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Zerrissene Zettel

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In Oberösterreichs SPÖ erfolgte noch rechtzeitig vor den Landtagswahlen 1973 die große Wachablöse. Seit Monaten laboriert der bisherige Parteichef, Landeshauptmannstellvertreter Professor Stefan Demuth, an den Folgen eines Sonnenstichs und eines später hinzugekommenen Herzleidens. Die ursprünglich als harmlos deklarierte Erkrankung hatte sich so folgenschwer entwik-kelt, daß Demuth brieflich aus dem

Erholungsheim Feibring in Niederösterreich der Partei alle seine politischen Ämter zur Verfügung stellte.

Der Entsagungsbrief, zunächst tagelang von Landesparteisekretär Bundesrat Habringer selbst vor engen Parteifreunden streng geheimgehalten, war an „die SPÖ-Landes-parteileitung“ und an Bürgermeister Franz Hillinger gerichtet. Damit hatte Demuth faktisch schon von vornherein „testamentarisch“ Hillinger zum präsumptiven Nachfolger im Amt des Landesparteiobmannes gestempelt. Hillingers Parteiführung galt aber auch allgemein als unumstritten. Keineswegs unumstritten waren dafür die Probleme, die sich in der Frage der Nachfolge als neuer Landeshauptmannstellvertreter ergaben, da damit zugleich der neue Spitzenkandidat der SPÖ für den im Herbst 1973 heranstehenden Wahlkampf in den Landtagswahlen Oberösterreichs gefunden werden mußte. Hillinger selbst, der durch volksnahes Gebaren, durch Trinkfreudig- und -festigkeit sowie joviales Auftreten bei der Welser Herbstmesse heftig an seinem Image als „Landespolitiker“ poliert hatte, zog sich aus dem Schußfeld: „Nein, ich bleibe in Linz.“

Hillinger überließ das Feld sogleich den beiden jahrelangen intimen Hauptrivalen, Landesrat Josef Fridl (42) und Landesrat Dr. Rupert Hartl (52). Seelenruhig unternahm Hillinger vor der entscheidenden Sitzung des SPÖ-Landesparteivor-stands mit anderen Stadtvätern eine Besuchsreise in die Schwesterstadt Linz am Rhein und genoß dann auch noch bei der Eröffnung des Staatshafens Nürnberg die nautischen und gastronomischen Darbietungen, dieweil in Linz das Rangeln um die Spitzenposition heftig weiterging. Gebettet in das sichere Gefühl, die oberste Parteispitze im Lande „in der Tasche“ zu haben, gestand Hillinger, fern von Linz: „Es ist was Feines, wenn man einmal nicht das ständige Ohrengesäusel der Ratgeber und .guten Freunde' um sich hat!“

Nun, die Entscheidung im SP-Lan-desparteivorstand fiel schließlich am 25. September mit 25 gegen 19 Stimmen klar für Fridl. Nach der geheimen Wahl zerriß Landesparteisekretär Habringer persönlich die Stimmzettel, um nachfolgende Feindschaften möglichst auzsuschalten. Denn in der kurz nach der Wahl abgehaltenen Pressekonferenz betonten alle Funktionäre immer wieder, daß sie als ein Team in den Wahlkampf ziehen werden. Dem „Team“ der SPÖ, das dem schon von der ÖVP proklamierten Landesteam Wenzl, Possart, Trauner, Spannocchi, Di-wold, sowie Landesparteisekretär (und Wohnbauspezialist) Dr. Rat-zenböck nachgebildet wurde, gehören nun außer dem einstimmig zum Landesparteiobmann gewählten Linzer Bürgermeister Franz Hillinger auch der künftige jüngste Landeshauptmannstellvertreter Fridl, Landesrat Hartl, ferner der bisherige Welser Abgeordnete zum Nationalrat und Welser Messevizepräsident Ernst Neuhauser an, der an der Stelle von Fridl neuer SP-Lan-desrat wird. Neu in den Landtag zog der Bürgermeister von Puchenau bei Linz, Markus Mißbichler, ein, indem er das durch Demuth freigewordene Mandat des Bezirkes Urfahr-Umgebung antrat. Neuhausers Nachfolger im Parlament wird der Welser Stadtrat Karl Bregartner.

Das offizielle Revirement findet jedoch erst statt, wenn Demuth nach dem Ende seines Kuraufenthaltes Mitte Oktober formell verabschiedet wird. Die Ämteraufteilung im Lande soll so erfolgen, daß Fridl das Gemeindereferat und die Raumordnung übernimmt, Neuhauser würde das Wohnbaureferat, die Berufsschulen und das Personenstandswesen betreuen.

Die Wahl Fridls zum künftigen SP-Spitzenkandidaten der SPÖ für die seitens der SPÖ mit 7. Oktober 1973 prognostizierten Landtagswahlen in Oberösterreich kam für maßgebliche Spitzenfunktionäre der ÖVP nur zum Teilr überraschend. Der Wenzel-Schulfreund Hartl wäre wohl ein „angenehmerer“ Gegner für den VP-Spitzenkandidaten gewesen. Mit dem temperamentvollen Braunauer Fridl steht eine zusätzliche Verschärfung des Wahlkampfes ins Haus.

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