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Friedensschluß zur Halbzeit

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Mit schönen Farbprospekten und weniger schönen Untergriffen ringen Niederösterreichs Parteien um eine möglichst gute Ausgangsposition für die nächste Landtagswahl.

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Mit schönen Farbprospekten und weniger schönen Untergriffen ringen Niederösterreichs Parteien um eine möglichst gute Ausgangsposition für die nächste Landtagswahl.

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Niederösterreichs Landesbürger horchten erstaunt auf: Gerade zur Halbzeit der Landtags-Legislaturperiode schien der erst im Jänner besiegelte Parteienpakt zwischen ÖVP und SPÖ zu zerbrechen. Aber dann wurde doch wieder Frieden geschlossen. Und der „Friedensstifter“ war Landeshauptmann Siegfried Ludwig.

Ludwig trat allerdings mit der Rute auf. Beim außerordentlichen Landesparteitag der ÖVP in ‘Tulln am 21. November stellte er sie ins Fenster: Man werde künftig den Willen der SPÖ zur Zusammenarbeit nicht nur an ihren Beteuerungen, sondern an ihren Taten messen.

Nun, den Parteienpakt überschattet hatte zweifellos der kometenhafte Aufstieg Siegfried Ludwigs als Regierungschef im Land unter der Enns. Der „Bürgernähe“ der neuen blau-gelben ÖVP hatte die SPÖ vorerst nichts entgegen zu setzen:

• Der Landeshauptmann kam selbst zu Sprechtagen in die Bezirke. Im Feber 1982 wird er in jedem der 21 Bezirke gewesen sein.

• Für Berufstätige wurden Abend-Amtsstunden vom Landhaus oben, bis hinunter in die Bezirkshauptmannschaften eingeführt.

• Und nach dem Parteienpakt im Jänner mußten die SPÖ-Kämp- fer ihr bisher wirksamstes Geschütz ins Museum stellen: Die Aufnahme in den Landesdienst, vorher vom ÖAAB kontrolliert, ist für jedes Parteibuch offen. Es entscheidet eine schwarz-rote Personalkommission.

Kein Wunder, daß die SPÖ trachtete, Ludwigs Höhenflug und den damit zweifellos gekoppelten Imagegewinn bei den Landesbürgern im Herbst zu stoppen.

Als „Bremsklotz“ bot sich der Rechnungshofbericht über die

Mängel in der Geschäftsführung der Landeshypobank. Sie hatten dem Geldinstitut (und damals war Ludwig Regierungskommissär gewesen) einen Schaden von rund 300 Millionen Schilling durch Spekulationen eingespielt.

Gerade den Regierungskommissär aber sprach der Rech-

nungshof so gut wie frei von Schuld. Die blieb an den, auch sozialistischen, Direktoren und Kuratoren hängen. Die von der SPÖ groß angekündigte Hypobank- Debatte Mitte Oktober verlief im Sand. Verärgerte Journalisten schrieben von einer „Bauernkomödie im Landtag“.

Verärgert aber war auch die

ÖVP. Ein Magazin, das im Vorfeld der SPÖ agiert und ziemlich unter Ausschluß der Öffentlichkeit erscheint, hatte in einem Postwurf an Niederösterreichs Haushalte über die „Hypo-Skandale“ berichtet. Und zwar so, daß an Ludwig etwas hängenbleiben sollte. Offiziell aber wusch man sich in der SPÖ die Hände in Unschuld: Man könne doch unabhängigen Journalisten keinen Maulkorb umhängen…

Die ÖVP ihrerseits war auch keineswegs zimperlich. In Inseraten betrieb sie gezielte Propaganda gegen SP-Landeschef Leopold Grünzweig und jedem, der es hören wollte, erzählte man von dessen Führungsschwäche in der eigenen Partei.

Die Auseinandersetzung eskalierte zum Kleinkrieg, der nur deshalb der Öffentlichkeit nicht

in vollem Umfang bewußt wurde, weil er überwiegend in Parteizeitungen geführt wurde. Schließlich lud Ludwig zu neuen Parteiengesprächen, die am 19. November stattfanden und mit dem erwähnten Friedensschluß endeten.

Der Parteien-Friedensgipfel fiel übrigens in jene Woche, in der SPÖ und ÖVP gerade ihre Halbzeit-Erfolge feierten. Die SP informierte über ihre Erfolge auf 16 Seiten Farbprospekt, mit Hausbesuchen und Großkundgebungen ihres Landesparteichefs Leopold Grünzweig.

Die ÖVP ließ von ihrem Kader 578.000 „Halbzeit-Broschüren“ (Umfang 48 Seiten) in die Haushalte tragen. Und in Tulln gabs den erwähnten Jubel-Parteitag, der mit einem Riesenfeuerwerk endete.

Auch wenn man die Partei-Lorbeeren wegräumt, kann sich die blau-gelbe Halbzeitbilanz sehen lassen. Es trat die neue Landesverfassung in Kraft — die derzeit bürgernahste in Österreich. Die Wohnbau-Misere haben die Niederösterreicher durch ein eigenes Modell zu lösen versucht, wodurch die Wartezeiten auf Wohnbaudarlehen verkürzt wurden. Und eine Reihe von Förderungsinstrumenten versucht die Folgen der Wirtschaftskrise, von denen Niederösterreich besonders hart betroffen ist, zu mildern.

Mit Recht schreiben sich die Erfolge beide Parteien zu. Sie konnten auch nur durch Zusammenarbeit erreicht werden. Daß man sich so nebenbei zu übertrumpfen oder durch Untergriffe auszuschalten versucht, hat einen ganz besonderen Grund: Im blau-gelben Landtag steht es 29 (VP) zu 27 (SP). Kann die SPÖ nur ein Mandat des Gegners ins Wanken bringen, fällt ihr der nächste Landeshauptmann zu.

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