die Fragen lauten. Auf alle Fälle stellen die verlautbarten Ergebnisse ein Mittel der Beeinflussung dar.

Seit einiger Zeit ging man teilweise dazu über, die Wahlpropaganda Werbeagenturen zu überlassen. Das führt zwangsweise dazu, daß die Propaganda gefühlsmäßig verflacht, seelenlos wirkt, menschliche Emotionen -kraß ausgedrückt — wie eine Waschmittelreklame hervorruft. Bewußt oder unbewußt spürt man, daß nicht wie früher Herz und Gemüt, leidenschaftliche Anteilnahme zum Ausdruck kommen - es muß doch echtes Engagement fehlen und die wirkliche Verbundenheit mit der Basis.

Gewisse Erfahrungen der letzten Zeit sind erfreulich: „Schmutzkübelpropaganda“, unbewiesene Anklagen, Hiebe unter die Gürtellinie, unseriöse Versprechungen scheinen bei der österreichischen Bevölkerung das Gegenteil des Erwünschten zu bewirken.

Zum Abschluß dieser wenigen Hinweise nur noch ein paar Worte: Politische Propaganda an sich ist in gleicher Weise wie die Politik selbst weder gut noch schlecht. Erst die Zwecke, denen sie dient, und die Art ihrer Handhabung entscheiden über ihren Wert oder Unwert.

Was die Notwendigkeit und die positiven Möglichkeiten der Propaganda beweist und mit ihren Schattenseiten versöhnt, ist die weltgeschichtliche Erfahrung:

Niemals kann eine Idee so gut sein, um der Werbung entraten zu können. Niemals jedoch kann die Propaganda so vollendet sein, um einer wertlosen Idee auf die Dauer Geltung zu verschaffen.

Der Autor, Jahrgang 1903, ist Doktor der Staatswissenschaften, war Generaldirektor des Meinl-Konzerns und danach Finanz- und Wirtschaftsberater. Seit 1972 ist er ausschließlich literarisch-historisch tätig. Publikationen unter anderen: „3000 Jahre politische Propaganda“, Herold Verlag (vergriffen); „Die Korruption in der Weltgeschichte“, Langen Müller Verlag, 1982.

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