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Revolutionäre Honoratioren?

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Die Jungen gingen, die Frauen kamen, der Partei-Reform-Tag kommt — und niemand glaubt noch, daß er bringen wird, was noch vor Wochen versprochen wurde: eine Parteireform an Haupt und Gliedern, den Abbau der Amt- und Ämtermacht bei zahlreichen Spitzenfunktionären, eine Vorentscheidung über die Kreisky-Nachfolge, eine Weichenstellung für die schon seit bald einem halben Jahr beabsichtigte Regierungsumbildung.

Die SPÖ kämpft heute mit allen logischen Schwierigkeiten einer staatstragenden Partei, deren revolutionäre Ansprüche von gutdotierten Honoratioren realisiert werden sollen.

Wie die Alten sungen, so zwitschern auch die Jungen: Die Bundeskonferenz der „Jungen Generation“ bewegte fast ausschließlich die Frage, ob nun Amtsträger Albrecht Konecny oder der Ministerialbeamte Heinrich Keller Bundesobmann bleiben oder werden soll. Knapper Sieger in diesem Wettbewerb der Personen blieb Albrecht Konecny, der gleich den Vertreter der Steiermark — immerhin einen Sohn des ehemaligen steirischen Landeshauptmann-Stellvertreter Horvatek — aus

dem Vorstand entfernen ließ, weil dieser offen gegen ihn gestimmt hatte. Wurde einmal nicht über Personen gesprochen, ging es um Fragen der Taktik. Es geht eigentlich nur darum, meinte Konecny-Rivale Keller, ob „eine linke Haltung sich in erster Linie gegen die eigene Partei zu richten hat oder ob sie sich nach außen, gegen den politischen Gegner richten sollte“. Darauf antwortete Konecny mit einem Satz, der Kernpunkt in allen Fibeln über „Doppelstrategie“ sein dürfte: „Es sei notwendig, daß es Sozialisten gibt, die aussprechen, was die Gesamtpartei manchmal noch nicht aussprechen kann.“

Die Kritik an Konecny entzündete sich unter den Mitgliedern der „Jungen Generation“ vor allem deshalb, weil er zu früh seinen Anspruch auf ein Nationalrats-Mandat ausgesprochen hatte, von der Gesamtpartei freilich zurückgepfiffen wurde. Ähnlich erging es auch Heinrich Keller, seinem Rivalen um die Würde eines JG-Obmannes. Da soll noch einer sagen, Konecny und die anderen wüßten nicht, wovon sie sprechen ...

„Eine Auflösung der SPÖ-Frauen-organisation kommt nicht in Frage.

Das ist ein Blödsinn.“ So formulierte die sozialistische Frauen-Oberste Hertha Firnberg ihre Absage zu einem Antrag der SP-Organisation Lilienfeld, die Frauenorganisation der SPÖ doch besser gleich aufzulösen. Die Mitbewerberinnen um das höchste Amt unter den SP-Frauen, Johanna Dohnal, Anna Demuth, Gertrude Sandner-Fröhlich usw. stimmten, wenn auch etwas charmanter, ihrer Chefin zu. Die Funktionärin Leirer-Gössler kritisierte nach allen Seiten: „Das Dilemma, vor dem die SP-Frauen stehen, ist, daß sie zugleich eine bürgerliche und auch eine proletarische Frauenbewegung sein müssen“; im übrigen aber will sie die SP-Frauenorganisation, ihre Machtbasis in der SPÖ, nicht aufgelöst wissen; nur stärker, entschiedener, rücksichtsloser sollte die SP-Frauenbewegung werden. Fest steht, daß auch hier alles beim alten bleiben wird.

SP-Zentralsekretär Karl Blecha freut sich, daß die beiden Ouvertüren zum großen Partei-Reform-Tag programmgemäß über die Bühne gingen. Nun konnte das große Spiel der Mächtigen anheben. Und daß es dabei blieb, dafür sorgte eine Diskussion in der „Arbeiter-Zeitung“.

Ein „breites Meinungsspektrum“, so die „Arbeiter-Zeitung“, zeigte auf, daß die Frage, wie viele Ämter ein Funktionär ausüben kann, nicht so einfach zu lösen ist.

Kleine Parteifunktionäre brauchten nicht zu schweigen. Der Bürgermeister von Traisen, Kalteis, bleibt dabei: „Macht muß kontrollierbar sein und soll sich nicht ballen.“ In Wiener Neustadt gibt es die Funktionstrennung — und SP-Bezirksob-mann Wodica sagt unumwunden: „Ich möchte das keinem Bezirk empfehlen.“ Schwechats Bürgermeister Tonn weiß des Rätsels Lösung: „Dorfpaschas kann es in kleinen Gemeinden geben. Wo die Partei größer ist, gibt es genügend Funktionäre, die den anderen auf die Finger sehen.“

So wird also in Wien, Linz, Graz und Salzburg weitgehend alles beim alten bleiben. Das „breite Meinungsspektrum“ hat über die Reform gesiegt. Optimisten in der SPÖ hoffen, daß es sich dabei nur um eine Vertagung handeln darf und wird. Pessimisten haben sich mit der Unlös-barkeit dieses Problems abgefunden. Und alle sind davon überzeugt, daß es viel wichtigere Probleme gibt, als das der Ämterkumudierung. Gerade jetzt, da die ÖVP neuerdings konzentriert angreift, ist das Feindbild wieder in Ordnung: Der große Gegner bleibt die ÖVP. Und der große Vorsitzende Bruno Kreisky. Mit ihm, für ihn und durch ihn soll die Partei auf der Siegesstraße bleiben. Alles andere ist unwichtig.

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