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Im Gleichschritt und trotzdem nicht im Trott
Bei der ÖVP-Niederösterreich bellten die „bunten Hunde" mit. Die blau-gelbe SPÖ lud auch parteipolitisch nicht „eingefärbte" Interessenten zur Diskussion. Beide Parteien wollten damit ihre Offenheit dokumentieren — bei der Erstellung ihrer „Problemlösungsprogramme" für die neunziger Jahre.
Die SPÖ hat übrigens die ÖVP um mehr als nur Nasenlänge überflügelt. Ihr Arbeitsprogramm „Niederösterreich '90" wurde bereits von einem Landesparteitag am 11. September gou-tiert. Für das „Modell NiederÖsterreich" der ÖVP geht erst am 18. November die zweite Runde zu Ende. Dann geht es um den „letzten Schliff". Und im Frühjahr 1983 — rechtzeitig vor Beginn des .Wahlkampfs für die Landtagswahlen im Frühjahr 1984 (er soll im Herbst 1983 beginnen) - wird das „Modell Niederösterreich" präsentiert.
Eine Diskussion über parteipolitische Zielsetzungen kündigte Leopold Grünzweig bereits an, als er nach dem Tod von Hans Czettel im Herbst 1980 die Führung der blau-gelben SPÖ übernommen hatte. Hans Czettel hatte seine Partei mit dem „Niederösterreich-Plan" in die siebziger Jahre geführt. Und damit der Landespolitik einige wichtige Anstöße gegeben — etwa in Richtung Regionalplanung. Nun sollte ein „Programm Grünzweig" entstehen.
Den Startschuß für das „Modell Niederösterreich" gab ÖVP-Lan-deschef Siegfried Ludwig am 11. Juni 1981 auf Schloß Laxenburg. Hier soll — wenn auch die Verwandtschaft zu anderen ÖVP-„Modellen" in den Bundesländern nicht zu leugnen ist — ein „Modell Ludwig" entstehen.
Nun, das „Modell" war von vornherein offen angelegt. Ludwig versicherte sich schon vor Laxenburg der Mitarbeit von rund 700 Experten und Landesbürgern, die etwas zu sagen haben oder sich etwas zu sagen trauen, wenn es um ihre Zukunft geht (Journalisten, „Grüne", „bunte Hunde", für deren Ideen die Luft in Parteizentralen zu pragmatisch ist).
An „Niederösterreich '90" arbeitete ursprünglich nur ein kleiner Kreis „roter" Fachleute. Erst als der Bildungsreferent der blaugelben SPÖ, Landesparlamentarier Franz Slawik von Arbeiterkammerpräsident NR Josef He-soun die Federführung übernahm, kam es zur Einladung nicht parteigebundener Ideenlieferanten. In über 30 offenen Diskussionen wurden die Problembereiche vom „Parteifußvolk" — und Gästen — begutachtet und auch ergänzt.
„Modell Niederösterreich" schließt diesen „Weg zu den Landesbürgern" eben ab — nach insgesamt 21 Diskussionen in den Landesbezirken.
Bei einem Vergleich fällt nicht nur die starke Ähnlichkeit der Namen auf. „Niederösterreich '90" und „Modell Niederösterreich" greifen auch die gleichen Themenbereiche auf.
Das „Programm Grünzweig" gliedert sich in zwei Abschnitte:„Wirtschaft" und „Der Mensch in unserer Gesellschaft". Ludwigs „Modell" stellt sich in drei Schwerpunkten zur Diskussion: „Anders leben", „Die Welt um uns", „Arbeit und Wirtschaft".
Beide „Programme" versuchen Lösungen für die gemeinsamen Probleme: Für die Engpässe bei Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Fremdenverkehr; sie wollen Forschung und Innovation ankurbeln. Sozial- und Gesundheitsprogramme für die 90er Jahre bieten, beschäftigen sich mit Verkehr, Wohnen, Bildung, Kulturinitiativen, Freizeit und dem unmittelbaren Lebensraum der Landesbürger — der Gemeinde.
Selbstverständlich gleichen sich auch viele der angebotenen „Lösungsvorschläge" — vor allem im Wirtschaftsbereich. Was aber auffällt: das „schwarze Modell" ist irgendwie „bunter" als das „rote" „Niederösterreich *90".
Da wird zum Beispiel vom „Modell" auch das (anscheinend fernab liegende) Problem der Entwicklungshilfe aufgegriffen. Und es gelingt tatsächlich die „Kurve" nach Niederösterreich: Man fordert die ideelle Förderung von „Selbstbesteuerungsgruppen" durch das Land, „Karenzurlaub" für Entwicklungshelfer aus dem öffentlichen Dienst...
Oder: Während das Spirogramm" für den Kulturbereich der Zukunft den „Kulturarbeiter" fordert, einen „Animateur", angesiedelt zwischen „Lehrer und Sozialarbeiter", tritt das ÖVP-„Modell" für eine ganze Reihe von Einzelinitiativen ein: Gemeinden sollen „Kulturpreise" vergeben, „Literaturwochen" veranstalten; ein „Kunstmarkt" und ein „Sponsorenpool" sollen zeitgenössische Künstler fördern. Die Förderung der Einzelinitiative, die Mitdenken und Mittun anregt und gleichzeitig die öffentliche Hand entlastet: Hier liegt eindeutig das Gewicht des „Modells". Oder, wie es „Modell"-Ge-schäftsführer Alberich Klinger sagt: „Die Leute sollen lernen, sich wieder in ihre eigenen Angelegenheiten zu mischen."
Das wird einer noch bis vor kurzem eher „versteinerten" ÖVP noch viele Umstände bereiten. Das SPÖ-Programm ist da zurückhaltender. Slawik nennt es „real-utopisch". Das muß es auch sein: denn als mögliches „Regierungsprogramm" Grünzweigs soll es auch finanzierbar sein.
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