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Reine Umwelt muß verdient werden!

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Der Autor dieses Beitrages legt dar, warum nur eine florierende, verdienende Industrie die Investitionen für einen optimalen Umweltschutz ermöglichen, sprich: finanzieren kann.

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Der Autor dieses Beitrages legt dar, warum nur eine florierende, verdienende Industrie die Investitionen für einen optimalen Umweltschutz ermöglichen, sprich: finanzieren kann.

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Einst assoziierte man mit rauchenden Fabriks-Schloten Bürgerfleiß, Wohlstand, Ansehen. Viele Postkarten belegen es. Dies hat sich, wir alle wissen es, geändert, und das hat auch damit zu tun, daß manche besonders rauchende Industrien in den Geruch geraten sind, gar nicht mehr so ar-beitsplatz- und wohlstandssichernd zu sein. Man schloß daraus auf einen Zusammenhang zwischen Umweltverschmutzung und unsicheren Arbeitsplätzen.

Inzwischen ziehen Prediger durch die Lande, auch in Schafspelze demokratischer und staatstragender Parteien ge- und mit hohen Staatsposten bekleidet, die, das Kind mit dem Bade ausschüttend, sogar behaupten, zwischen Umweltschutz und Arbeitsplätzen bestünde, wenn überhaupt, nur ein positiver Zusammenhang: Mehr Umweltschutz = mehr Arbeitsplätze. Und die Aussage, daß die kurzfristige Durchsetzung von teuren Umweltauflagen Industriearbeitsplätze gefährde, sei typisch für die Erpressungstaktik der Manager. Denn dies scheint mir wichtig: Niemand ist gegen den Umweltschutz, alle haben erkannt, daß weiteres Wachstum nur möglich ist, wenn der spezifische Umweltverbrauch drastisch gesenkt werden kann.

Daß er drastisch gesenkt werden kann, ist nun wieder nicht ein Verdienst der Umweltschützer, sondern wird durch eben jene forschende Industrie möglich gemacht, die jene für die Wurzel allen Unglücks ansehen.

Nun sind die Aufwendungen zur Erreichung eines dem Stand der Technik entsprechenden Umweltstandards unterschiedlich. In der Regel werden sie in der Grundstoffindustrie höher sein als in der weiterverarbeitenden, in der chemischen höher als im Maschinenbau. Bei einer Zellstoff-Fabrik erreichen die Aufwendungen für den Umweltschutz annähernd dieselbe Größenordnung wie jene für die eigentliche Produktionsanlage, bei einer Papierfabrik jedenfalls mehr als 20 Prozent.

Man könnte sich auf den Standpunkt stellen, daß ein Land wie Österreich einfach auf jene Industrien verzichten sollte, bei denen besonders hohe Umweltschutzkosten anfallen. Es würde sich vermutlich herausstellen, daß dies zumindest 100.000 Arbeitsplätze kosten würde, für die so schnell kein Ersatz zu schaffen wäre. Was 100.000 zusätzliche Arbeitslose an sozialen Kosten und Problemen verursachen, kann man ermessen, wenn man bedenkt, was die 9.000 einzusparenden Arbeitsplätze bei der VOEST-Alpine schon auslösen.

Jener Teil der Wirtschaft, der dem internationalen Wettbewerb voll ausgesetzt ist und weder durch hohe Transportkosten noch durch Gebietsmonopole auf dem Heimatmarkt geschützt ist und der auf den internationalen Märkten jene Devisen zu verdienen hat, mit denen das Land seine Importe bezahlen kann, hat Umweltinvestitionen immer auch gegen Investitionen in die eigene Wettbewerbsfähigkeit abzuwägen. Was nützte der optimal umweltbereinigte Betrieb, wenn er auf den Märkten nicht mehr konkurrenzfähig wäre? Uber Privat-[_betriebe urteilt der Konkursrichter schneller als über gemeinwirtschaftliche ...

Daß diese Gefahr durchaus vorhanden ist, sei am Beispiel der Neusiedler Aktiengesellschaft in Zahlen dargestellt. Das Unternehmen erwirtschaftete 1985 bei einem Netto-Umsatz von 2,58 Milliarden Schüling einen „Cash-flow“ nach Steuern von 220 Millionen, wovon, wie im Schnitt der Vorjahre und neben einer Dividende, die 17,4 Millionen gekostet hat, 195 Millionen für Investitionen in die Konkurrenzfähigkeit aufgewendet wurden.

Neben Investitionen in gleicher Höhe zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit wird die Neusiedler 1986 270 Millionen für Umweltschutzmaßnahmen aufwenden müssen. Die öffentliche Hilfe wird weit weniger als die Hälfte ausmachen. Manche Umweltschützer konnten nicht verstehen,daß diese Investition erst in Angriff genommen werden konnte, als das Unternehmen eine sehr günstige Finanzlage erreicht hatte, und befanden sie dann schließlich für zu klein.

Umweltschutzinvestitionen sind auch Investitionen und müssen verdient und finanziert.wer-, den. Wie man auch ein großes Unternehmen nicht über Nacht aus dem Boden stampfen kann, kann auch die Umweltbereinigung nicht über Nacht erfolgen, öffentliche Hüfe dazu müssen die Bürger über ihre Steuern verdienen, Eigenaufwendungen der Unternehmen über höhere Preise bezahlen. Daß aber die Preise nicht in den Himmel wachsen können, dafür sorgt die internationale Konkurrenz. Als kleines Land dürfen wir von unserer eigenen Industrie keinesfalls mehr verlangen, als andere Länder von unseren Konkurrenten verlangen. Andernfalls verlieren wir unsere Konkurrenzfähigkeit.

Umweltschutz kann nicht eine Alternative zur Erhaltung der Arbeitsplätze werden. Sinn ergibt er nur, wenn wir beides miteinander verbinden. Was aber schon gar nicht passieren darf: Daß wir über lauter Sorge um die Umwelt industriefeindlich werden. Nur eine funktionierende, verdienende Wirtschaft kann eine gesunde Umwelt garantieren. Nicht jene Länder haben die geringsten Umweltprobleme, die am wenigsten Industrie haben, sondern es ist eher umgekehrt. In Tokio, New York und in Wien kann man das Brunnenwasser noch trinken, in vielen industriearmen Ländern nicht mehr.

Der Autor ist Generaldirektor und Vorstands-Vorsitzender der Neusiedler AG für Papierfabrikation.

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