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„Torkelbewegungen”

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Nach dem Rücktritt Franz Hillin - gers, der auf dem außerordentlichen Parteitag der SP Oberösterreichs am 16. November in Enns nicht mehr als Landesparteiobmann kandidieren wird, ist die Personalsituation der oberösterreichischen Sozialisten verworrener denn je. Die Starkmacher haben derzeit Hochsaison. Bezirksweise schwören sich die Genossen auf mögliche neue „Häuptlinge” ein, von denen so mancher nur in den ewigen Parteijagdgründen wird regieren dürfen. „Offiziell” gibt es zwei Anwärter auf den oberösterreichischen SP-Regentensessel, Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Fridl und Landesrat Rupert Hartl. Dennoch wäre ein anderer Wahlsieger keine Überraschung, weil in dieser SP-Landesorganisation derzeit alles möglich ist, wie die Entwicklung in den letzten Wochen beweist.

Einen Reim auf die personell schwer angeschlagene Landes-SP und ihre unkontrollierten Torkelbewegungen kann sich kaum jemand machen, am allerwenigsten die Reimer selbst.

Bekanntestes letztes Beispiel aus der Serienproduktion von Ungereimtem: Der Hinauswurf des SP-Kon- trollobmannes Felix Baumgartner aus der Partei. Kontrollor Baumgartner, geistig und körperlich mit 47 Jahren, ein recht rüstiger, frühpensionierter Direktor der Linzer Länderbank filiale, hatte mit seinen Anschuldigungen wegen Steuerhinterziehung und persönlicher Bereicherung gegen die oberösterreichische SP-Spitze den endgültigen Anstoß zum parteiinternen Wahlrou- lette gegeben. Das „Rien ne va plus” traf aber zum allgemeinen Erstaunen nicht die Angegriffenen, sondern Kontroll-Croupier Baumgartner selbst. Außerdem legte Hillinger freiwillig seine Obmannfunkition zurück und möchte wieder ein starker Linzer Bürgermeister sein. Ob er diese Stärke auch in seiner „Haus- organisation”, der Linzer Bezirks- SP erreichen wird können, bleibt abzuwarten: hier wurde ihm nämlich Landesrat Hartl als geschäftsführender Obmann zur Seite gestellt.

Jedenfalls ließ sich Hillinger auf keine Nachfolgerempfehkmg ein, sondern empfahl sich den Seinen via Parteipressedienst mit der Hoffnung, „daß tatsächlich der fähigste, klügste und tüchtigste Mann, den die Landespartei anzubieten habe, die Mehrheit der Delegierten des Landesparteitages für sich gewinnen möge”. Wer über all diese wunderbaren Eigenschaften verfüge, darüber müssen sich die Delegierten aber die eigenen Köpfe zerbrechen.

Beharrlich ungenannt auf der Vorwahlbühne bleibt SP-Landesrat Neubauer, der aber nach wie vor als Geheimtip auf der Kandidatenbörse gehandelt wird. Hinter Hartl famiert sich geschlossen der BSA, der seinen Chef siegen sehen möchte. Unterschiedlich ist die Unterstützung für Fridl, der sich vor allem deshalb Chancen ausrechnet, weil es in der SP immer mehr Stimmen dafür gibt, daß die Rollen des Parteiobmannes und des höchsten Regierungssozialisten in Oberösterreich von einem Mann gespielt werden sollten. Es ist aber dabei ein offenes Geheimnis, daß viele von denen, die für die Zusammenlegung der beiden Funktionen sind, durchaus nicht an Fridl als Rolienträger dafür denken.

In einem sind sich aber sogar Fridl und Hartl einig: Der Landesparteisekretär soll sich in Zukunft mehr um sein angestammtes Aufgabenfeld, nämlich die Parteiorganisation, kümmern und nicht zu einem wesentlichen Teil damit beschäftigt sein, seine eigene Mandatarskarriere zu pflegen. Dieser gemeinsame Hieb der Konkurrenten geht gegen den derzeitigen Sekretär und 2. Landtagspräsidenten Leo Habringer, über den in der SP in sehr vielen Farben schillernde Meinungsseifenblasen herumschwirren. Jedenfalls ist die Zahl derer nicht sehr klein, die einen Abschuß Habringers befürworten.

Ein Hauptproblem scheint für die Genossen die „Versorgung” Habringers zu sein.

Bemerkenswert an den Vorgängen in der aberösterreichischen SP ist jedenfalls, daß knapp zwei Wochen vor den Personalentscheidungen keine auch nur andeutungsweise klare Linie zu erkennen ist. Die Deroutie- rung der zweitstärksten politischen Kraft zwischen Inn und Enns, die vom Kampfmotto „Jeder gegen jeden” gekennzeichnet ist, geht so tief, daß sogar im offiziellen Parteiorgan der Nationalratsabgeordnete Stephan Tull Korrekturen an Berichten anderer Zeitungen über SP-Sitzungen anbringen zu müssen glaubt — mit dem beziehungsreichen Titel „Geht das Intrigieren weiter?”

Tull verwahrt sich darin dagegen, daß er Hillinger habe zum Bleiben veranlassen wollen…

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