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Was SPO und OVP trennt
Wie viele andere Verfassungen soll auch die Wiener Stadtverfassung einen Grundrechtskatalog erhalten. In einem ersten Schritt sollen dabei „Ehe und Familie“ in der Verfassung verankert werden. Andere Bundesländer wie Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg haben bereits diesen Grundsatz in ihren Landesverfassungen verankert.
Die Zielbestimmungen sollen vor allem eine Signalwirkung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Ehe, Familie, Kinder und Jugendliche als Grundlage für famüienpolitische Maßnahmen sein. Dadurch soll jedoch auch niemand diskriminiert werden, der sich für eine andere Lebensform entschlossen hat. Die Zielbestimmung soll keine Alibifunktion haben, sondern Auftrag für die Politik der Bundeshauptstadt Wien; dies gilt insbesondere für Förderungsmaßnahmen.
Die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach dem Einkommen, das je Familienmitglied zur Verfügung steht (gewichtetes Pro-Kopf-Einkommen), soll dabei Grundlage für verschiedenste Sozial- und Familienleistungen, steuerliche Maßnahmen, Förderung von f amüien-gerechten Wohnungen, Hilfe für junge Eheleute und anderem sein.
ÖVP-Abgeordnete haben am 9. Dezember 1987 den Antrag gestellt, Ehe und Familie durch folgende Bestimmungen in der Wiener Stadtverfassung festzulegen:
„(1) Die Bundeshauptstadt Wien schützt und fördert als Land und Gemeinde Ehe und Familie.
(2) Sie fördert eine familien-, jugend- und altenfreundliche Gesellschaft und Umwelt und sorgt für Behinderte.
(3) Sie fördert Ehe- und Partnerschaftserziehung sowie ehevorbereitende und -begleitende Bildung.
(4) Sie unterstützt die Eltern in ihrem Recht und ihrer Pflicht, die Kinder zu pflegen und zu erziehen. Sie achtet die Vorrangigkeit des Erziehungsrechtes der Eltern und fördert nach Maßgabe der Gesetze Einrichtungen zur Unterstützung der elterlichen Erziehung und Bildung.
(5) Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geht sie vom Einkommen aus, das je Familienmitglied zur Verfügung steht (gewichtetes ProKopf-Einkommen).“
Diese Festlegung in der Verfassung für Stadt und Land Wien lehnen die Sozialisten ab. Sie werden vielleicht oder sogar wahrscheinlich Einzelmaßnahmen zustimmen. Die Wiener Sozialisten werden aber Ehe und Familie nicht in die Wiener Stadtverfassung als Förderungs- und Schutzziel mit allen Konsequenzen hineinlassen. Ehe und Familie in diesem Sinn gehören nicht zum Wiener Grundkonsens.
Man fragt oft, was die SPÖ und die ÖVP trennt. Bei Ehe und Familie liegt eine gesellschaftspolitische Trennungslinie vor. Hier scheiden sich die Geister.
Der Autor ist Dritter Präsident des Wiener Landtages.
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