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Alle Macht den Schmiedls

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Nirgendwo steht geschrieben, daß der Präsident einer Interessen- vertretung gleichzeitig auch Man- datar sein muß. Soll aber umge- kehrt festgeschrieben werden, daß er unter keinen Umständen auch Volksvertreter sein dar/?

Josef Krainers steirischer ÖVP- Anlauf, sozialpartnerschaftlichen Repräsentanten künftighin rund- weg das passive Wahlrecht zu Par- lament und Landtagen abzu- erkennen, zugegeben optisch gefäl- lig, durch Unyereinbarkeitsbestim-

mungen deren Einzug in die Le- gislative auszuschließen, scheidet die Geister. Eher schon kann man sich da mit der Zusatzforderung anfreunden, daß neben dem Beruf nur eine politische Funktion be- zahlt ausgeübt werden darf.

Die Salzburger Kopie des steiri- schen Modells hat die Volkspartei jedenfalls bereits ins Dilemma ge- stürzt: dem demonstrativen Ver- zicht der Salzburger Handelskam- mer-Präsidentin Helga Rabl-Stad- ler auf eine neuerliche National- ratskandidatur steht der ostentative Nicht-Verzicht des Bauernbund- präsidenten Georg Schwarzenber- ger gegenüber. Umgekehrt hat Hans Katschthaler „seinem" Salzburger Landesschulratspräsidenten Ger- hard Schaf fer verordnet, was in der Steiermark jetzt die Sozialisten von Krainer auf „seinen" Bernd Schil- cher umgemünzt wissen wollen: den Rückzug, aus der Politik.

Wissen eigentlich wirklich alle genau, was sie und worauf hinaus sie wollen?

Das steirische Modell will „allen Tendenzen eines Funktionärs- und Verbändeparlamentarismus und der Ämterkumulierung radikal den Kampf ansagen". Dafür sollen, wie Krainer-Sprachrohr Gerhard Hirschmann in der „Kleinen Zei- tung" dargelegt hat, „mehr .echte' Volksvertreter in die Parlamente, wie zum Beispiel Wirtschaftstrei- bende und Freiberufler, Arbeiter und Angestellte, die ihren Beruf ausüben, und vor allem Frauen, die allesamt ein erfrischendes Gegen- gewicht zur etablierten Funktio- närspolitik darstellen könnten".

Wer wünschte das nicht? Ein er- ster Blick auf die Zusammensetzung unseres Nationalrates genügt: 101 oder 55 Prozent der 183 Abgeord- neten des Nationalrates stehen in den Diensten einer Kammer, einer Sozialversicherung, einer Gewerk- schaft, einer Partei oder im öffent- lichen Dienst. Das Bild vom Funk- tionärs- und Beamtenparlament ist keine Übertreibung.

Beim zweiten Blick wird klar, daß das quantitativ jedenfalls kein „Präsidenten-Problem" ist. Oder gelten die Sekretäre und Referen- ten organisierter Interessen gar als „echtere" Volksvertreter, beamtete

Mandatareals „Gegengewicht" zur mangelnden Gewaltentrennung von Legislative und Exekutive? Die Schmiedls, weit weniger die Schmiede, denen in dieser Dis- kussion eine symbolische Be- deutung zukommt, machen die Verzerrung in der Volksvertretung aus. Letztere im Visier, zielt das steirische Modell am eigentlichen Problem haarscharf vorbei. Alle Macht den Schmiedls! Ist das die Zukunft?

Das Parlament als „Ort, wo weit- gehend ohnmächtige Menschen zusammensitzen. Die Mächtigen treffen sich dann woanders." An- ton Pelinkas Kommentar zur Krai- ner-Reform - und der Politikwis- senschaftler zählt sicherlich zu den fundierten Kritikern der Parteien- Verbände-Verflechtung - weist in diese Richtung.

Dabei hat die Diskussion noch eine ganz andere Dimension. Gleichzeitig soll ja - und mit durch- aus gewichtigen Argumenten - die Pflichtmitgliedschaft in den Ver- bänden zur Disposition gestellt werden.

„Die Frage der Pflichtmitglied- schaft kann jedoch nicht losgelöst von der Bewertung des ,Kammer- staates' und, in Verbindung damit, von der Bewertung der Sozialpart- nerschaft überhaupt gestellt und beantwortet werden", führt Pelin- ka im neuen „Jahrbuch für Politik '89" aus, die Konsequenz aufzei- gend:

„Wer aus grundsätzlichen Über- legungen gegen die Pflicht- mitgliedschaft in den großen Kam- mern ist, der (die) muß letztlich in Kauf nehmen, daß damit ein die Sozialpartnerschaft destabilisie- render Effekt ausgelöst wird. Man kann nicht beide Ziele konsequent verfolgen - die Umwandlung der Kammern in freie Verbände und damit die Auflösung des,Kammer- staates' und, gleichzeitig, die Sta- bilisierung der Sozialpartner- schaft." Welches Ziel steht vor Augen?

Wenn man also freie Verbände will: Macht es dann erst recht einen Sinn, deren frei gewählte Reprä- sentanten aus dem Parlament aus- zusperren?

Die steirische Radikalkur zur Ämterentflechtung läßt sich auf solche Fragestellungen erst gar nicht ein. Richtig ist aber dabei der Ansatz, daß es grundsätzlich „kei- ne Erbpacht auf gewisse Mandate mehr geben kann".

Die Entscheidung darüber sollte aber ausschließlich dem Souverän durch ein ernsthaft persönlich- keitsorientiertes. Wahlrecht über- lassen bleiben. Ohne Bevor- mundung, ohne vorherige Ausgren- zung.

Dazu hat wieder einmal der Mut nicht gereicht (siehe Seite 6). Das ist die eigentliche Blamage. Und so wird öffentlichkeitswirksam ver- sucht, die Blöße mittels Toupet zu kaschieren.

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