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Politik als Kunst

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Politikverdrossenheit ist ein Schlagwort unserer Tage. Wie war das damals, als Politik noch nicht in dem Maße diskreditiert war wie heute, als Politiker noch mehr Ansehen genossen? Was verstand zum Beispiel ein Mann wie Josef Krainer sen. unter Politik? Krainer, der 1971 starb, wurde dieser Tage auch vom ORF zu seinem 90. Geburtstag in einem Film gewürdigt.

Er gehörte einer Generation an, die den Zusammenbruch von vier politischen Systemen miterlebt hatte: den Untergang der Monarchie, das Scheitern der Demokratie in der Ersten Republik, die Zerstörung des Ständestaates und das chaotische Ende des Hitler-Reiches. Ein paar Gedanken tauchen in den Reden Josef Krainers immer wieder auf: Die Politik ist unser Schicksal, es gibt eine Verantwortung des einzelnen, dieses Schicksal mitzubestimmen, und Politik ist ein dynamischer Prozeß.

Josef Krainer war 23 Jahre lang steirischer Landeshauptmann, aber er litt nie unter provinzieller Selbstgenügsamkeit. Er wußte, daß die Politik in Wien gemacht wird, und er wollte als Landespolitiker immer „mitmischen”. Josef Klaus, der erste Kanzler einer ÖVP-Allein-regierung, war eine „Erfindung” der „steirischen Reformer”, und der einstige Außenminister Karl Gruber ist noch heute überzeugt, daß Krainer ein guter Bundeskanzler gewesen wäre.

Als echter Konservativer war Josef Krainer ein Feind jeder Ideologie. Das Elend der Menschen begann für ihn mit der Loslösung aus der Bindung an eine transzendente Macht: In seine Hybris setzte sich der Mensch auf den Platz Gottes, die Utopien werden zu Ideologien. Krainer bekannte sich zu einer geschichtlichen Betrachtungsweise, die dazu führe, „daß nicht nur das Stimmrecht der Lebenden, sondern auch das Stimmrecht der Toten, der Ahnen und jenes der Zukünftigen, der Ungeborenen, betrachtet wird”.

Politik war für das politische Naturtalent Krainer nicht nur Fordern und Begehren, sondern schöpferische Führung und Neugestaltung: „Gerade im Massenzeitalter ist der Kampf mit der Trägheit und Indolenz der Menge immer wieder aufzunehmen. Politik als Kunst verlangt frische Impulse und stets neue Einfälle. Sie verlangt ganz bestimmte Kenntnisse und Talente und ist stets mehr als bloße Taktik.”

Natürlich war Politik für ihn auch Spiel, aber er bekannte sich auch zur Verantwortung für das Ganze. Bei der konstituierenden Sitzung des Steiermärkischen Landtages am 11. April 1961 sprach er von der Politik als Schöpfungsauftrag. Und immer war er von der Sorge geplagt, daß die Mittelmäßigkeit überhand nehmen könnte und „die Besseren von den Dummen gejagt werden”.

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