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Mutiertes aus Linz

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Von großer Traurigkeit befallen zeigten sich die Sozialisten in Oberösterreich, das hat aber nichts mit Mitgefühl für die Wahlschlappen der Freunde in Graz und Kärnten zu tun. Der Grund ist, wie der Landes-parteivorstand Ende März wissen ließ, daß „Bemühungen, bestimmte unabhängige Blätter für eine faire Haltung gegenüber der SPÖ zu gewinnen, fruchtlos geblieben“ seien — so wörtlich der Pressedienst der SP-Landesorganisation Oberösterreichs. Nun wurde ein Selbsthilfemittel gefunden: Das parteioffizielle Linzer „Tagblatt“ soll zum überregionalen SP-Organ für Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg ausgebaut werden.

In Wien wird das Projekt beifällig aufgenommen. Wie Kanzleräußerungen zu entnehmen war, werden dem Zentralorgan „Arbeiter-Zeitung“ in der Zukunft dadurch aufwendige Mutationen für die westlichen Bundesländer erspart. Man hat hier offenbar das kleinere übel gewählt, denn ohne Seitentausch wird es auch weiterhin nicht abgehen. Schließlich ist Linz Sitz der Zentral-redaktion, hier wird die Zeitung auch gedruckt, und in den anderen Ländern werden Regionalredaktionen eingerichtet. Vorgezeichnet ist bereits auch, daß die Gestaltung des lokalen Teiles der Zeitung im Vordergrund stehen soll.

Ganz einer Meinung scheint man innerhalb der SPÖ über den Publikationsstart aber noch nicht zu sein. Hatte der oberösterreichische SF-Parteichef Franz Hillinger zunächst darauf hingewiesen, daß eine sozialistische Westpresse nunmehr in ein ernstes Stadium getreten sei und mit der Verwirklichung dieses Vorhabens mit 1. Jänner 1974 gerechnet werden könne, scheint Kreisky ein zügigeres Tempo zu verfolgen, das

den Beginn mit einer Auflage von 40.000 Stück bereits im kommenden Herbst ermöglicht.

Gegen unabhängige Zeitungen

Jedenfalls sind die Sozialisten fest entschlossen, ihre Informationen in Zukunft noch stärker mit Medien, die' mit dem offiziellen Parteisanktuj versehen sind, an den Mann zu bringen. Recht klar und unbekümmert sagte der oberosterre'.chische SP-Landesvorstand auch weshalb: Die unabhängigen Zeitungen berichteten über die Zielsetzungen der sozialistischen Politik nur unzulänglich und einseitig. Befremdet zeigte man sich jedenfalls aber darüber, daß „gewisse unabhängige Zeitun-

gen“ ihre Rubriken in verstärktem Maße der ÖVP und deren Politik zur Verfügung stellten.

Besonders bemerkenswert Ist der Schlußsatz der Ankündigung, mit der der oberösterreichische SP-Par-teivorstand den Zeitungsring für Westösterreich präsentierte. Er lautet: „Auch nach Ansicht des oberösterreichischen Landesparteivor-standes der SPÖ gibt es daher gegen diese einseitige Bevorzugung der konservativen Partei durch eine sich nur zum Schein unabhängig nennende Presse keine andere Wahl als den Weg zur Selbsthilfe und zu einem verstärkten Ausbau der sozialistischen Presse in den westli-

chen Bundesländern.“ Sicherlich von den Verfassern ungewollt, läßt das Wörtchen „auch“ am Satzanfang vermuten, daß nicht die oberösterreichischen Sozialisten als Initiatoren für den neuen Akzent der sozialistischen Medienpolitik anzusehen sind. Vielmehr dürfte ihnen eher die Rolle von Erfüllungsgehilfen zugedacht sein.

Dieser naheliegende Schluß ergibt sich aus Kreisky-Worten. Ihnen zufolge habe man sich bewußt für ein Parteiblatt ohne Tarnung entschieden, wie der Kanzler wissen ließ, weil eine Regierungspartei ihre Meinung täglich der Bevölkerung unterbreiten können müsse. Und in diesem Zusammenhang meinte der Kanzler, einer der Gründe für die Rückschläge der schwedischen und englischen Sozialdemokraten sei im Fehlen von Parteizeitungen in diesen Ländern zu suchen.

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