Die Flucht in den Volksentscheid

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Statt die eigene Partei zu reformieren, übt sich die SP-Führung in Populismus. Das Plebiszit als Heilmittel gegen Wahlniederlagen in Wien und im Burgenland.

An Bad Tatzmannsdorf im südlichen Burgenland ließe sich erkennen, wie reibungslos sich die Welt fernab von den täglichen Sensationen um sich selbst drehen würde. Während die große Welt eine neue Terrordebatte führt, sich in pro und kontra Nacktscanner teilt und die Angst vor Anschlägen allenthalben aus den Glossen steigt, herrscht im burgenländischen Kurbad nichts als Ruhe. Es ist nicht jene „gespannte Ruhe“, die eigentlich knistern müsste, da doch der Bundeskanzler kommt um im Kurhotel mit den Spitzen der SPÖ über die Zukunft von Partei und Republik zu beraten.

Es herrscht auch nicht der von Journalisten und Fotografen so bezeichnete Ausnahmezustand (Einsatzkommando, Helikopter, Leibwache). Nichts von alledem: Eine beinahe schon nach Nichtachtung riechende Nonchalance hat sich breitgemacht. Niemand wuselt aufgeregt herum, niemand fragt nach Autogrammen. Man ist bis über beide Ohren gelassen.

Politische Wellness

Wenn etwa der Bundeskanzler sich im Hotelfoyer der Öffentlichkeit stellt, dann kann es schon passieren, dass Kurgäste lässig in Bademantel und Frotteepantoffeln durchs Bild schlapfen. Es ist hier also noch vieles, wenn schon nicht in Ordnung, so doch in Wellness, und dieses Gefühl satter Zufriedenheit scheint auch die SPÖ-Lenker anzustecken. Keine Rede mehr von den Niederlagen, die im vergangenen Jahr die Partei ins Trudeln und den Kanzler in Nöte brachten. Keine Rede mehr von der besonders nach den Landtagswahlen in Oberösterreich eingemahnten Parteireform.

Nur Josef Ackerl, der das schwere SPÖ-Erbe in Linz angetreten hat, will darüber reden (siehe unten). Doch damit steht er weitgehend allein. Einst als Linke ausgemachte SPÖ-Mitglieder, wie etwa Franz Voves, der Landeshauptmann der Steiermark, haben sich selbst aus dem Rennen genommen. Voves sagt heute zu der von ihm geforderten Reichensteuer, das sei „eine mediale Erfindung“ gewesen (Kleine Zeitung). Und auch der Leiter der Zukunftsgruppe der SPÖ, Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter, sieht die SPÖ auf dem „goldrichtigen Weg“.

Was also ist geschehen? Sicher ist, dass sich die Umfragewerte für die Sozialdemokraten im neuen Jahr gebessert haben, während die ÖVP mit Zustimmungsverlusten zu kämpfen hat. Der Grund dafür: Eberau. Der Streit um das Asyl-Erstaufnahmezentrum im Südburgenland, von ÖVP-Innenministerin Fekter miserabel vorbereitet, gab dem Kanzler Gelegenheit, unter dem Applaus des Boulevards nach einer Volksabstimmung zu rufen. Politikberater Thomas Hofer sieht darin Faymanns „Wiederentdeckung des Populismus“.

Gar nicht erbaut sind davon jene, die sich von Berufs wegen um Flüchtlinge und Asylwerber kümmern. Caritas-Wien-Leiter Michael Landau: „Volksbefragungen sind ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie. Über Minderheitenrechte und -schutz lässt sich jedoch sinnvoll keine Volksabstimmung durchführen. Nicht jede Frage ist für jedes demokratisches Instrument geeignet.“

Doch auch andere in der SPÖ liebäugeln mit dem Plebiszit. Wiens Bürgermeister Michael Häupl wird die Stadtbürger Anfang Februar befragen, ob sie in Zukunft Hausmeister, 24-Stunden-U-Bahnbetrieb, Hundeführerschein, die City-Maut und Ganztagsschulen haben wollten. Ganz basisnah gibt sich nun auch die SPÖ-Zentrale. Bundesgeschäftsführer Kräuter kann sich sogar vorstellen, Referenden zu Steuern auszurichten. Entschlägt sich die Politik damit ihrer Verantwortung und wird in Hinkunft jedes heikle Thema von der herrschenden Mehrheit entschieden, auch in geschützten Bereichen wie Minderheitenrechten? Wer entscheidet, zu welchen Themen das Volk befragt wird? Während es auf diese Fragen von der SPÖ keine Antworten gibt, versichert man hinter vorgehaltener Hand, einziger Zweck der Aktion sei es, Wahlkämpfe mit ein wenig Bürgernähe zu „würzen“.

Entmündigte Politik

Laut Politologe Hofer arbeitet die SPÖ allerdings „langfristig an der Entmündigung der Politik“. Tatsächlich verrät das dynamische „Ich bestimme mit“, das Michael Häupl in ganz Wien affichieren lässt, nicht, wer nach der erfolgten Mitbestimmung noch die Verantwortung für die Millionenkosten der Wahlappetizer tragen soll. Die Wähler, die dafür stimmten, die Stadtpolitik, die sie vorschlug – oder der Einfachheit halber die künftigen Generationen?

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