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Josef Pröll stellte die zukünftigen Wege der Volkspartei vor. Besonders Vorschläge zu Familie und Ehe lassen aufhorchen, analysiert Regine Bogensberger.

Der Kurs steht fest, Josef Pröll hat gesprochen, die Volkspartei hat also ein neues Gesicht. Und nach der Diskussion ist vor der Diskussion, Startschuss für die Perspektivengruppe 2020? Nein, das 60-Seiten dicke Papier sei "keine Diskussionsgrundlage, sondern ein Umsetzungsauftrag", machte Vizekanzler Wilhelm Molterer sogleich deutlich. Genau damit werde die Partei jetzt beginnen.

Umweltminister und ÖVP-Vordenker Pröll präsentierte die neuen Perspektiven der Partei an einem symbolträchtigen Tag und Ort: Genau ein Jahr nach der Wahlniederlage 2006 im VIP-Center des Ernst-Happel-Stadions - nicht gerade ein Ort voll Siegesaussicht, oder eben genau der gewagte Kontrapunkt. Buhrufe blieben nach der Präsentation nicht aus, ebenso einiger unerwarteter Jubel. Ging der Ball ins Tor oder daneben?

Mutig oder längst fällig?

Besonders im Bereich Familie und Kinder kamen Vorschläge, die aufhorchen ließen: Die ÖVP vermochte es, über ihren Schatten zu springen und erteilt einer "Eingetragenen Partnerschaft" vor dem Standesamt für gleichgeschlechtliche Paare ihren Sanktus, aber die Ehe soll weiterhin nur Mann und Frau vorbehalten bleiben, ebenso das Adoptionsrecht und reproduktionsmedizinische Verfahren.

Noch im nächsten Jahr könnte die "Eingetragene Partnerschaft" umgesetzt werden, kündige Molterer an. Bei der SPÖ rennt der Koalitionspartner damit offene Türen ein. Also ein mutiger Schritt, der den moderaten Jubel verdient? Gewiss nur, wenn zugleich auch die mentalen Diskriminierungen und Vorurteile abgebaut und eine Wertung zwischen "braven" homosexuellen Paaren mit Vertrag und "wilden Partnerschaften" ausbleibt.

Der Vorschlag des "Familiensplittings" wird hingegen von SPÖ, den Grünen und Wirtschaftsexperten abgelehnt. Dieses Steuer-Zuckerl würde die Anzahl der Familienmitglieder bei der Berechnung der Einkommenssteuer berücksichtigen. Es würde aber, so die Kritiker, vor allem Familien mit alleinigem Spitzenverdiener zu Gute kommen und dem Ziel der Erwerbstätigkeit der Frauen sowie ihrer Unabhängigkeit entgegenlaufen. Stimmt nicht, kontert die ÖVP. Die Familienbesteuerung würde auch für Alleinerziehende Vorteile bringen. Aber eben einen viel geringen als für einen Alleinverdiener mit vier Kindern, dessen Frau kein eigenes Einkommen hat, entgegnet die SPÖ. Dass die Familienbesteuerung wirklich zu mehr Kindern pro Familie führen wird, bleibt aber mehr als fraglich. Gewiss, es soll nur eine Facette eines umfassenden Familienpaketes sein.

Wahlfreiheit bezogen auf die Art und Weise der Kinderbetreuung ist das grundlegende Schlagwort. Das heißt, jede Familie soll in Form ihres individuellen "Baukastensystems" die bestmögliche Betreuung für das Kind erhalten, die auch leistbar ist. "Das darf nicht nur die Herausforderung der Frauen sein, sondern der Wirtschaft und der ganzen Gesellschaft", betont Johanna Mikl-Leitner, Leiterin der Perspektivengruppe Familien und Kinder. Aber als erstes müssten die Männer mehr in die Familienarbeit integriert werden. Hier bedürfe es eines Paradigmenwechsels. "Familienpolitik darf aber nicht nur auf das Thema Kinderbetreuungsplätze reduziert werden", sagt Mikl-Leitner gegenüber der Furche. Es geht also um mehr, etwa um steuerliche Anreize oder um den Lebensschutz.

"Es muss aufhören, dass Mütter, die ihre Kinder selbst betreuen wollen, und jene, die ihre Kinder fremdbetreuen lassen, gegeneinander ausgespielt werden", sagt Mikl-Leitner weiter. Der Wert der Erziehungsarbeit werde zu wenig geschätzt und müsse transparent gemacht werden. Zudem könne es nicht Aufgabe des Staates sein, ein Betreuungsnetz für 24 Stunden an sieben Tagen der Woche inklusive Feiertagsbetreuung zur Verfügung zu stellen. Das ginge zu weit, die Eltern müssten schon auch noch was tun. Also, die Wirtschaft mehr in die Pflicht nehmen, individuelle Betreuungsformen, mit verstärkter Förderung der Tagesmütter aufbauen, den Kindergarten gratis ab vier Jahren anbieten und als "Lerngarten" definieren; dazu weitere Vergünstigungen für Familien, damit sich Kinderwunsch und Realität decken. "Denn Familie ist dort, wo Kinder sind", sagt Pröll. Gut so, aber auch nur, wenn ein gegenseitiges Auf- und Abwerten zwischen Menschen mit Kindern und jenen ausbleibt, die aus welchen Gründen auch immer keine haben (wollen).

Nächste Haltestelle der Betrachtung: die Fristenlösung. Hier sieht der neue Kurs mehr Lebensschutz vor, ohne aber an der Fristenlösung zu rütteln. Eine verpflichtende Bedenkzeit vor dem Eingriff oder eine Trennung zwischen beratendem und den Abbruch durchführendem Arzt werden gefordert. Dazu müsse es endlich eine Statistik geben, wie viele Abtreibungen tatsächlich auf Grund welcher Motive durchgeführt werden, um besser helfen zu können. "Finanzielle Not soll kein Grund für einen Abbruch sein", sagt Mikl-Leitner. Als "Zumutung" beurteilt die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Bettina Stadlbauer die Vorschläge in puncto Fristenlösung und fürchtet um das Selbstbestimmungsrecht der Frau. Das Thema Verhütung müsste mehr in den Vordergrund gerückt werden, meint Frauenministerin Doris Bures und plädiert einmal mehr für das rezeptfreie Angebot der "Pille Danach".

"Abtreibungs-Statistik"

Es drängt sich die Frage auf, ob Betroffene nicht lange genug mit einer Entscheidung gerungen haben, bevor sie den Eingriff durchführen lassen wollen. Die ÖVP meint nicht und fordert den Ausbau von Beratungsstellen. Die Vorschläge sind zwar zum Teil wichtig, gehen aber die Problemlage nicht bei der Wurzel an. Diskussionswürdig sind sie allemal, und nicht sogleich mit dem mächtigen Wort der "Gefährdung des Selbstbestimmungsrechts" abzutun.

Eines muss als nicht zu unterschätzende Signalwirkung in puncto Vereinbarkeit anerkennend bemerkt werden: Bei der Präsentation der Ergebnisse der Untergruppe Familie wurde abendliche Kinderbetreuung angeboten - und noch viel besser, sie wurde auch genutzt.

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