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Das Familiensplitting taugt zum ideologischen Zankapfel. Während die ÖVP mit Familienthemen vorprescht, werten SPÖ und andere Kritiker das Modell als Rückschritt zum klassischen Familienmodell.

Gratis" soll schon bald zum ersten Wortschatz unserer Kleinsten gehören, ginge es nach den Wünschen der ÖVP: Mit einem umfassenden Paket zur Förderung von Familien soll die Frequenz in heimischen Geburtenabteilungen wieder gesteigert und die Geldtaschen von Familien wieder praller werden: Von Gratis-Skilitfkarten für Kinder, bis Gratis-Parkplätze für junge Eltern, über Gratiskindergärten ab vier Jahren bis zu Gratis-Geburtsurkunde für neue Erdenbürger.

Die Themenführerschaft im Bereich Familie scheint der Volkspartei zur Zeit niemand streitig machen zu können, die Kritik an den neuen Vorschlägen folgt aber stets prompt und reißt nicht ab. "Wenn Gratis-Schiliftkarten ein Mittel sein sollen, Familien mit Kindern in Österreich zu unterstützen, kann ich nur den Kopf schütteln", sagt etwa die Grüne Vizechefin Eva Glawischnig und nennt die Familienpolitik der ÖVP überhaupt "haarsträubend". Molterer und Co würden eine Familienpolitik für Besserverdiende betreiben.

Voreilige Kritik?

Die Grün-Politikerin meint damit die Vorschläge der ÖVP-Perspektivengruppe nach einem Familiensplitting. Derzeit wohl das stärkste Reizwort für SPÖ und Grüne. Aber auch parteiintern gibt es "Erstaunen" über diesen Vorstoß, den Vordenker, Minister Josef Pröll, zur Diskussion stellte. Nur gut verdiende Alleinversorger mit Hausfrau und vier Kindern würden davon profitieren; es drängt die Frauen wieder zurück an den Herd, ist unleistbar - so lauten einige der Vorwürfe. Ein Blick ins Detail-Wirrwarr.

Erster Einwurf: Das war nur ein Ausrutscher, die ÖVP rudert bereits zurück. Zum Beispiel zeigte sich Reinhold Mitterlehner, Vize-Generalsekretär der Wirtschaftskammer, "erstaunt", dass das Thema jetzt "oberflächlich" diskutiert werde, ohne es im Kontext des derzeitigen Steuersystems und anderer Transferleistungen wie der Familienbeihilfe zu betrachten. SPÖ-Staatssekretär im Finanzministerium, Christoph Matznetter, meint gar: "Das ist eine Regenbogengeschichte, nicht ernsthaft, nur ein paar in der ÖVP wünschen sich das. Es ist ein Signal an konservative Kreise", damit diese die eingetragene Partnerschaft für homosexuelle Paare leichter schlucken würden.

"Wir bleiben bei diesem Vorschlag. Die Steuerreform soll einen Familienschwerpunkt haben", widerspricht hingegen der Sprecher von Landwirtschaftsminister Pröll, Daniel Kapp. "Es gibt keinen Anlass für einen Rückzieher. Die Kritik, die geäußert wird, ist verfrüht. Wir werden ein weiterentwickelte Modell vorlegen, das sich an Frankreich orientiert."

Zweiter Einwurf: Der Spitzenverdiener wird besonders profitieren, wie auch Matznetter in diversen Rechenbeispielen aufzeigt. Die klassische Familie (Vater arbeitet, Mutter Hausfrau, zwei Kinder) würde sich steuerlich 3879 Euro ersparen. Eine Alleinerziehende mit zwei Kindern hingegen 4517 Euro verlieren. Ein Spitzenverdiener mit drei Kindern würde gar 7560 Euro weniger an Steuern berappen.

"Rechenfehler", kontert die ÖVP und kritisiert die abrupte Gesprächsverweigerung des Koalitionspartners. "Es gibt mindestens zehn Varianten, wie man das Familiensplitting durchrechnen kann", erklärt Nikola Donig, Sprecher von Vizekanzler Wilhelm Molterer. Das konkrete Modell werde erst entwickelt. Matznetter wäre davon ausgegangen, dass alle anderen Transferleistungen wie Familienbehilfe und Absetzbeträge mit dem Familiensplitting wegfallen würden. Dem sei nicht so, betont Donig: Die Transferleistungen würden bleiben. Das französische Beispiel zeige überdies, dass Familiensplitting keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigungsquote von Frauen habe. Es würden Rechnungsschüssel entwickelt, die Alleinerzieher besonders berücksichtigen und die auch die Erwerbstätigkeit von Frauen begünstigen.

"Die Geburtenrate und Beschäftigungsquote sind in Frankreich nicht wegen, sondern trotz Familiensplittings höher, weil das Kinderbetreuungsnetz stimmt", meint wiederum der Finanzstaatssekretär. Da müsse man ansetzen.

Dritter Einwurf: Das Familiensplitting käme viel zu teuer. "Man müsste viel Geld in die Hand nehmen", betont auch Wolfgang Mazal, Leiter des Institutes für Familienforschung und der ÖVP nahe stehend. Mazal rechnet mit ungefähr drei Milliarden Euro, die das Familiensplitting kosten würde. Dabei wurde laut Mazal angekündigt, dass die Steuerreform 2010 ungefähr das gleiche Volumen an Einsparungen für den Staat bringen sollte. "Der Staat kann es sich leisten, wenn er will", heißt es hingegen aus dem Molterer-Büro.

Steuersystembruch

Vierter Einwurf: Warum nicht über die Erhöhung der Familienbeihilfe Kinderreiche unterstützen, wie auch Sozialrechtler Mazal anregt. "Durch das Familiensplitting wäre eine massive Systemänderung notwendig, bis das in den Köpfen der Bürger drinnen ist …" Es sei zu bedenken, dass in Österreich ohnedies viele Familien keine oder nur geringe Steuern bezahlen würden, so Mazal. Um die Kleinverdiener über steuerliche Vorteile zu erreichen, bräuchte es also eine Negativsteuer; die auch Pröll schon angesprochen hat.

"Bevor ich den Menschen was wegnehme, es dann durch den bürokratischen Apparat der Republik schicke, um es dann wieder über Transferleistungen aufzuteilen, ist es besser, das Geld den Leuten von vorneherein nicht wegzunehmen", meint wiederum Donig.

Wird das Familiensplitting als die "Revolution im Steuersystem", die Pröll angekündigt hat, oder ein "Steuerschwindel", wie die SPÖ fürchtet? Spätestens der nächste Sommer soll wieder heiß werden, zumindest in der Steuerdiskussion. Wenn die Reform 2010 stehen sollte, müsse sie 2009 beschlossen werden und damit im kommenden Sommer die Diskussion darüber beginnen, ließ Vizekanzler Molterer ausrichten.

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