6927289-1982_16_04.jpg
Digital In Arbeit

Skandalsand im Getriebe

19451960198020002020

Skandalsand im Getriebe der niederösterreichischen Landespolitik: bei wichtigen Vorhaben geht nur sehr wenig weiter. Trotzdem hat die Zusammenarbeit eine Chance

19451960198020002020

Skandalsand im Getriebe der niederösterreichischen Landespolitik: bei wichtigen Vorhaben geht nur sehr wenig weiter. Trotzdem hat die Zusammenarbeit eine Chance

Werbung
Werbung
Werbung

In Niederösterreich ist seit der Karwoche unverhofft eine „WBO-Erholungspause" eingetreten. Landeshauptmann Siegfried Ludwig ist fürs erste vom Verdacht, WBO-Gelder genommen zu haben, entlastet. ÖVP und SPÖ gehen nun wieder daran, Probleme, die den Landesbürgern unter den Nägeln brennen, gemeinsam zu lösen.

Am Gründonnerstag ist die Ge rüchte-Geschichte von FPO-Lan-desparteiobmann Harald Ofner, Ludwig habe einen Beleg über zwei Rauchwarter-Millionen unterzeichnet, im Gerichtssaal zusammengebrochen: im Rahmen eines Presseprozesses. Das SP-Zentralorgan „Arbeiterzeitung" hatte nämlich am 22. März Ofners Erzählung geschrieben. Und Ludwig hatte geklagt.

Zur Entlastung seiner Mandantin ließ AZ-Anwalt Dietrich (Kanzlei Rosenbaum) die gesamte WBO-„Prominenz quot; aus dem Eisenstädter Untersuchungsgefängnis herankarren. Sie entlastete aber Ludwig: Ex-WBO-Chef Ernst Rauchwarter, Ex-WBO-Geschäftsführer Horst Tietze und Rauchwarter-Schwa-ger Otto Kriegler sagten aus, von dem Zwei-Millionen-Beleg nichts zu wissen.

Rauchwarter: „Ich habe dem Herrn Landeshauptmann weder direkt noch indirekt Geld gegeben, noch den Auftrag dazu gegeben! Ich habe auch keinen Beleg zu meiner Absicherung hinterlegt."

Ludwig verließ als Sieger am Gründonnerstag die gerichtliche Wallstatt. Und sprach noch am gleichen Tag seinem politischen Gegenüber, SPO-Landesobmann Leopold Grünzweig seinen Dank aus.

Zwei Tage vor Ludwigs Entlastung hatte Grünzweig nämlich großes politisches Fingerspitzengefühl bewiesen. In einer Pressekonferenz hatte er nicht wie FPÖ-Obmann Norbert Steger nach der Verhaftung des ÖVP-Landespar-teisekretärs, Walter Zimper, Ludwigs Kopf gefordert (Steger: „Fällt der Mantel, fällt der Herzog!"). Grünzweig hatte vielmehr erklärt, er empfinde keine Schadenfreude und Ofners Versuch, Ludwig zu belasten, hatte er als „unverständlich und unfaßbar" gerügt.

Grünzweigs Verhalten bewies Weitsicht. War's Taktik, so wird sich seine Fairneß (zwar nicht im eigenen Lager) beim politischen Gegner und bei Wechselwählern bezahlt machen. Und: Grünzweig hat vor allem verhindert, daß man in Niederösterreich jetzt vor einem politischen Scherbenhaufen steht. SPO und ÖVP können trotz vieler Belastungen jetzt wieder zusammenarbeiten. Zu lösen gibt es im größten Bundesland, das von der Wirtschaftsflaute am meisten betroffen ist, ja eine Reihe von Problemen. Und zu lösen sind die nur gemeinsam.,.

Übrigens: Gleich nach Ostern hat auch der ÖVP-Landtagsklub-obmann Hans Kellner Grünzweig seine „Hochachtung" ausgesprochen und der SPO die Zusammenarbeit angeboten. Tatsächlich war die Landespolitik im Schatten des WBO-Skandals in den letzten Wochen ins Stocken geraten. Regierungssitzungen, erfuhr man, wurden nur noch im Schnellzugstempo abgewickelt.

Wichtige Vorhaben, wie die Verhandlungen zwischen Land und Bund über Abschluß eines „Staatsvertrages" für umfassende Wirtschaftshilfe waren in Verzug geraten. Von den 45 Vertragspunkten haben sich die Beamten bislang nur über sechs geeinigt, in 14 Problembereichen (vor allem Wirtschaftsfragen) herrscht nur „teilweise Einigung", über zehn Punkte gibt es keine Einigung und über drei hat man noch nicht gesprochen.

Kein Wunder, daß vor allem Niederösterreichs Gewerkschafter ungeduldig werden und eine Ankurbelung der Verhandlungen durch Politikergespräche fordern.

Zu klären gibt auch die Frage, ob sich Niederösterreich dem Sal-cher-Wohnbauprogramm anschließen wird. Die SPÖ fordert das, denn das Programm brächte 800 Mietwohnungen und eine Belebung der Bauwirtschaft. Die Freigabe einer Milliarde aus den Mitteln des außerordentlichen Landeshaushalts und des Konjunkturausgleichsteils durch Finanzreferent Pröll ist der SPÖ zu wenig Impuls.

Die Zeichen stehen also wieder auf Zusammenarbeit. Vorerst. Denn ausgestanden sind die Folgen des WBO-Tiefs in Niederösterreich keineswegs.

Vor allem ist im Funktionärskader der blau-gelben ÖVP ein ungeheurer Vertrauensverlust zur Parteiführung feststellbar. Wenn OVP-Klubobmann Kellner erklärt, Ludwig „stehe nicht mehr so sehr im Regen", wie die Wochen vorher, so ist das bezeichnend.

Und vor allem im ÖVP-Bauern-bund überlegt man mehr oder weniger laut, ob mit dem „angeschlagenen" Ludwig noch Wahlen zu gewinnen seien. Sogar von Andreas Maurers Rückkehr ist die Rede...

Wie auch immer: Es wird nicht leicht sein, durch harte Arbeit verlorenes Terrain und Vertrauen wiederzugewinnen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung