Ende der Show, bitte!

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Das Agieren der Leider-nein-aber-bitte-vielleicht-doch-Koalitionäre funktioniert nur im Wechselspiel mit den Medien: Was aber wäre, wenn sich letztere ein wenig verweigern würden?

Eine universelle Warnung an andere Länder und Parteien ist, dass die zwei großen Parteien versuchten, ihre Koalitionsverhandlungen vor laufenden Kameras zu führen. Dieses Experiment hat stark zu dem Fiasko beigetragen ..." Solches äußerte am 2. Oktober, also am Tag 1 nach der Nationalratswahl, Polens frühere Botschafterin Irena Lipowicz im Standard-Interview. Die liberale Politikerin sprach die Erfahrungen der polnischen Regierungsbildung an, bei der aus der Koalition zwischen den beiden großen Mitte-Rechtsparteien nichts wurde.

Doch warum sollten Österreichs politische Protagonisten den Standard lesen und sich über warnende Beispiele von anderswo informieren? Die polnische Lage (vgl. Seite 5 dieser Furche) ist Besorgnis erregend. Aber macht ja nichts. Das, was Österreich an Koalitions-"Verhandlungen" vorgeführt bekommt, bewegt sich schnurstracks auf das Niveau zu, vor dem Irena Lipowicz warnte. Immer TV-Kameras dabei oder mit den Journalisten gesprochen, um die eigene Botschaft an die Öffentlichkeit zu bringen: So lautet die Devise der Leider-nein-aber-bitte-vielleicht-doch-Koalitionäre.

Bis jetzt, so die bittere Erkenntnis, geht es nicht um Inhalte oder gar ums Gemeinwohl, sondern schlicht um eine Inszenierung der eigenen Positionen und Befindlichkeiten: Als letzte Woche, nachdem der Krach zwischen den Großparteien eskalierte, ORF 2 einen Runden Tisch ausstrahlte, erfuhr der staunende Zuschauer, dass bis dahin, also immerhin vier Wochen lang, keine Vieraugengespräche zwischen Alfred Gusenbauer und Wolfgang Schüssel stattgefunden hatten. Und auch Josef Cap ließ sich erst da herbei, einen Kaffee mit Wilhelm Molterer anzukündigen. Kurz: Erst wenn es der Inszenierung dient, redet man miteinander - und auch dann tut man das irgendwie vor laufender Kamera: Man speist mit dem Bundespräsidenten zu Abend, erzählt zunächst nichts davon, dann aber gibt jede Seite eine andere Version zum Besten, die, weil ja Vertraulichkeit vereinbart war, nicht wirklich zu verifizieren ist. In diesem Stil inszeniert sich derzeit die große Parteipolitik - und macht sich übers Wahlvolk lustig.

Nüchtern betrachtet müssen zuerst die Kommunikationsprobleme der hohen Politik bearbeitet werden, gar nicht die Inhalte. Letzten Sonntag zitierte dazu der Kurier einen Mediationsexperten, der seine Profession empfahl: Ein Mediator sei notwendig, so Konfliktmanager Stephan Proksch, ein Puffer, der die Gesprächsbasis aufbereitet. Und man möchte hinzufügen: auch der temporäre Ausschluss der Öffentlichkeit. Ein Monat Show und Inszenierung ist genug.

Man darf aber nicht bei der Politikschelte stehen bleiben: Auch die Medien sind in die Pflicht zu nehmen. Denn die stilisieren sich gern in Sonntagsreden als vierte Gewalt im Staate. Wenn das stimmt, dann müssten aber auch sie die Staatsräson im Blick haben und nicht bloß die Bühne für die Inszenierungen der (Groß-)Parteien bereit halten und das Showprogramm Tag um Tag zuspitzen. Ein Gedankenexperiment: Wie wäre es, wenn die Medien im Lande eine Zeit lang den Parteien keine Bühne bieten und sich auf andere Themen, die es zuhauf gibt, stürzen würden. Unterbundene Öffentlichkeit könnte den Parteispielen bald den Boden entziehen.

Die Einwände zu solchen Gedanken klingen schon im Ohr: Es sei absurd zu glauben, so etwas wäre möglich, und schon gar nicht sei es Aufgabe der Medien, in der Politik aktiv eine Rolle zu spielen. Ja, das Gedankenexperiment ist pure Blauäugigkeit. Aber das gilt auch für die Rede von der Politikferne der Medien: Man findet Beispiele genug, wie sich Medien im Lande als politische Player gerieren.

Man nehme etwa die neue Tageszeitung aus dem Fellner-Reich, die schon mehrfach durch flagrante Verletzung journalistischen Anstands aufgefallen ist: Österreich druckte dieser Tage einen "Brief" an den Bundespräsidenten ab, der mit: "... sollte bis Ende nächster Woche kein Beginn von Regierungsverhandlungen möglich sein, müssen Sie den Weg für Neuwahlen freimachen ... Die Geduld der Wähler ist zu Ende. Ihr Österreich" endet.

Solche "Berichterstattung" ist nichts anderes als politische Agitation. Warum wäre es dann absurd, darüber nachzudenken, wie - im Interesse des Landes - den Parteien ein wenig die Showbühne zu nehmen ist?

otto.friedrich@furche.at

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