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Ludwig hält Familienrat

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Was kann ein Bundesland selbst für die Familien tun? Nur die Politik der Bundesregierung kritisieren? Niederösterreich will künftig einen eigenständigen Weg suchen.

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Was kann ein Bundesland selbst für die Familien tun? Nur die Politik der Bundesregierung kritisieren? Niederösterreich will künftig einen eigenständigen Weg suchen.

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Niederösterreich will sich nicht begnügen, daß die Familie nur krankgejammert und die Familienpolitik der Bundesregierung totkritisiert wird: Man will selbst Famüienpolitik betreiben. Den Startschuß dazu gab am 1. Juli eine „Familien-Enquete” in St. Pölten.

Was Landeshauptmann Siegfried Ludwig vorschwebt, deponierte er in seinem Grundsatzreferat vor den Enquete-Teilnehmern: Bereits im Herbst soll dem blau-gelben Landtag ein Entwurf für ein Landes-Familiengesetz zugeleitet werden.

Überdies sprach Ludwig von der Gründung einer „Famüien-Kammer” auf Landesebene als Interessensvertretung für die Anliegen der Familien. Ludwig — nach dem Motto „Einigkeit macht stark” — will darin alle Familienorganisationen vertreten sehen, von den SPÖ-verbundenen Kinderfreunden, über den ÖVP-Fa-milienbund bis hin zum Katholischen Familienverband.

Und selbstverständlich soll in der „Kammer” - Ludwig ist es gleichgültig, ob man lieber von „Dachverband der Familienorganisationen” spricht oder ob man die Bezeichnung „Gewerkschaft” bevorzugt — auch noch alles Sitz und Stimme haben, was seine Stimme sonst noch für die Familie erhebt.

Gegen das „Familiengesetz” wurden voii den bei der Enquete vertretenen Familienorganisationen denn auch kaum Einwände erhoben. ”Die „Familien-Kammer” allerdings wurde in den Arbeitskreisen kritisch aufgenommen.

Kein Wunder. Die (noch) neue Landesverfassung sieht bereits eine offizielle Vertretung für die Familien im Land unter der Enns vor: den „Landesbeirat für Jugend- und Familienpolitik sowie zur Wahrung der Interessen der älteren Generation” (Artikel 25).

Dieser Beirat hätte vor allem ein Begutachtungsrecht über Gesetzesentwürfe. Er wurde auch schon, in relativer Stille freilich, installiert, dürfte aber noch nicht in Aktion getreten sein.

Überdies, so das Argument einiger Juristen in St. Pölten, bestünde ebenfalls nach der neuen Landesverfassung für die Familien die Möglichkeit, ihre Anliegen

über das „Initiativrecht” im Land durchzusetzen.

Von diesem Recht haben Familien nun noch nie in Niederösterreich Gebrauch gemacht. Vermutlich deshalb, weil die Kompetenzen des Landes für Familienpolitik ziemlich eingeengt sind. Und auch deshalb, weil sich die Familien ihrer politischen Macht bisher kaum bewußt geworden sind.

Beziehungen zur Politik gab es trotzdem: Denn gerade in Niederösterreich gelang es dem Katholischen Familienverband, der selbstverständlich auch hier unabhängig jenseits der Parteien agiert, seine Anliegen über ÖVP-Mitglieder in die Politik zu bringen. So war etwa der neue ÖVP-Landesparteisekretär Gustav Vetter bis zu seinem Amtsantritt stellvertretender Obmann des

Familienverbandes der Diözese St. Pölten.

Vermutlich will sich Niederösterreichs ÖVP über den von ihr gestellten Landeshauptmann auch „familienpolitisch” profilieren. Die Väter und Mütter jedenfalls, die bei dieser von beiden Parteien beschickten Enquete vor dem Mikrophon ihre Sorgen unterbreiteten, standen sicher nicht der SPÖ nahe.

Und auch Univ.-Prof. Bernhard Raschaüer kritisierte bei seiner Analyse der Familiengesetzgebung eher die Bundesregierung, denn die Oppositionspartei. Was dann einer St. Pöltner SPÖ-Stadträtin dermaßen über die Hutschnur ging, daß sie zu einem wirklich spontanen Plädoyer für die Bundesfamilienpolitik ansetzte.

So dürfte die Enquete bereits gezeigt haben, welchen Gefahren eine „Familien-Kammer” ausgesetzt sein könnte: Man redet nicht mit-, sondern gegeneinander.

Ludwig, sein Motto „Familienpolitik statt Atompolitik” wurde bereits von Kritikern zerzaust, verstand es aber gut, die familienpolitischen Kompetenzen des Landes aufzuzeigen:

O Die „Kammer” soll Gesetze begutachten, die Familieninteressen bei der Wohnbauförderung vertreten, Bildungsmöglichkeiten für Mütter anbieten, die Chancen für den Wiedereintritt in den Beruf fördern und die Teilzeitbeschäftigung verwirklichen helfen.

0 Durch das „Familiengesetz” soll etwa die Einrichtung der „Tagesmütter” auf gesetzliche Basis gestellt werden, sollten Frauenhäuser” gegründet werden können, Familien-Urlaubsaktionen unterstützt werden.

Wird Niederösterreich Familienparadies oder haben die Parteien nur ein neues Feld der Agitation entdeckt?

Man sollte es mit der Psychologin Anneliese Fuchs halten: „Alles, was die Politiker für die Familie machen wollen, ist grundsätzlich zu begrüßen!”

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