6673311-1961_10_04.jpg
Digital In Arbeit

JOSEF KRAINER / DER LANDESVATER

Werbung
Werbung
Werbung

Die Zeiten sind Vergangenheit, in denen nach einem politischen Bonmot jener Krisenjahre die Fahrt des steirischen Landeshauptmannes über den Semmering in Richtung Wien jedesmal Staatsnotstand bedeutete. Der Mann, der heute an der Spitze der steirischen Landesregierung steht, hat auch trotz einiger umstrittener Ausflüge in die Bundespolitik im letzten Jahr als Politiker wie auch als Mensch nicht die geringste Ähnlichkeit mit der düsteren, von Intrigen ständig umwitterten Gestalt eines Anton Rintelen.

Nicht „König Anton” residiert heute in Graz, sondern „Vata Krainer” wirkt hier: der Landesvater.

In St. Lorenzen bei Knittelfeld stand Josef Krainers Wiege. Hier wurde er am 16. Februar 1903 geboren. Hier wuchs er als Sohn einer kinderreichen Bauernfamilie auf. Nach dem Besuch der Volksschule und einschlägiger Fachschulen ging der junge Krainer „ins Holz”. Diese Lehr- und Wanda jahre als Forstarbeiter, heute bisweilen der Gegenstand liebenswürdiger politischer Anekdoten, bilden ohne Zweifel den Ausgangpunkt von Krainers Weg in die Politik. Er ist kaum 24 Jahre alt, als ihn das Vertrauen seiner Arbeitskameraden auf den Posten des Landessekretärs des Verbandes der Arbeiter und Angestellten der Forstwirtschaft beruft. Hier muß er ein guter Anwalt der Interessen dieser wahrhaft nicht mit irdischen Glücksgütern gesegneten Menschen gewesen sein. Die 1931 erfolgte Wahl zum zweiten Obmann der steirischen Landwirtschaftskrankenkasse wäre wohl sonst kaum zu erklären. Nun ist Krainer aber schon mitten drin in der bewegten Politik jener Jahrr. Vor allem der Genossenschaftsbewegung gilt sein Interesse und seine Arbeitskraft. Diese ist aber nur die Brücke zu weiterer und noch größerer Verantwortung. 1935 zieht die schon in jenen Jahren gewichtige Person des Josef Krainer als Obmannstellvertreter in den Steirischen Bauernbund ein.

1937 ruft ihn Graz als Vizebürgermeister. Schließlich wird er auch noch Präsident der Kammer für Arbeiter und Angestellte in der Steiermark — und dabei ist er noch keine 35 Jahre alt. Aber nicht zu allen Zeiten lag eben der Eintritt in die politische Reife in Österreich um das fünfzigste Lebensjahr...

Der Untergang Österreichs beendet anscheinend die steil aufsteigende Laufbahn des jungen Steirers. Dieser zieht sich nach Gasselsdorf zurück, wird hier Landwirt und zunächst Verwalter eines Ziegelwerkes. Zweimalige Haft unterbricht diese „innere Emigration”.

Der politische und wirtschaftliche Wiederaufbau der Steiermark kann und will auf die breiten Bauernhände Josef Krainers nicht verzichten. Die Weststeiermark entsendet ihn in den ersten Landtag. Als Landesrat verwaltet Krainer zunächst das Gemeindereferat und später das äußerst undankbare Ernährungsressort. Als Landeshauptmann Dr. Pirchegger 1948 resigniert, löst die Nachfolgefrage keine Debatten aus. Der Vorschlag der Volkspartei, Josef Krainer zum Landeshauptmann der Steiermark zu wählen, wird vom Steirischen Landtag mit den Stimmen aller Parteien gebilligt. Seit mehr als einem Dutzend Jahren steht nun die wuchtige Gestalt Josef Krainers an der Spitze des Landes an Mür und Enns. Der Übergang von dem noch unter dem Schatten des Krieges stehenden Landes zu einer bis in das kleinste Bergdorf dringenden Prosperität ist in der Steiermark ohne Zweifel mit dem Namen Krainer verbunden.

Und dennoch: Die letzten Wahlstatistiken zeigen eine deutlich steigende Kurve der sozialistischen Stimmen. Wie diese Entwicklung stoppen? Die Steirische Volkspartei entschied sich weniger für ein Programm, sie setzte alles auf einen Mann: eben auf Josef Krainer.

Vieles, was im yergangenen Jahr von ihm gesagt wurde, war wohl nicht zuletzt mit „Richtstrahlern nach Voitsberg, Schlad- ming, Murau und umliegenden Ortschaften” gesprochen. Die Propaganda des Gegners stürzt sich darauf und machte aus Krainer bald einen leibhaftigen Gott Seibeiuns. Wenn man es genau nimmt, so fällt es schwer, zu glauben, daß der Bauernsohn und Forstarbeiter Krainer sich wirklich zum Rammbock gegen die den sozialen Frieden und die Fortführung einer konsequenten österreichischen Staatspolitik zur Zeit allein garantierende Zusammenarbeit der beiden großen staatstragenden Parteien hergeben würde.

Was nicht sagt, daß gewisse Kräfte gern ihn dazu mißbrauchen möchten. Josef Krainer ist gewiß schlau genug, das Spiel zu durchschauen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung