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„Abseits aller Resignation …“

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Österreich, das Land Steiermark, die österreichische Volkspartei haben durch den Tod von Landeshauptmann Josef Krainer einen schweren Verlust erlitten. Für die Volkspartei, und nicht nur für die Volkspartei der Steiermark, ist der Tod Krainers zumindest für absehbare Zeit ein unersetzlicher Verlust. Denn Josef Krainer war nicht nur einer der nunmehr wirklich letzten ,.Großen Alten“ der ÖVP seit dem Tod Raabs und Figls, sondern unter den Alten und somit weithin Bekannten und über alle Parteigruppen hinweg Angesehenen der einzige, der bis zuletzt Politik machte, in der Politik und mit der Politik lebte. Mehr noch: Krainer war schon seit längerer Zeit vielleicht der einzige Politiker der Volkspartei überhaupt, dessen Meinung zu den großen und kleinen Fragen der Politik immer interessant war. Der mit fast jeder seiner politischen Äußerungen zumindest Aufsehen, sehr oft aber auch Widerspruch erregte und damit den Anfang zu einer heftigen Diskussion setzte, von der bekanntlich die Demokratie lebt. In diesem, aber freilich nicht nur in diesem Sinne war der „Autokrat“, der „Landesfürst“ Kramer in Wahrheit ein Politiker, der die Demokratie so ernst nahm, daß er ihre Möglichkeiten, den ganzen Spielraum der Demokratie, extrem nützen wollte. Wenn die Bezeichnung „ein christlicher Demokrat“ irgendwo gilt, dann gilt sie bei Krainer: Er war ein Christ, und er war ein Demokrat.

Wenn man die Diskussionen näher anschaut, die in den letzten Jahren in Österreich über Fragen der Weiterentwicklung der Demokratie

(Ombudsman), des Parlamentarismus und des Föderalismus (Bundesrat), der Regierungsform (Allparteienregierung), der Wahl des Bundespräsidenten, über Österreichs

Stellung in Europa (EWG) und ähnliches mehr geführt wurden, dann stößt man irgendwo auf den Namen Krainer: Er war es sehr oft, der entweder die Diskussion selbst entzündet hat oder ihr eine neue Wendung gab. Mit listiger Miene, oft mit gespielter Naivität sprach dieser Mann, der zwar seine Laufbahn als Holzfäller in den steirischen Wäldern begann, in Wirklichkeit aber längst schon ein kritischer, gebildeter und kluger Intellektueller war (mehr als viele Akademiker), offen seine Meinung aus. Er traf meistens den Nagel auf den Kopf, in der stickigen Atmosphäre zerredeter Halb- oder Viertelwahrheiten. Und das konnte manchmal Detonationen auslösen.

Josef Krainer diskutierte am liebsten mit Jugendlichen. Einen Tag vor seinem Tod stellte er sich einer hitzigen Debatte mit Teilnehmern der Landeskonferenz der steirischen „Jungen ÖVP“. „Erregt“ und „temperamentvoll“, wie es nachher hieß, beantwortete er die scharfe Kritik der Jungen. Wie ein politisches Vermächtnis liest sich der Zeitungsbericht darüber. „Krainer sprach sich nachdrücklich für eine Realpolitik abseits aller Resignation aus!“: Dies stand in der Zeitung an seinem Todestag.

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