Raunzen auf hohem Niveau

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Die Familien sollen die großen Gewinner bei den Vorhaben der rot-schwarzen Koalition werden. Setzt die neue Regierung aber auf die richtigen Maßnahmen? Wenn die Pläne auch umgesetzt werden, gibt es ein verhaltenes Ja von Experten. Ob die Gesellschaft dadurch familienfreundlicher wird, bleibt aber fraglich.

Eine Gruppe dürfte über die geplanten Maßnahmen der Regierung am allerwenigsten raunzen: die Familien. Werden ihnen doch zahlreiche Vorhaben gewidmet, vom Gratis-Kindergartenjahr für Fünfjährige über Papa-Monat und einkommensabhängiges Kindergeld bis hin zu steuerlichen Erleichterungen (siehe unten). Und dennoch wird geraunzt. Zu Recht? Was brauchen Familien wirklich und inwieweit helfen ihnen die Pläne von Rot-Schwarz? Wo sind noch Schwachstellen?

Das erste Raunzen erhob sich Anfang Dezember. In einer ersten Welle wurde der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld von einigen Eltern zurückgefordert. Wer sozial schwach ist oder ein Kind alleine erzieht, kann diesen Zuschuss von 180 Euro monatlich zum Kinderbetreuungsgeld von 435 Euro beantragen, muss ihn aber später je nach Jahreseinkommen teilweise wieder zurückzahlen. Und nicht wenige dieser Eltern bekamen den inoffiziellen Tipp, jedenfalls um den Zuschuss anzusuchen, denn der werde eh nie zurückverlangt. Ein Irrglauben. Ein paar Jahre wurde es tatsächlich so gehandhabt, nun kamen die ersten Rückforderungen. Für Betroffene, die sich eben erst finanziell stabilisiert hatten, könnten mehr als 2000 Euro pro Kind und Jahr fällig werden. Nun ließ VP-Familienstaatssekretärin Christine Marek weitere Rückforderungen stoppen - vorerst. Sie will den Zuschuss neu regeln und hat bereits Entschärfungen angekündigt.

Nicht ausgesetzt werden aber Rückforderungen bei zu Unrecht bezogenem Kinderbetreuungsgeld. Der Staat hat bis jetzt 1,5 Millionen Euro von Familien zurückverlangt, die etwa die umstrittene Zuverdienstgrenze überschritten haben. Auch der VGH berät nun über die Zuverdienstgrenze. Die Regierung plant eine Neuregelung. Doch das Murren geht weiter. Die grüne Opposition spricht etwa von "Mini-Reparaturen auf der großen Baustelle Kinderbetreuungsgeld". Und tatsächlich versprechen die angekündigten Neuerungen zwar einige Verbesserungen, aber eines wird das Kinderbetreuungsgeld sicher nicht: unkomplizierter. So soll es neben den bisher vorhandenen Bezugsvarianten ein einkommensabhängiges Kindergeld geben, was bei Experten durchwegs auf Zustimmung stößt. Andere wiederum, wie der Katholische Familienverband, geben zu Bedenken, dass vermutlich nur eine sehr kleine Gruppe Besserverdienender diese Variante nützen würde.

Profitieren vor allem jene, die gut verdienen?

Genau diese seien ohnehin stärker die Gewinner der Regierungspläne, kritisiert die grüne Familiensprecherin Daniela Musiol vor allem in Bezug auf die steuerlichen Zuckerl. "Bis auf die Erhöhung des Kinderabsetzbetrages, der allen Familien zusteht, sind Maßnahmen geplant, die vor allem höhere Einkommensbezieher und -bezieherinnen entlastet," so Musiol. Die Grünen fordern schon länger ein rein einkommensabhängiges Kindergeld, um den Wiedereinstieg von Frauen zu verbessern, aber auch um die Väterbeteiligung zu erhöhen.

Dieser Effekt zeigt sich in Deutschland schon seit Einführung des einkommensabhängigen Elterngeldes: Die Väterbeteiligung steigt deutlich. Diese Wirkung will die Regierung hierzulande noch zusätzlich steigern: durch den geplanten Papa-Monat. Wie genau dieser gestaltet sein wird, muss noch verhandelt werden. Die Frage bleibe jedoch, inwieweit die Arbeitswelt auch wirklich den Vätern diese Beteiligung ermögliche, wirft etwa der Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Mazal ein. Er kritisiert überhaupt, dass die Regierungsvorhaben in puncto Familien zu sehr auf die Bedürfnisse der Wirtschaft eingingen, aber nicht umgekehrt die Wirtschaft auf die Familien. Diese Frage stellt sich vor allem auch in Bezug auf den Dauerbrenner Kinderbetreuungseinrichtungen. Dass sich hier endlich einiges bewegt, hält die Wifo-Expertin im Bereich Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit, Hedwig Lutz, für entscheidender als finanzielle Leistungen, so wichtig diese auch seien. In Bezug auf familiäre Leistungen nimmt Österreich ohnehin im internationalen Vergleich einen Top-Platz ein, in Bezug auf die Betreuungssituation für sehr kleine Kinder und Schüler aber nicht. Auf dieser "Baustelle" plant die Regierung nicht nur neue Kindergarten- und Krippenplätze, auch das letzte Kindergartenjahr soll Pflicht und zumindest halbtags gratis werden. Zu wenig, meinen manche Fachleute. "Ich finde es absurd, dass zwar Studiengebühren beklagt wurden, die hohen Kinderbetreuungskosten - dort also, wo es um die Basis geht - aber vielfach nicht. Da ist etwas quer", kritisiert Hedwig Lutz. Tatsächlich berappt beispielsweise eine Alleinerziehende mit mittelmäßigem Einkommen, deren Kind ganztags in einem Wiener Kindergarten betreut wird, mehr als 2000 Euro im Jahr für die Betreuung ihres Nachwuchses. Auch hier kündigt die Regierung Erleichterung an: die steuerliche Absetzbarkeit dieser Kosten.

Nun bleiben für Familien vor allem zwei Fragen: Wird das auch alles umgesetzt in Zeiten der Finanzkrise? Und wo wird letztendlich wieder was zurückverlangt? Erste vage Andeutungen in diese Richtungen gibt es bereits. Staatssekretärin Marek sprach von "Effizienzsteigerungen" im Familienbudget, um die Pläne zu finanzieren.

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