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Voreilige Kampfansage

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Am 4. November sind die Würfel gefallen: Siegfried Ludwig bleibt niederösterreichischer Landeshauptmann, Leopold Grünzweig und Erwin Pröll bleiben Stellvertreter.

In nur drei Verhandlungsrunden konnten sich ÖVP und SPÖ nach den Landtagswahlen vom 16. Oktober (FURCHE 42/1983) auf Regierungsmannschaft und Programm einigen. Eine Überraschung sicherlich, wenn man sich an die Unversöhnlichkeit und Frontstellung vor dem Wahltag erinnert.

Immerhin hatte sich auch SPÖ- Landeschef Leopold Grünzweig exponiert: Die SPÖ könne, meinte er, diesen Ludwig nicht zum Landeshauptmann wählen.

Anders am 4. November. Zur Situation: Von den 56 Landtagsmandaten entfallen 32 auf die ÖVP, 24 auf die SPÖ. Ein SPÖ-Po- litiker mußte sich am Tag der Konstituierung krankheitshalber entschuldigen. Bei der Wahl des Landeshauptmannes entfielen dann 40 der abgegebenen 55 Stimmen auf Ludwig.

Warum wurde Grünzweig von seinem Landtagsklub desavouiert? Ganz einfach: Fast hätte er sich durch seine voreilige Absage an Ludwig ein Eigentor geschossen.

Die Landesverfassung schreibt nämlich in ihrem Artikel 35 vor, daß „die beiden Landeshauptmann-Stellvertreter, die den zwei mandatsstärksten Parteien zu entnehmen sind, mit einfacher Mehrheit“ gewählt werden müssen — so wie auch der Landeshauptmann selbst.

Ludwigs Wiederwahl war daher — durch die absolute ÖVP-Mehr- heit — kein Problem. Damit aber Grünzweig neuerlich Landes-Vi- ze werden konnte, bedurfte es auch der Zustimmung der ÖVP.

Grünzweig erhielt dann tatsächlich auch jene acht Stimmen „zurück“, um die die SPÖ das Ludwig-Votum verschönt hatte: 31 von 55 Stimmen entfielen auf ihn, 54 auf Pröll.

Eine typisch nieder-österreichische Lösung.

Typisch österreichisch ist auch das Parteienübereinkommen selbst: Proporz wird großgeschrieben.

Der ÖVP muß man allerdings zugute halten, daß sie darauf verzichtet hat, den Wahlerfolg in einen entsprechenden Verhandlungserfolg umzumünzen.

Die wichtigsten Veränderungen dabei: Das Gemeindereferat, bisher fest'in SPÖ-Hand, wird geteilt, ebenso hat sich Ludwig im Kulturbereich, der bisherigen Grünzweig-Domäne, Einfluß und Mitsprache gesichert.

Grünzweig ist mit diesem Ergebnis zufrieden, Ludwig ebenso — obwohl er die Ereignisse der letzten Wahlkampf phase nicht vergessen will.

Freilich: Die Eile, mit der vor dem 16. Oktober gegen ihn Verdachtsmomente kolportiert wurden, ist der Weile gewichen.

Und er will sich - dem Ratschlag von ÖVP-Generalsekretär Michael Graff zum Trotz - auch nicht hinter seiner Abgeordne- ten-Immunität verschanzen. Sollte das Gericht einen begründeten Auslieferungsantrag an den Landtag stellen, versicherte er der FURCHE, „dann verzichte ich selbstverständlich“.

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