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Stunde der Wahrheit

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Die Aufhebung des „Berufsverbots für Sozialisten im Landesdienst" war eine der Forderungen des neuen SPÖ-Chefs von Niederösterreich, Leopold Grünzweig, bei Amtsantritt. Und Grünzweig meinte, in der Personalpolitik werde die „Stunde der Wahrheit" für den neuen Mann an der ÖVP-Lan: desspitze, Siegfried Ludwig, schlagen.

Die Uhr hat die „Stunde der Wahrheit" schon anzuschlagen begonnen. Auf dem Landesparteitag der ÖVP in Hollabrunn am 8. November kündigte Ludwig als neugewählter Landesob-mam auch neue Leitlinien für die Personalpolitik an. Bereits am 10. November erging eine offizielle Einladung an die SPÖ, sich mit der ÖVP an einen Tisch zu setzen. Als Gesprächstermin wurde der 26. November vereinbart.

Personalpolitik ist wohl in jedem Bundesland ein „heißes Eisen". Die Personalpolitik im Landesdienst Niederösterreichs aber hat der ÖVP das Image einer „Kuenringerpartei" eingehandelt. Gemeint ist das große Ministerialengeschlecht der Kuenringer, das durch seine „Hausmachtpolitik" mit den Babenbergern in Konflikt geraten war.

Als Raubritter sind die Kuenringer in die Geschichte eingegangen. Als „Schwarze Spinne" ging der ÖAAB-Niederösterreich, der die fast absolute Mehrheit im Landesdienst stellt, in den Sprachgebrauch der Medien ein.

Siegfried Ludwig hat seine politische Karriere im Landhaus als Obmann der ÖAÄB-Gruppe Landhaus und später als Obmann der Zentralpersonalvertretung der Nö-Landesbediensteten begonnen. Als Landeshauptmann wird er ab 22. Jänner 1981 von seinem Vorgänger Andreas Maurer auch das Personalreferat übernehmen.

Der Kampf der SPÖ gegen die ÖVP-Herrschaft im blau-gelben Landesdienst glich bislang dem Kampf gegen die Windmühlen.

An erster Stelle des „roten" Forderungsprogramms steht seit Jahren ein „roter" Bezirkshauptmann.

Doch alle 21 Bezirkshauptmannschaften werden von „schwarzen" Verwaltungsjuristen regiert. Und auf die Häuptlingsthrone warten nur „schwarze" Anwärter. Denn Bezirkshauptmann in Niederösterreich kann nur werden, wer an zwei Dienststellen als Konzeptsjurist und anschließend zweimal als Bezirkshauptmannstellvertreter gedient hat

Die SPÖ hätte als ihren Mann den ehemaligen Czettel-Sekretär Hofrat Hans Kleedorfer präsentiert. Das wurde abgelehnt. Begründung: Als Jurist sei er qualifiziert, doch mangle es ihm an Erfahrung in der Verwaltungsarbeit „draußen".

Und tatsächlich mußte bisher auch jeder Maurer-Sekretär, der Bezirkshauptmann werden wollte, „draußen" ganz klein beginnen. Landeshauptmann-Sekretäre waren bisher junge Juristen. Hofrat Kleedorfer ist Jahrgang 1923 ...

Die SPÖ beantwortete die Abweisung auf Bezirksebene mit dem Ruf nach Demokratisierung der Bezirksverwaltung. Sie schlösse auch die Wahl des Bezirkshauptmanns ein und böte in überwiegend „roten" Bezirken Chancen.

Das Klagelied der SPÖ gipfelt immer in der Feststellung: „Jeder Niederösterreicher kann Bundespräsident werden, aber nur ein Schwarzer kann in Niederösterreich Straßenwärter werden."

Man beruft sich dabei auf die Ergebnisse der Zentralpersonalvertretungs-wahlen, die immer wieder eine kaum noch zu erwartende Steigerung der ÖAAB-FCG Stimmenanteile bringen. Die rund 15.000 Landesbeamten (dazu gehören auch die Straßenwärter) sind fest in Händen der Mehrheit.

Bei den landesinternen Personalvertretungswahlen im Oktober 1978 etwa heimste der AAB von 11261 gültigen Stimmen (die Angestellten der Landeskrankenhäuser wählen Betriebsräte) 10.668 Stimmen ein. Auf die SP-Ge-werkschafter entfielen ganze 593. In der SP spricht man daher von „Personalterror" und „ostblockähnlichen Zuständen".

In der Zentralpersonal Vertretung weist man diese Vorwürfe zurück. Der AAB-Erfolg beruhe nicht darauf, daß nur „Schwarze" in den Landesdienst aufgenommen werden („Eini schaun kann man in keinen!"), sondern auf der Zufriedenheit der Beamten mit den AAB-Personalvertretern.

Immerhin hat die SP eines erreicht: Uber die „Kuenringer-Methoden" der ÖVP in Niederösterreich wird in ganz Österreich diskutiert.

Siegfried Ludwig will dieses Image nun korrigieren. In Hollabrunn hat er angekündigt, künftig werde jeder Posten im Landesdienst ausgeschrieben. Bis Frühjahr 1981 soll auch ein „Ein-stellungsmodell" vorliegen, das entsprechende Bedingungen für die Aufnahme in den Landesdienst regelt.

SP-Landeschef Grünzweig ist aber skeptisch: „Am Ende eines Ausrottungsprozesses kann man leicht demokratisch werden."

Grünzweig will am 26. November das bereits nach den Landtagswahlen 1979 ausgehandelte (und dann geplatzte) Parteiabkommen in Kraft setzen. Nach dem Gewinn von zwei Mandaten hätte dieses der SPÖ mehr Rechte gebracht. So sollte Hofrat Kleedorfer - erstmals in der Landesgeschichte - als „roter" Landesamtsdi-, rektor-Stellvertreter bei Personalentscheidungen mitmischen.

Für diese „Rechte" habe die SP „schon bezahlt", meint Grünzweig. Nämlich dadurch, daß sie Landeshauptmann Maurer ihre Stimmen gab.

Kurz vor seinem Tod hat Landesvize Hans Czettel neue Forderungen an die ÖVP gestellt: etwa den Obmann des Finanzkontrollausschusses, neue Vergaberichtlinien für den großvolumigen Wohnbau usw. Darüber will Grünzweig reden. Ein Junktim aber (Wahl Ludwigs zum Landeshauptmann mit den Stimmen der SPÖ) will er nicht eingehen.

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