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Die Kopfwaschung

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Eigentlich hätte ein empörter Aufschrei aus dem Lager der oberösterreichischen Sozialisten erschallen müssen, als in der Vorwoche Details aus den Finanzgeschäften der SP- nahen Linzer Werbering Ges. m. b. H. bekanntwurden. Bis zur Stunde war aber nicht der leiseste Protest zu vernehmen. Also ist zu schließen, daß die Millionen, die oberösterreichische Unternehmungen dem Werbering für Aufträge zuschanzten, die von diesem nur zum Teil oder überhaupt nicht ausgeführt wurden, möglicherweise die Parteikasse der Sozialisten auffetteten.

Genau das dürfte auch nicht in das Bild von Parteisauberkeit gepaßt haben, das den Vorstellungen des mittlerweile gefeuerten SP-Kontroll- obmannes Baumgartner entsprach. Baumgartner wollte den Mund auf- machen, seine Partei wollte das nicht und entzog ihm, wie jetzt festzustellen ist, aus ihrer Sicht mit gutem Grund die Mitgliedschaft.

Beobachter oberösterreichischer Gewohnheiten weisen allerdings darauf hin, daß auch andere politische Parteien sich nicht unähnlicher Partei finanzierungen bedienten und bedienen.

Das Entsetzen, das in der Partei über die seit Wochen und Monaten andauernden Querelen herrscht, artikulierten vor kurzem am besten zwei große Alte aus der oberösterreichischen Sozialdemokratie im SP-Organ „Tagblatt“. Der Linzer Altbürgermeister Emst Koref und der ehemalige Direktor der Arbeiterkammer, Viktor Kleiner, schrieben eine gemeinsame „Mahnung in ernster Stunde“ — so hieß der Titel dieser seit langem wohl offensten und ehrlichsten Wortmeldung aus dem SP- Lager.

Mit heißen Wortbrausen unterziehen die Schreiber den abgetretenen Parteiobmann Hillinger und auch den im Zusammenhang mit der Werbe- ring-Affäre vielzitierten Parteisekretär Habringer einer ausgiebigen Kopfwäsche. Sie halten nichts von Parteirepräsentanten, die den Inhalt des Liedes „Bierlein, rinn“ allzuoft als Imperativ auffassen. Wörtlich: „Vor allem muß ein exponierter Funktionär in jeder Situation (auch in der Wirtsstube und zu vorgerückter Stunde!) wissen, was er seiner Stellung und der Partei schuldig ist.“ Dies soll als bestgemeinter Rat für alle gelten — „denn weder Alkohol noch die Funktion dürfen einem zu Kopf steigen“.

Deutlicher hätte die Ermahnung nicht ausgesprochen werden können. Koref und Kleiner begnügen sich aber nicht mit bloßer Schulmeisterei, sie analysierten gründlich, zogen Schlüsse und urteilten. Kaum etwas wird ausgelassen, opportunistische Opfer wurden nicht gebracht.

Die Aussagen zur Person des scheidenden Parteivorsitzenden und Linzer Bürgermeisters Hillinger haben aber durch dessen Rückzug nur noch retrospektiven Wert. Wesentlich aktueller ist, was über Parteisekretär Habringer, der zugleich Zweiter Präsident des oberösterreichischen Landtages ist, zu lesen stand: „Der Landesparteisekretär ist anscheinend viel umstritten. Nach unserem Gefühl hat er zu rasch Karriere gemacht. Eine solche setzt viele hohe sachliche und charakterliche Eigenschaften voraus. Die muß das Leben formen, das braucht Zeit! Er ist aber im Expreßtempo zum Hansdampf in allen Gassen geworden“, heißt es trocken in der Koproduktion von Koref und Kleiner. Sie meinen aber, daß daran andere Schuld hätten: „Es ist — man verzeihe uns diese harte Wahrheit, die wir aussprechen müssen — nicht günstig und nicht zielführend, wenn sich eine Führungsclique bildet, die sich gegenseitig die Funktionen zuschanzt, irgendwie durch persönliche Aspiration Verbündete, die einander mit System vorschlagen ..Dann folgt unter anderem noch ein energischer Einspruch gegen Versuche, einen Genossen auf einen Posten zu hieven, um seinen Funktionärsplatz frei zu machen. „Mit solchen (und ähnlichen) Ver- sorgungsmanövem müßte unseres Erachtens ein für allemal auf weitester Parteiebene überhaupt endlich radikal Schluß gemacht werden.“

Nicht ganz schlüssig ist allerdings dann das Eintreten für einen Verbleib Habringers auf dem Sekretärssessel, wenn er „von seinen politischen (und wirtschaftlichen?) Funktionen“ abberufen werde. Unbefriedigend an der Aktion erscheint auch, daß in genau 26 Zeilen die Eigenschaften, die der neue Mann an der Parteispitze haben soll, ausführlichst beschrieben werden — Namen aber nicht genannt werden.

Jedenfalls zeigte die breite Abhandlung über die Parteisituation von zwei erfahrenen Kennern der Szene noch einmal die Irrungen und Wirrungen in der oberösterreichischen SP auf. Der Aufsatz ist die realistische Kulisse, vor der der außerordentliche Parteitag über die Bühne gehen wird. Nicht zuletzt ausschlaggebend für die Entwicklung nach der Wahl wird sein, ob es einen Zwei- oder Mehrkampf gegeben hat und ob der Sieger so stark ist, daß die Verlierer nach der Entscheidung nicht wieder mit Ränkespielen beginnen, für die die oberösterreichische SPÖ in jüngster Zeit traurige Berühmtheit erlangte.

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