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Steirischer Ideenwettlauf"
Mit einem Feuerwerk sprühender Ideen verschaffte sich der frischgeb.ak-kene ÖVP-Landeshauptmann der Steiermark, Josef Krainer, einen wirkungsvollen Einstieg in seine neue Führungsposition.
Im dicht gedrängten Grazer Kongreßzentrum hob Ende September der steirische Regierungschef ein neues „Modell Steiermark" aus der Taufe. Einer generalüberholten und auf den letzten Stand modernster Polit-Vorha-ben gebrachten Zweitausgabe des von Ex-Landesvater Friedrich Niederl institutionalisierten Diskussionsforums.
Bereits zu Beginn der siebziger Jahre hatten Niederl und die Landes-Volkspartei eine Schar von Intellektuellen aus parteinahem und -fernem Dunstkreis um sich versammelt.
Seither produzieren engagierte Geister Denkanstöße zur Wirtschafts-, Kultur- und Gesellschaftspolitik: ein theoretisches Gedankengebäude als politisches Credo.
Josef Krainer attestiert: „Der neu adaptierte Diskussionsentwurf ist Spiegelbild meiner politischen Ziele."
Während für das Krainer-Kompen-dium die Umsetzphase der Zukunftsstrategien in reale Reformen noch bevorsteht, mühten sich die steirischen ÖVP-Denker vor rund vier Jahren um eine Bilanz zum alten Niederl-Modell.
Und Sie waren zufrieden.
Projekt für Projekt hatten sie penibel aufgelistet und auf seine Realisierungen hin überprüft.
„Es ist wirklich erstaunlich, was wir alles abhaken konnten", freut sich deshalb auch der Paradeliberale der steirischen Regierungspartei und maßgebliche Vordenker des Intellektuellenwerkes, Bernd Schilcher, über die geleistete Pionierarbeit.
In einer gelben, 140seitigen Broschüre sind die Erfolge verbucht.
Neben dem „steirischen Herbst", der bereits legendären Ruf erlangt hat, waren die Modell-Akteure insbesondere im Sozial-, Gesundheits-, Bil-dungs- und Fremdenverkehrsbereich tätig. Überdies beschloß die Landesregierung 1974 ein neues Raumordnungsgesetz, das Schnell- und Bundesstraßennetz wurde ausgebaut, Wohnbau und Agrarreformen intensiv vorangetrieben.
Freilich liegt der schwierigere Part der Umsetzung noch vor den Landesschwarzen.
Galt es nach dem Niederl-Wollen vorerst sachpolitische Akzente zu setzen, legislative Vorschläge zu realisieren und die Verwaltung zu reformieren, so ist der Krainer-Opus „verstärkt auf den Menschen abgestellt" (Schilcher).
Und ist damit schwerer in Konturen und Aktionsformen zu gießen.
Mit dem Dogma einer „neuen Eigenständigkeit" plädieren die Autoren des „80er Manifests" für Dezentralisierung und Selbstorganisation.
i Die steirische Regierungsmannschaft will dem Bürger vor allem subsidiär unter die Arme greifen.
Landtagsabgeordneter Schilcher skizziert gegenüber der FURCHE den prinzipiellen Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Ideenbündel: „Das neue Modell ist liberaler, weniger zentralistisch, aber viel aufwendiger und mühsamer umzusetzen."
Dann konkret: „Wir wissen ja nicht, ob die Leute unsere Vorschläge annehmen. Sie können sie genausogut abweisen."
Als sich die Politiker an die Realisierung des 70er-Vorhabens machten, konnten sie das Geschehen weitgehend selbst bestimmen.
Die Zukunftsperspektiven der jungen Krainer-Ära setzen auf Mitwirkung und Eigeninitiativen der Bürger.
Mit unauffälliger Hartnäckigkeit reklamieren allerdings die beiden anderen Parteien der steirischen Konzentrationsregierung Teilerfolge für sich.
Sozialisten und Freiheitliche wehren sich dagegen, daß sich die schwarze Mehrheitspartei im Alleingang mit den Polit-Lorbeeren schmückt.
„Man muß im einzelnen prüfen, von wo die Initiativen und Ideen ausgin-
gen", streut der sozialistische Landtagsabgeordnete Dieter Strenitz Zweifel an der Urheberschaft theoretischer Prachtideen in die selbstbewußte ÖVP-Schau.
Um dann beispielsweise die Raumordnungsgesetze und die Förderungsmaßnahmen am Kindergartensektor ins Visier zu nehmen: „In der Praxis kamen, lange bevor die Volkspartei aktiv wurde, von der SPÖ dringliche Anträge zu diesen Materien."
Überdies wollen die steirischen Sozialisten weitere Kritikpunkte an den Mann bringen. So erscheint ihnen das VP-Werk „doch einigermaßen utopisch", mit „Schönem, Gutem und Teurem" übertrieben und realitätsfern angereichert.
Auch die Begeisterung der SPÖ-Ge-nossen über^die Realisierung der Niederl-Ziele hält sich in Grenzen: „Viele Dinge sind noch offen", stellen die politischen Gegner lapidar fest.
Dennoch scheinen die Landessozialisten viel von der ÖVP-Philosophie zu halten, mit geballten Novitäten und attraktiven Planspielen das Interesse der Öffentlichkeit an sich zu ziehen.
In bürgerlicher Wettbewerbsmanier kreierten 1974 SPÖ-Ideensucher ein Konkurrenzprogramm: Die „Steirischen Leitlinien".
Und sie kopieren in den achtziger Jahren die Auffrischungsstrategien der Mehrheitsfraktion. Mit den sozialistischen „Alternativen 2000" soll der schwarz-rote Wettlauf um die Macht in der grünen Mark prolongiert werden.
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