Zu zweit marschieren, alleine siegen

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Beobachter sehen die Koalition vor dem Wahljahr 2013 in "Torschlusspanik“. Mühsam errungene Kompromisse belegen das Dilemma von SPÖ und ÖVP.

Was als große Koalition begann endet als kleine Schicksalsgemeinschaft. Anders lässt sich die jüngste, bei Regierungsklausur und Ministerrat hergestellte, Beschlusslage von Sozialdemokraten und Volkspartei wohl nicht benennen. Es sind mühsam hergestellte, in der jeweiligen Sache kaum befriedigende Kompromisse, was Rot und Schwarz zustande brachten. Ihr Bemühen um Einigkeit ist überschattet von weiterhin bestehenden, tief liegenden Unterschieden, ja Gegensätzen, insbesondere in gesellschaftspolitischer Hinsicht.

Das Wahljahr 2013 wie eine Zielgerade vor den Augen, drängt es jeden danach, als Erster über die Ziellinie zu laufen und den anderen hinter sich zu lassen. Doch das kann und will nicht gelingen, denn auch im Endspurt der Gesetzgebungsperiode sind und bleiben die beiden aneinander gekettet.

Uneins in behaupteter Einigkeit

Geschafft wurde etwa ein grundsätzlicher Beschluss über den Ausbau ganztägiger Schulformen. Derzeit sind dafür 120.000 Plätze vorgesehen, für weitere 40.000 ist Geld reserviert, insgesamt 200.000 Plätze sollen es bis zum Jahr 2014 werden - doch was genau es werden soll, bleibt unklar.

Die Sozialdemokraten sind für die verschränkte Form, also die Aufteilung des Unterrichtes auf jeweils einen ganzen Tag. Anders die Volkspartei: Sie wünscht eine getrennte Form, sprich: Der Unterricht bleibt gebündelt auf einen - meist zu lang geratenen - Halbtag, dessen kürzerer Teil dann von Schülerinnen und Schülern unter Beaufsichtigung zugebracht wird.

Für wie unwahrscheinlich daher eine Einigung zwischen den Regierungsparteien ist, ließ Wiens Bürgermeister Michael Häupl unübertrefflich erkennen, indem er eine technisch unwahrscheinliche Anerkennung auslobte: Sollte die Volkspartei, so Häupl, tatsächlich die ganztägige Schulform - also das Modell des verschränkten Unterrichts - mit ihrer Zustimmung meinen, dann werde er nicht nur mit den Händen "sondern auch mit den Füßen klatschen“.

Dazu wird es wohl nicht kommen: Die von der ÖVP geführten Länder betonen, die Eltern hätten die Wahlfreiheit darüber, ob ihre Kinder nachmittags zu Hause seien oder anderweitig betreut werden. Die Gemeinden meldeten umgehend an, wegen der Kosten als Schulerhalter müssten als nächstes Finanz- und Vertragsverhandlungen geführt werden. Das kann erfahrungsgemäß dauern (lesen Sie dazu bitte auch Seite 10).

Etwas aneinander angenähert haben sich Sozialdemokraten und Volkspartei hingegen in der Finanzierung der Universitäten (lesen Sie dazu bitte Seite 7) und in der neuen Regelung der Obsorge. Aber auf dem Themenfeld Familie wachsen weiterhin die Spaltpilze.

Der für die Familien zuständige Bundesminister, Reinhold Mitterlehner, präsentierte zum Wochenbeginn ein neues, vereinfachtes Modell der Familienförderung.

Schlagabtausch statt Sacharbeit

Die Familienbeihilfe ist gegenwärtig je nach Alter auf vier unterschiedliche Beträge verteilt, sieht eine Staffelung nach Geschwistern sowie Zuschläge nach erheblicher Behinderung und nach Kinderanzahl und zudem einen Kinderabsetzbetrag vor, der mit der Familienbeihilfe ausbezahlt wird. Mitterlehner will die Staffelungen vereinfachen und den Zuschlag für behinderte Kinder ebenso erhöhen wie die Geschwisterstaffel.

Sie freue sich, sagte dazu Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, dass der Familienminister "nun auch“ erkannt habe, dass das System der Familienförderung umgebaut werden sollte.

Die Tonalität dieser Erklärung, welche sich auch in Reaktionen der ÖVP auf SPÖ-Aussagen finden ließe, ist mehr von Häme und Triumphalismus geprägt denn von Bemühen, dem Regierungspartner in Würde und ohne Gesichtsverlust die Brücke zum Kompromiss beschreiten zu lassen.

Ganz im Gegenteil. In diesem Modell des Familienministers komme der Ausbau der Kinderbetreuung "leider überhaupt nicht vor“, so Heinisch-Hosek. Die Mehrkosten seien "problematisch“, vieles bedürfe "noch einer Klärung“. Die Direktauszahlung der Familienbeihilfe an Jugendliche ab 18 Jahren sei zu begrüßen, so Heinisch-Hosek. Allerdings sollte sie nicht nur dann erfolgen, "wenn die Erziehungsberechtigten zustimmen“. Das hatte Mitterlehner aber nicht verlangt. Er hatte gemeint, den Antrag auf Direktauszahlung sollten die Eltern zu unterzeichnen haben, um Probleme beim Unterhalts- oder Steuerrecht zu vermeiden.

Diese Art politischer Kommunikation lässt, so sehen es Beobachter, tief blicken. Regierungspartner, die so miteinander verfahren, behindern einander in der Arbeit anstatt aufeinander abgestimmt eine am Wähler orientierte Schul- und Familienpolitik zu betreiben.

Diese Projekte scheitern daran, sagt die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle zur FURCHE, dem anderen einen Erfolg zu gönnen. "Die großen Reformen sind blockiert“, alles sei in die Zeit nach dem Wahljahr 2013 verlegt. In diesem wird, wie berichtet, zuerst im März in Kärnten und in Niederösterreich, dann in Tirol gewählt, ehe die spätestens im Oktober 2013 fällige Nationalratswahl folgt.

Themenlage entspricht Wahljahr

Der Logik des Wahljahres scheint auch die von der Koalition hergestellte Themenlage zu entsprechen, wie Politikwissenschafter Peter Filzmaier andeutet: In der Bildungspolitik liege die SPÖ in der Zustimmung der Wähler deutlich vor der Volkspartei, diese wiederum versuche daher mit Familienpolitik zu punkten, denn dabei liege die ÖVP vor der SPÖ.

Die Koaliton sei geprägt von "Torschlusspanik“, sagt Stainer-Hämmerle. Beide Parteien seien in einem Dilemma, denn es fehlten Erfolge. Die Lage sei "paradox“: im internationalen Vergleich könne Österreich auf gute Daten verweisen, aber es fehle die Vision, was die Koalition für Österreich weiterbringen möchte. Die Regierung sei zwar gut in das Jahr 2011 und dann 2012 gestartet, hätte aber die bei Klausuren festgelegten Projekte wirklich umsetzen müssen. Die Krise binde zwar eine Regierung, sei aber keine Entschuldigung für gegenseitige Blockade.

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