Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (VP) über die frauenpolitischen Maßnahmen der Regierung, die Einkommenskluft zwischen den Geschlechtern und "Beijing +10".
Die Furche: Laut einer - von der sp-Frauenvorsitzenden Barbara Prammer in Auftrag gegebenen - sora-Studie wissen nur zehn Prozent der östereichischen Frauen unter 40 Jahren, dass Sie Frauenministerin sind...
Maria Rauch-Kallat: Nachdem ich aus anderen Quellen schon ganz andere Zahlen bekommen habe, bin ich prinzipiell skeptisch, was die Glaubwürdigkeit solcher Umfragen betrifft.
Die Furche: Anlässlich von fünf Jahren Schwarz-Blau wurde kritisiert, dass auf Frauen vergessen worden sei. Gibt es Maßnahmen, auf die Sie stolz sind?
Rauch-Kallat: Erstens bin ich stolz auf die Pensionsharmonisierung. Durch die verbesserte Anrechnung der Kindererziehungszeiten wird es endlich gelingen, die Einkommensschere im Alter zu verringern. Erstmals werden die Familienphasen in einem Ausmaß auf die Pension angerechnet werden, das dem Medianeinkommen der Frauen entspricht und die Beitragsgrundlage von weniger als 600 Euro auf 1.350 Euro verdoppelt. Auch von der Steuerreform werden Frauen in überdurchschnittlichen Ausmaß Nutznießerinnen sein. Und drittens bin ich stolz darauf, dass wir erstmals eine Frauenservicestelle im Ministerium eingerichtet haben mit Schwerpunkt auf Migrantinnen.
Die Furche: Apropos Steuerreform: Birgt die Anhebung des Alleinverdiener-Absetzbetrages nicht die Gefahr, dass Frauen wieder in die Rolle der Dazuverdienerinnen gedrängt werden?
Rauch-Kallat: Das stimmt nicht. Erstens sind ja auch immer mehr Frauen Alleinverdienerinnen - und profitieren als solche davon. Und zweitens haben wir gleichzeitig auch die Zuverdienstgrenze von rund 2.500 Euro auf 6.000 Euro mehr als verdoppelt - was tatsächlich eine qualifizierte Teilzeitarbeit ermöglicht und dazu führt, dass die Frauen zumindest den Fuß in der Tür haben.
Die Furche: Tatsache ist, dass Frauen nur 67,2 Prozent des Einkommens der Männer verdienen. Als wesentlicher Grund wird die enorme Zunahme der Teilzeitarbeitsverhältnisse gesehen: 40,1 Prozent der berufstätigen Frauen arbeiten Teilzeit, nur 5,9 Prozent der Männer.
Rauch-Kallat: Viele Frauen wünschen sich selber Teilzeitarbeit, weil das in bestimmten Lebensphasen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert. Und so lange es unserer Gesellschaft noch nicht gelungen ist, die faire Aufteilung der Familienarbeit zu erreichen - etwas, wofür ich in den letzten 20 Jahren immer heftig gearbeitet habe -, so lange wird es für Frauen immer noch schwerer sein, Beruf und Familie zu vereinbaren, als für Männer.
Die Furche: Apropos faire Aufteilung der Familienarbeit: Warum ist es unmöglich, einen Vaterschutzmonat einzuführen, um den Anreiz zur Väterkarenz zur erhöhen?
Rauch-Kallat: Auch ich halte das für eine gute Einrichtung. Wir können es nur im Moment nicht finanzieren. Es ist mir auch derzeit das Geld wichtiger, das für die Pensionsanrechnung für Frauen verwendet wird. Aber es war bereits 1995 ein övp-Anliegen in der Regierung, die Karenz auf Mütter und Väter zu teilen und damit einen Anreiz zu setzen, Väterkarenz in Anspruch zu nehmen. Das ist auch beim Kinderbetreuungsgeld so geblieben: Den vollen Anspruch kann man nur haben, wenn der Vater bzw. der zweite Partner mindestens sechs Monate in Anspruch nimmt.
Die Furche: Punkto Kinderbetreuungsgeld wird nach wie vor die Zuverdienstgrenze kritisiert ...
Rauch-Kallat: Wir haben die Zuverdienstgrenze von rund 3.000 Euro auf 14.500 Euro fast verfünffacht. Wenn wir sie völlig fallen lassen würden, dann würde erstens die Frage nach der Finanzierbarkeit und zweitens nach der sozialen Gerechtigkeit entstehen: Wir wollen ja mit dem Kinderbetreuungsgeld vor allem jenen Familien helfen, die es schwerer haben. Sonst kommt von der Opposition wieder das berühmte Beispiel der Frau des Generaldirektors: Das Geld, das ich mir dort erspare, setze ich lieber für Frauen ein, die es wirklich brauchen.
Die Furche: Die Zuverdienstgrenze hindert aber auch gut ausgebildete, gut verdienende Frauen, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen ...
Rauch-Kallat: Hier ist mein Anliegen nach wie vor die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuung. Das würde vielen Frauen gerade in diesem Bereich sehr helfen und würde es auch möglich machen, diesen grauen Arbeitsmarkt, in dem wiederum oft Frauen tätig sind, zu legalisieren.
Die Furche: Sie waren bei der Konferenz zu "Beijing +10" in New York. Welche Frauenanliegen möchten Sie auf internationaler Ebene umsetzen?
Rauch-Kallat: Für mich ist nicht nur der Austausch in Frauenfragen wichtig, sondern auch die Vorbereitung der österreichischen Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006, wo ja Österreich bei der Nachfolgekonferenz für die gesamte eu den Vorsitz führen wird. Wir planen eine österreichisch-europäische Initiative zum Thema Zwangsheirat, Genitalverstümmelung und Steinigung - subsumiert unter dem Motto "Frauenrechte sind Menschenrechte".
Das Gespräch führte Doris Helmberger.
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