"Damit werte ich die Ehe nicht ab"

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In der ÖVP ist ein Streit um die "Homo-Ehe" entbrannt. Christopher Drexler, steirischer VP-Klubobmann und Initiator des Vorstoßes, diskutiert mit Johannes Fenz, Präsident des Katholischen Familienverbandes.

Die Furche: Herr Drexler, Sie haben mit dem Vorstoß für eine Eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle in der eigenen Partei für Wirbel gesorgt. Warum diese Initiative?

Christopher Drexler: Ich glaube einfach, dass wir uns der Diskussion stellen müssen: Die ÖVP braucht eine liberalere gesellschaftspolitische Positionierung, um in Hinkunft erfolgreich zu sein. Grundsätzlich hinken wir in Österreich in diesem Thema dem europäischen Trend hinterher. Wir haben zwar eine Reihe von Regelungen eingerichtet - etwa in der Steiermark ein neues Antidiskriminierungsgesetz, in dem wir die europäischen Richtlinien umgesetzt haben. Es ist aber an der Zeit, einen gewissen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um auch homosexuellen Partnerschaften einzelne Rechte und Pflichten zuzusprechen. So verwunderlich ist es übrigens nicht, dass dieser Vorstoß aus der steirischen Volkspartei kommt: Schon 1992 hat die junge ÖVP Steiermark einen Beschluss über den seinerzeitigen Paragraf 209 gefasst und eine tolerante Position gegenüber Homosexuellen eingenommen. Hier haben wir eine gewisse Tradition.

Johannes Fenz: Ich stimme mit Ihnen überein, dass es keine Diskriminierung bestimmter Lebensformen geben darf. Dennoch glaube ich, dass eine Familie mit Kindern gegenüber der Gesellschaft bestimmte Aufgaben erfüllt und daher besonders zu fördern ist. Das heißt nicht, dass man deswegen andere Partnerschaften diskriminiert. Sogar im Katechismus steht, dass andere Lebensformen - auch homosexuelle - nicht diskriminiert werden sollen. Wir sind auch weit weg davon. Tatsache ist, dass man eine Ungleichheit schafft, wenn man jetzt solche Partnerschaften Familien mit Kindern gleichstellt, weil eben Familien für den Generationenvertrag eine Leistung erbringen.

Drexler: Ich kenne dieses Argument. Aber in dem Moment, wo ich eine Eingetragene Partnerschaft wie in Deutschland oder einen Zivilpakt, wie ihn sich die Grünen wünschen, vorsehe - auf die Terminologie kommt es mir nicht an, nur die "Ehe" sollte der klassischen, heterosexuellen Partnerschaft vorbehalten sein - in diesem Moment höre ich ja nicht auf, Familien zu fördern. Mir geht es darum, dass Homosexuelle ihre Beziehung rechtlich absichern können. Es geht um unterhaltsrechtliche oder namensrechtliche Fragen, es geht um Erbrecht und um eine allfällige Auflösung einer solchen Partnerschaft. Man könnte in einem Aufwaschen eine Reihe von zivilrechtlichen Problemen lösen, die man jetzt löst, indem man wartet, bis der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entscheidet. Der hat etwa im Mietrechtsgesetz das Eintrittsrecht in einen Mietvertrag nach dem Ableben des Partners geregelt - und jetzt geht man davon aus, dass unsere Gerichte das Gesetz entsprechend interpretieren. Ich habe aber lieber etwas im Gesetz stehen, als dass ich mich auf Interpretationen zurückziehe. Außerdem habe ich viele Diskussionen mit Vertretern von Homosexuellenverbänden geführt, für die eine Eingetragene Partnerschaft auch einen symbolischen Wert hat.

Fenz: Ich sehe sehr wohl, dass es Benachteiligungen für solche Partnerschaften gibt, zum Beispiel im Erbrecht: Aber ich stelle die Erbrechtssteuer überhaupt in Frage. Warum muss ich - auch als Familie - Erbschaftssteuer zahlen für etwas, was ich von bereits versteuertem Einkommen bekomme? Man könnte die Erbschaftssteuer überhaupt abschaffen, dann wäre der Fall geklärt. Ich würde also eher den Weg gehen, diese Benachteiligungen in den jeweiligen Gesetzen zu beseitigen, als eine Eingetragene Partnerschaft einzurichten und sie mit der Ehe in allen Bereichen gleichzustellen.

Drexler: Über die Beseitigung einzelgesetzlicher, diskriminierender Vorschriften eine sukzessive Annäherung zu finden, ist ein Weg, der schon beschritten wird. Denken wir ans Wohnungseigentumsgesetz, das vor eineinhalb Jahren novelliert worden ist, wo nun nicht nur Ehepartner gemeinsames Wohnungseigentum erwerben dürfen. Aber das ist für mich noch kein Argument gegen eine Eingetragene Partnerschaft. Wenn ich die große Sehnsucht einer - auch quantitativ nicht zu unterschätzenden - Bevölkerungsgruppe habe, dass sie ihre Beziehungen in einen gewissen rechtlichen Rahmen setzen können, dann kann ich doch nichts dagegen haben. Denn damit werte ich weder die klassische Ehe ab, noch höre ich auf, Familien oder Kinder zu fördern. In der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine solche Regelung seit drei Jahren, in Frankreich seit fünf Jahren, auch in den skandinavischen Ländern - bis hin zu den Niederlanden und Belgien, wo sogar eine Heirat möglich ist. Österreich könnte zumindest über eine Regelung wie in Deutschland diskutieren, ohne dass das Abendland untergeht.

Die Furche: Würden Sie sich auch - wie in den Niederlanden und Schweden - für das Recht homosexueller Paare auf Adoption aussprechen?

Drexler: Hier muss man unterscheiden: Geht es um ein homosexuelles Paar, das plötzlich ein Kind adoptieren will, dann stehe ich dem sehr skeptisch gegenüber. Anders sind jene Fälle, in denen ein homosexueller Partner aus einer früheren heterosexuellen Beziehung ein Kind mitbringt. Hier habe ich noch keine abgeschlossene Meinung.

Fenz: Grundsätzlich braucht ein Kind einen Vater und eine Mutter. Beide haben dem Kind gegenüber eine Verantwortung und eine Verpflichtung. Bei Adoptionen von "fremden" Kindern durch ein homosexuelles Paar hätte ich größte Bedenken, zumal das Kind beide Geschlechter braucht.

Die Furche: Tatsache ist, dass viele Wählerinnen und Wähler der ÖVP auch der katholischen Kirche nahe stehen und - wie das kirchliche Lehramt - homosexuelle Beziehungen prinzipiell ablehnen. Herr Drexler: Haben Sie nicht Angst, mit Ihrer Initiative diese Wähler vor den Kopf zu stoßen?

Drexler: Ich hoffe nicht. Außerdem glaube ich, dass man auch viele potenzielle Wählerinnen und Wähler mit der Position, wie sie die Bundes-ÖVP in den letzten Jahren zur Schau gestellt hat, vor den Kopf gestoßen hat. Ich glaube, dass es im Umgang mit Homosexuellen in unserer Gesellschaft einen Wandel gibt. Hätte sich die Gesellschaft hier immer allein am Wort der katholischen Kirche orientiert, dürfte sie nicht dort sein, wo sie heute ist. Ich glaube, dass ein großer Teil der Bevölkerung und damit ein großer Teil der ÖVP-Wählerinnen und Wähler mit dieser Position kein großes Problem hat. Im Gegenteil: Gerade im urbanen Bereich ist es notwendig, eine liberalere gesellschaftspolitische Position zu finden. Mir ist es nämlich nicht egal, wenn in Graz 23 Prozent bei den EU-Wahlen grün wählen.

Fenz: Ich möchte nicht sagen, dass es kirchlicherseits grundsätzlich eine Minderschätzung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gibt. Nur weil ich für die klassische Ehe und Familie eintrete, diskriminiere ich andere Lebensformen nicht. Ich sehe aber auch nicht ein, dass Leute, die gegen die Homo-Ehe sind, als Vertreter des Mittelalters verunglimpft werden. Derzeit habe ich den Eindruck, dass auch sehr viel Intoleranz gegenüber den Positionen der katholischen Kirche besteht. Man möge doch bitte auch die Positionen einer Glaubensgemeinschaft respektieren...

Drexler: Natürlich soll es keine Diskriminierung katholischer Positionen geben. Nur gilt es auch zu akzeptieren, dass ein liberaler Rechtsstaat, der Österreich ja sein sollte, einen Regelungsbedarf erkennen kann. Ich habe aber oft den Eindruck, dass gerade die ÖVP aus falsch verstandener Linientreue heraus versucht, die katholische Kirche gesellschaftspolitisch rechts zu überholen. Dieses Problem habe ich weniger mit der katholischen Kirche als mit einzelnen Exponenten der Volkspartei.

Die Furche: Einer jener Exponenten, an den hier manche denken, ist Nationalratspräsident Andreas Khol, der sich aber zuletzt sogar für die Einsetzung einer Arbeitsgruppe über Eingetragene Partnerschaften ausgesprochen hat. Anders der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, der im "Profil" mit den Worten zitiert wird, man sollte den Schwulen mit Hilfe des Glaubens "in die Normalität" zurückhelfen...

Drexler: Diese Aussage ist schon etliche Monate alt. Ich glaube, dass Siegfried Nagl ein toleranter Mensch ist, der in diesem Bereich aber seine gefestigte Position hat, die nicht die meine ist. Bezüglich Andreas Khol, den ich für einen außerordentlich intelligenten Politiker halte, freut es mich natürlich, dass er hier eine differenzierte Antwort gefunden hat. Ich freue mich überhaupt, dass in der ÖVP die Bereitschaft da ist, eine Debatte zu führen - ob in einer Arbeitsgruppe oder sonstwo ist mir egal. Wenn wir hier zu keinem Ergebnis kommen, dann würde ich vorschlagen, bei einer allfälligen Abstimmung im Nationalrat in der ÖVP den Klubzwang aufzuheben. Dann gäbe es wohl gute Chancen, eine Mehrheit für ein solches Gesetz zu finden.

Die Furche: Bundeskanzler Schüssel hat bislang zu dieser Causa auffällig geschwiegen. Würden Sie sich ein klärendes Wort wünschen?

Drexler: Noch einmal: Ich bin mit dem, was bisher in der ÖVP gesagt wurde, sehr zufrieden. Aber natürlich hoffe ich, dass zur gegebenen Stunde auch der Bundeskanzler seine Meinung äußern wird.

Das Gespräch moderierte Doris Helmberger.

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