6843782-1976_07_04.jpg
Digital In Arbeit

Die Kuenringer-Offensive

19451960198020002020

Frischer Wind soll über die niederösterreichische Parteien-Landschaft wehen. Erst bestellte die SPÖ Max Strache zum neuen Parteisekretär, wohl auch in der Hoffnung, daß er noch vor der nächsten Land tags wähl im Jahre 1979 den erfolglosen Hans Czettel als Landesparteiobmann ablösen werde. Dann wählte die niederösterreichische ÖVP Landeshauptmann-Stellvertreter Siegfried Ludwig zu ihrem neuen geschäftsführenden Parteiobmann und stellte damit die personellen Weichen für die achtziger Jahre — die Zeit nach Andreas Maurer, der bislang bravourös und mit einiger Fortune den traditionellen Anspruch der ÖVP auf das „Kernland“ verteidigt hat.

19451960198020002020

Frischer Wind soll über die niederösterreichische Parteien-Landschaft wehen. Erst bestellte die SPÖ Max Strache zum neuen Parteisekretär, wohl auch in der Hoffnung, daß er noch vor der nächsten Land tags wähl im Jahre 1979 den erfolglosen Hans Czettel als Landesparteiobmann ablösen werde. Dann wählte die niederösterreichische ÖVP Landeshauptmann-Stellvertreter Siegfried Ludwig zu ihrem neuen geschäftsführenden Parteiobmann und stellte damit die personellen Weichen für die achtziger Jahre — die Zeit nach Andreas Maurer, der bislang bravourös und mit einiger Fortune den traditionellen Anspruch der ÖVP auf das „Kernland“ verteidigt hat.

Werbung
Werbung
Werbung

In Lackenhof am ötscher gaben sich jüngst die Spitzenfunktionäre der niederösterreichischen Volkspartei ein Stelldichein, auf dem zum Teil sehr weitreichende Beschlüsse über das Wesen und die Erscheinungsweise der niederösterreichischen Volkspartei gefaßt wurden. An der Spitze dieser Beschlüsse stand das Bekenntnis zum Status quo: die ÖVP dominiert ihr Kernland und so soll es bleiben; da es keinen Sinn hat, Vorurteile kurzfristig abzubauen, sollen diese Vorurteile in ihr Gegenteil verkehrt werden — die „Kuen-ringer“, als die man die niederoster-reichischen Parteifunktionäre so gerne diskreditierte, waren nie Raubritter, sondern soziale und edle Gönner des Volkes. Deshalb heißt es für die niederösterreichische Volkspartei — Landeshauptmann Andreas Maurer betonte das ausdrücklich —, sich allen Mißverständnissen zum Trotz zu den „Kuenringern“ zu bekennen.

Freilich: die Spitze der niederösterreichischen Volkspartei findet den Kontakt zur Basis unterbrochen. Deshalb verheißt sie allen Landsleuten und Parteifreunden Aktionen, die bewußt machen sollen, daß etwa die Landesverwaltung eine sehr irdische Einrichtung ist. Jedenfalls keine Einrichtung, der man sich devot zu nähern hat und von der man nach eigenem Gutdünken unzureichende Hilfestellung erhält: Von der Landesregierung bis zu den Bezirkshäuptmannschaften soll ein Kontaktstrom zu den Landesbürgern fließen; eine „vermenschlichte“ Verwaltung soll in den Landesbürgern das sehen, was sie tatsächlich sind — ihre Fi-nanciers; das Bittstellen bei der

Obrigkeit soll ein Ende finden, die Wünsche der Niederösterreicher nicht erst behandelt werden, wenn man sich über ihre Parteizugehörigkeit völlig klar ist. Landeshauptmann Maurer will monatlich in einem Pressegespräch über die Arbeit und Absichten der Landesregierung berichten, die Landespresse soll

subventioniert und eine Forschungsgesellschaft für ein niederösterreichisches Kabelfernsehen gegründet werden. Das alles im Dienste des Landes und seiner Bürger, deren soziologische Struktur recht eindrucksvoll von ihrem traditionellen Wahl-verhalten abweicht.

Der Motor dieser Bemühungen ist Siegfried Ludwig, eine Sudeten-

deutsche Version des Kuenringers — um eine Spur fleißiger und ehrgeiziger, um eine“ kleine Spur aber auch weniger direkt, vorsichtiger als der Kuenringer-Typ in der niederösterreichischen Volkspartei. Dem kleingewachsenen Mann mit der rauhen Stimme trauen nicht alle Parteifreunde die Eigenschaften eines Volkstribuns zu, wenn sie auch bereit sind, anzuerkennen, daß er bislang noch alle Wahlkämpfe erfolgreich bestritt: auf allen Ebenen zwischen den Landesbediensteten und den Gemeindebürgern von Perch-toldsdorf. Ludwig will, ehe er sich den großen Wahlschlachten stellt, einmal den Parteiapparat reformieren; die Bildungsarbeit unter den Funktionären forcieren (dazu hat er sich den bald ehemaligen Obmann der Jungen ÖVP Niederösterreichs Erich Fidesser geholt), den Informationsapparat verbessern. Er, gewohnt im Hintergrund die Fäden zu ziehen, will, das deutete er nach seiner Wahl zum geschäftsführenden Parteiobmann an und es ist jetzt nach den Beschlüssen von Lackenhofen völlig klar, vorerst weiter an der Basis arbeiten und dabei den Kontakt zu den Wählern jedenfalls nicht vernachlässigen. Er darf sich dabei auf Georg Prader stützen, der, nun völlig frei von politischen Ambitionen, die Schlagkraft des ÖAAB heben möchte.

Im oft so kritisch belächelten, voreilig verurteilten Niederösterreich gehen die politischen Uhren nicht anders als anderswo. Sie werden nur nicht so oft aufgezogen. Das wirkt dann vielleicht weniger dynamisch, weil doch die Reparaturanfälligkeit von Einrichtungen so leicht mit dem Reformeifer ihrer Benutzer verwechselt wird. Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Niederösterreich hat nie große Sprünge weder nach vorne noch zurück gemacht. Das hat dieser Entwicklung viel an Dramatik genommen und zugleich spektakuläre Dynamik verhindert. So wie in Niederösterreich die großen politischen Parteien ihre Wachablösen auf kürzere (SPÖ) und längere (ÖVP) Sicht vorbereiten, läßt sich das nicht überall in Österreich tun. Das sollte niemand dazu veranlassen, bloß auf Verdacht gegründete Urteile abzugeben. Denn mit einer dieser Verdächtigungen müssen alle niederösterreichischen Parteien, ob sie es wollen oder nicht, leben: An der Macht zu kleben und nicht davon zu lassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung