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Neuer Anlauf für altes Anliegen?

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Im Unterschied zur Bundesrepublik Deutschland ist "Ehe und Familie" in der österreichischen Bundesverfassung nicht verankert.

Nach der Festlegung im vorigen Arbeitsübereinkommen der Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP vom 16. Jänner 1987 machte der Katholische Familienverband Österreichs gemeinsam mit der Katholischen Aktion Österreichs einen Vorschlag zur Realisierung dieses alten Anliegens. Desweiteren wurden ein Entwurf des Bundeskanzleramt-* Verfassungsdienstes, ein Entwurf der SPÖ-Fraktion und ein Entwurf Renner-Mayr bekannt. Ein Ausschuß der Grundrechtskommission legte nach mehreren Sitzungen einen Entwurf vor, der sich aber letztlich aus unterschiedlichen Gründen als nicht konsensfähig erwies.

Die Gründe dafür werden aus Antworten deutlich, die die vier Parlamentsparteien auf eine Vorwahlumfrage des Katholischen Familienverbandes Österreichs (veröffentlicht in "ehe + familie" Nr. 9/1990) gegeben hatten.

• SPÖ: Der Punkt im Regierungsü-bereinkommen lautet: Darüberhi-naus werden Ehe und Familie in der Verfassung verankert werden. Dafür wird die politische Grund-rechtskommission innerhalb eines Jahres geeignete Formulierungen erarbeiten. Dies geschah. Und die Sozialistische Partei steht voll hinter den von der Grundrechtskommission erarbeiteten Formulierungen.

• ÖVP: Wichtiger Bestandteil einer zukunftsorientierten Familienpolitik ist für die Österreichische Volks-partei die Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung. Die ÖVP konnte dem von der Grundrechts-kommission vorgelegten Entwurf nicht zustimmen, da darin nicht enthalten war, daß Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen.

Wir werden aber auch in der nächsten Legislaturperiode darum kämpfen, daß in der Verfassung festgehalten wird, daß Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der Gesetze stehen.

• FPÖ: Wir sehen in der Verankerung von Ehe und Familie in der Verfassung kein vordringliches Problem, weil es den Familien konkret so gut wie nichts nützt. Diese Diskussion wird von verschie-denen Familienpolitikern oft als Alibihandlung mißbraucht. Viel wichtiger wäre es. den Familien konkret zu helfen, das heißt Rahmenbedingungen - sowohl in finanzieller wie auch in arbeits- und gesellschaftspolitischer Hinsicht zu schaffen, die ein familien- und kinderfreundliches Klima fördern.

• Grüne: Wir sind nie für eine verfassungsmäßige Verankerung von. Ehe und Familie eingetreten; erstens, weil es uns nicht notwendig erschien, dies zu tun - man kann die Bedürfnisse der Menschen, die miteinander leben wollen oder von Menschen mit Kindern auch an-ders sichern -, und zweitens, weil man damit alle anderen Formen des Zusammenlebens diskriminieren würde. Gerade in unserer Zeit sind die Formen und Möglichkeiten des Zusammenlebens so sehr im Wandel begriffen, daß man den Begriff "Familie" kaum mehr zu definieren vermag.

Die Bundesländer Vorarlberg, Tirol, Oberösterreich hingegen haben in den letzten Jahren den Schutz und die Förderung von Ehe und Familie in ihre Landesverfas-sungen aufgenommen. Die Erfahrungen mit dem deutschen Grundgesetz und mit den angeführten österreichischen Landesverfassungen zeigen, daß eine derartige Staatszielbestimmung konkrete Auswirkungen auf die Politik hat. Gleiches gilt übrigens für den Umweltschutz in der Verfassung des Bundes beziehungsweise in denen der Länder.

Trotz der zum Teil nicht erfreulichen Antworten sollte das Anliegen weiterverfolgt werden. Dieder-zeit abschätzbare Bevölkerungs-entwicklung (weniger Kinder, mehr ältere Menschen) und die Erfahrung, daß der vorhandene "Kuchen" sehr oft mit einem "Schielen" auf Wählerstimmen verteilt wird, liefern ein zusätzliches Argument. Es muß auch vorgesorgt werden, daß Familien durch sich aus der Verfassung ergebende Gesetzgebungsaufträge gerecht behandelt werden.

Der Autor ist Generalsekretär des Katholischen Familien Verbandes Österreichs.

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