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Mehr Einfluß auf die häuslichen Finanzen

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Seit 1988 gibt es in Vorarlberg ein Familienzuschußprogramm: Je nach Einkommen werden Zuschüsse bis 3.675 Schilling monatlich gezahlt, um Müttern die Möglichkeit zu eröffnen, bis zum vollendeten dritten Lebensjahr ihr jüngstes Kind zu Hause zu betreuen. Der Autor hat Auswirkungen dieser politischen Maßnahmen mit einer Untersuchung begleitet und in einem soeben erschienen Buch beschrieben.

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Seit 1988 gibt es in Vorarlberg ein Familienzuschußprogramm: Je nach Einkommen werden Zuschüsse bis 3.675 Schilling monatlich gezahlt, um Müttern die Möglichkeit zu eröffnen, bis zum vollendeten dritten Lebensjahr ihr jüngstes Kind zu Hause zu betreuen. Der Autor hat Auswirkungen dieser politischen Maßnahmen mit einer Untersuchung begleitet und in einem soeben erschienen Buch beschrieben.

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Frauen, die sich für den Bezug der Familienzuschüsse entschieden haben, vertreten ebenso wie ihre Partner überdurchschnittlich häufig konservative Werte bezüglich der Rolle der Geschlechter in einer Familie. Sie fühlen sich durch die Zahlungen in ihren Werten unterstützt und empfinden die finanzielle Förderung als gesellschaftliche Anerkennung ihrer Arbeit. Einer Erwerbsarbeit stehen sie kritisch gegenüber, insbesondere so lange das jüngste Kind noch nicht im Kindergarten- beziehungsweise Schulalter ist.

Die Empfängerinnen der Familienzuschüsse realisieren, daß Zahlungen, die an sie geleistet werden, ihre persönliche Lebenslage nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch in persönlicher Hinsicht verändern. Dazu zählen unter anderem die Gewinnung eines Freiraums für persönliche Ausgaben und (bei einer nicht allzu kleinen Minderheit) auch der gestiegene Einfluß auf Entscheidungen, die im Familienverband in finanzieller Hinsicht getroffen werden.

Die Tatsache, daß die Bezieherinnen der Familienzuschüsse in Vorarlberg nicht erwerbstätig sind, dürfte insgesamt eher die Auswirkung der vorherrschenden Werturteile als jene von finanziellen Anreizen sein, welche vom Familienzuschuß ausgehen. Dies geht schon daraus hervor, daß nur ein gutes Drittel der Frauen bis zur Geburt jenes Kindes, für das der Familienzuschuß bezogen wurde, erwerbstätig waren, während fast 49 Prozent der Zuschußempfängerinnen ihre Erwerbstätigkeit bereits aus Anlaß der Geburt ihres ersten Kindes aufgegeben haben.

Während der Wunsch zur Erwerbstätigkeit in einer Zeit, da das jüngste Kind noch nicht das dritte Lebensjahr vollendet hat, im Kreis der geförderten Personen so gut wie nicht existent ist, wollen mittel- und längerfristig ein großer Teil (48,8 Prozent) der (jetzt nicht erwerbstätigen) Frauen wieder erwerbstätig werden...

Grundsätzlich sind die geförderten Frauen überwiegend optimistisch, nach der Phase der ausschließlichen Familienarbeit wieder eine Erwerbsarbeit zu finden. Fast einhellig kommt der Wunsch zum Ausdruck, Teilzeitarbeit leisten zu, können. Der Übergang von der längerjährigen Familienarbeit in die Erwerbsarbeit bedarf einer Unterstützung in arbeitsmarkt-und familienpolitischer Hinsicht. Eine Schlüsselrolle nimmt dabei das Problem der Kinderbetreuung ein.

Bessere Kinderbetreuung Unzureichende Möglichkeiten, Kinder beaufsichtigen zu lassen, stellen sich für die Frauen als eines der wichtigsten Probleme in ihrem Leben dar. Dies gilt schon für eine stundenweise gelegentliche Beaufsichtigung, die nur für etwas mehr als die Hälfte der geförderten Frauen von den Partnern geleistet werden kann. Ganz dominant wird die Barriere der mangelnden Kinderbetreuung aber dann, wenn die Frauen ihrem Wunsch auf künftige Erwerbsarbeit nachgehen wollen. Über 86 Prozent jener Frauen, die erwerbstätig werden wollen, klagen über den Mangel an geeigneter Kinderbetreuung als Haupthindernis einer Umsetzung dieser Pläne.

Während der Zeit der Förderung erlaubt es der Mangel an Kinderbeaufsichtigungsmöglichkeiten einer großen Zahl von Frauen nicht, sich tagsüber oder auch am Abend wenigstens kurzzeitig von ihren Verpflichtungen als Mutter freizuspielen. Die relativ kleine Zahl von Frauen, die außerfamiliäre Aktivitäten (wie zum Beispiel Weiterbildung) betreiben, ist ein deutliches Indiz dafür. Verbesserungen bei den Möglichkeiten zur Kinderbetreuung sind daher nicht nur unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten notwendig. Sie würden ganz allgemein die Lebensqualität der nicht erwerbstätigen Frauen mit Kleinkindern beträchtlich verbessern.

Die erziehungsgeldähnlichen Familienzuschüsse... stellen somit für Frauen, die eine Entscheidung zu Gunsten der Familienarbeit getroffen haben, eine entscheidende finanzielle und moralische Stütze dar. In finanzieller Hinsicht wird nicht nur die ökonomische Not gelindert, welche offensichtlich in vielen geförderten Familien herrscht.

Es wächst auch der Freiraum für die Frauen, die bisher Familienarbeit geleistet haben, ohne über eigenes Geld verfügen zu können. In moralischer Hinsicht wird der Zuschuß als eine gesellschaftliche Anerkennung der Familienarbeit erlebt. Er trägt darüber hinaus eindeutig zu einer Verbesserung der persönlichen Lebenssituation der geförderten Frauen bei. Andererseits läßt derFamilienzuschuß all jene Probleme, die bei einer Entscheidung in Richtung Erwerbsarbeit anstehen, unberührt. Die Kinderbetreuung ist ein gutes Beispiel dafür.

Der Familienzuschuß vergrößert insgesamt die Wahlfreiheit einer bestimmten Gruppe von Frauen: Jene, die in den ersten drei (beziehungsweise später: vier) Lebensjahren ihres jüngsten Kindes nicht erwerbstätig sein wollen und sich dies ohne Inanspruchnahme der Familienzuschüsse nicht leisten könnten. Auf Grund der spezifischen Situation in Vorarlberg und der Konstruktion des Programms dürfte allerdings der Familienzuschuß bislang kaum Verhaltensänderungen der Frauen in dem Sinn herbeiführen, daß sie explizit ihre Erwerbstätigkeit zu Gunsten von ausschließlicher Familienarbeit aufgeben würden.

Auszug aus: BRENNPUNKT ERZIEHUNGSGELD. Böhlau Verlag, Wien 1991,192 Seiten, öS 380.-

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