Familiäre Orientierungen

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Betrachtet man den Einzelfall, könnte man schnell zur Tagesordnung übergehen: Es wird für einen 17-Jährigen nicht wahnsinnig viel Unterschied machen, ob die Partnerin seiner leiblichen Mutter künftig auch rechtlich seine Adoptivmutter und damit sein zweiter "Elternteil“ sein wird. Der junge Mann wird wohl schon vielfach seine eigenen Wege gehen und sich in den nächsten paar Jahren noch weiter vom familiären Nest lösen, wie das seinem Alter entspricht. Dazu gehört auch, dass er die Beziehung zu seinen "Eltern“ - der Mutter, deren Partnerin und dem leiblichen Vater, der in diesem Fall auch eine Rolle spielt - je nach persönlicher Bindung und Nähe gestalten wird, Adoption hin oder her.

Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) mag so betrachtet wenig Anlass zur Kritik geben und in sich stimmig sein. Es hält ja auch nur fest, dass eine Ungleichbehandlung von unverheirateten homo- und heterosexuellen Paaren bei der Stiefkindadoption unzulässig ist. Kein Problem sähe der Gerichtshof des Europarats hingegen, wenn unverheiratete Paare (wie etwa in Frankreich) generell kein Recht auf Stiefkindadoption hätten. Womit sich einmal mehr zeigt: Wer A sagt, muss auch B sagen - was bedeutet, dass man nicht vorschnell A sagen sollte …

Ehe für alle

Die mögliche Tragweite des Urteils wurde wie so oft in solchen Fällen erst durch die politische Interpretation klar erkennbar. Diesfalls trat Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek auf den Plan. "Richtungsweisend“ nannte sie das Urteil in einer ersten Reaktion "hocherfreut“, um dann gleich die Richtung zu weisen, in die sie die Gesellschaft führen will: zu einer völligen Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Lebensformen nämlich, dorthin, wo es "völlig egal“ ist, ob ein Kind "Mama-Mama, Mama-Papa oder Papa-Mama“ hat. Ehe für alle also. ("Für alle“ ist überhaupt ein Lieblingsmotiv sozialistischer Politik auch in anderen Bereichen, nicht zuletzt mit entsprechenden budgetären Konsequenzen; und die ÖVP traut sich dem nur wenig entgegenzusetzen, weil sie meint, die Alternative wäre "für wenige“, und das wäre dann reaktionär - dabei ginge es um "jedem das Seine“; aber das führt hier zu weit …)

Da wird es jetzt ideologisch, da geht es um eine grundsätzliche weltanschauliche Frage: Will man daran festhalten, dass Familie primär das Zusammenleben von Mann und Frau auf Basis der Ehe mit Kindern ist - oder erklärt man das für obsolet?

Schritt für Schritt

Der Frauenministerin ist für ihre Offenheit und Eindeutigkeit, mit der sie diese Frage für sich (und ihre Partei) beantwortet, Respekt zu zollen. Falls es beim Koalitionspartner entgegengesetzte Ansichten geben sollte, wäre man für eine ebensolche Offenheit und Eindeutigkeit dankbar. Wenn nicht, freut sich zumindest Heinz-Christian Strache. Und natürlich auch die Frauenministerin, die dann mit weniger Widerständen auf dem Weg zum Ziel rechnen muss, das sie, wie sie sagte, "Schritt für Schritt“ erreichen will: zwangsläufig wohl mit der ÖVP - Rot-Grün wird sich ja eher nicht ausgehen …

Wie immer gilt auch in dieser Thematik: wer die Begriffe besetzt, hat schon fast gewonnen. Der entscheidende Begriff in dieser Debatte lautet "sexuelle Orientierung“. Analog zur "Gender“-Diskussion wird damit die Lebensform von den natürlichen bzw. biologischen Grundlagen entkoppelt und als bloß soziales Konstrukt entlarvt, deren Dekonstruierung der Beliebigkeit des Einzelnen anheim zu stellen sei.

Aber da solche Dinge eigentlich nur noch die Katholische Kirche thematisiert, hört kaum jemand zu. Generell, über den angesprochenen Bereich hinaus, gilt ja, frei nach Günter Nenning selig: Das bisschen Orientierung, was wir brauchen, machen wir uns gerne selbst.

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