Kanzler, dem nichts gelingt

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Was zu befürchten war, könnte bald eintreten: Die Koalition droht, sich in ihrer Arbeitsfähigkeit erschöpft zu haben. Das hat auch mit einem Regierungschef zu tun, dem es an Ideen, an Kraft und politischer Unterstützung fehlt.

Es ist eine bittere Bilanz, die Werner Faymann ein Jahr nach der für ihn erfolgreichen Nationalratswahl und kurz vor dem Jahrestag seiner Koalitionsregierung zu ziehen hat: Es will ihm nichts gelingen. Was er aufgreift, fällt ihm aus den Händen. Was er ankündigt, verflüchtigt sich. Wo er sich hinstellt, bleibt er alleine. Wenn er sich umdreht, ist keiner da. Wenn er nach vorne blickt, ist da kein Ziel. Was er sagt, bleibt kaum jemandem im Gedächtnis. Alles in allem: Das ist ein Zustand, der einen weniger zuversichtlichen Typen in den Wahnsinn oder bei klarem Kopf in die Demission getrieben hätte.

Der redliche Wiener Sozialdemokrat scheint nur pro forma auf dem Sessel des Bundeskanzlers zu sitzen. In Wirklichkeit stolpert er zwischen allen Sesseln umher. Jene, die ihm einen Sitzplatz anboten, beginnen, sich hinter seinem Rücken lustig über ihn zu machen. Über sein Unvermögen, den passenden Platz zu wählen. Über seine Ungelenkigkeit, ein gerade Sitzhaltung einzunehmen. Doch sowohl der Spott als auch die Schubser, die Faymann auf dem glatten Parkett erhält, sind unfair, wenngleich er sich alles selbst eingehandelt hat.

Von der Schimäre wahrer Freundschaft

In sozialdemokratischen Grußformeln und in kameradschaftlichen Liedern wird Freundschaft beschworen. Gutgläubige wie Werner Faymann halten Freundlichkeit bereits für Freundschaft, diese wiederum für Loyalität. Alles Schimäre. Faymann hat entgegen den Erwartungen dem Krone-Herausgeber Hans Dichand keine auflagesteigernde EU-Volksabstimmung beschert, also entzog ihm dieser die mediale Unterstützung. Faymann wollte die ORF-Führung austauschen, fand aber keine neue, also bleibt es bei jener, die er loswerden wollte.

So schnell hat noch kein Spitzenpolitiker die Unterstützung der Massenmedien, mit denen er groß wurde, verspielt, ohne zumindest jene der Qualitätsmedien in der Hinterhand zu haben.

Nach einigen Medien verliert Faymann als nächstes die Unterstützung seines Regierungspartners. Weil er den von der ÖVP-Führung nominierten Wilhelm Molterer ablehnt, bringt er entgegen der Absprache die amtierende Kommissarin Ferrero-Waldner ins riskanter werdende Spiel um EU-Posten. Denn wer Ferrero-Waldner sät, könnte bei der derzeitigen Geberlaune der ÖVP-Führung unversehens Ursula Plassnik ernten.

Weil das alles einige zwar pensionierte, aber strategisch denkende rote Parteigranden so kommen sahen, erweiterten sie die für Faymann kaum überschaubare Gemengelage noch um Alfred Gusenbauer. Mit ihm sollte ein einigermaßen passabler Akteur die internationale Bühne bespielen, wo Faymann entweder nicht auf-, oder wenn, dann danebentritt. Man erinnere sich nur, wie er ausgerechnet den Labour-Mann Tony Blair eben nicht an der Spitze der EU sehen wollte. Oder wie er im Fahrwasser des querulatorischen Präsidenten Václav Klaus meinte, nach dessen EU-Blockade in Tschechien nun in Österreich den EU-Vertrag von Lissabon einem Plebiszit zu unterwerfen. Was kaum jemandem eine Notiz wert war.

Gesetz des Handelns entwunden

Da fallen Faymanns Ungeschicklichkeiten in der Bildungspolitik kaum mehr ins Gewicht, selbst wenn sie ins Bild passen. Denn zuerst versagte er seiner Ministerin die Unterstützung, um dann umso kräftiger die Lehrer daran zu erinnern, auch ihr Job sei ein ganztägiger. Was diese mit Wut quittierten.

Dieser Kanzler, das ist der Eindruck, führt nicht. Ganz im Gegenteil, er schlittert unter die Wahrnehmungsgrenze. Der Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef Josef Pröll, bestimmt die Agenda. Er setzt die Themen, er bestimmt die Tonalität und er wirkt, als hätte er vorausgedacht. Er ist näher an der Wirklichkeit, er kleidet Politik in Worte. Was er sagt, wirkt. Nur darauf kommt es an.

Werner Faymann ist angezählt. Er muss einen Neustart versuchen, ehe seine Schwäche zu jener der Regierung wird. Denn in dieser Form würde sie keinesfalls noch vier Jahre bestehen, sondern kaum länger als die vorangegangene, nämlich 18 Monate.

* claus.reitan@furche.at

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