Geldgeschenk mit Tücken

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Während Sozialminister Herbert Haupt das Kinderbetreuungsgeld bereits als "durchschlagenden Erfolg" wertet, orten die Kritiker jede Menge Haken.

Niemand ist vom Bezug ausgeschlossen, keine Frau wird diskriminiert." Aus der Sicht von Sozialminister Herbert Haupt (FP) ist das neue Kinderbetreuungsgeld, das die bisherige Karenzgeldregelung ablöst, eine "revolutionäre Familienleistung". Der wachsende Ansturm auf diese Geldleistung von rund 436 Euro monatlich scheint ihm Recht zu geben: Tatsächlich ist die Zahl der Anträge von 3.670 (Ende März) auf 17.299 (Ende Mai) gestiegen. Eine Evaluierung bis Mitte Sommer werde die hohe Akzeptanz des Kindergeldes endgültig bestätigen, gibt sich Haupt zufrieden. Nachholbedarf ortet er nur bei der Abgeltung für Mehrlingsgeburten, wird doch bislang das Kindergeld nur für das erste Kind bezahlt.

Das grundsätzlich Neue am Kindergeld ist die Abkehr vom Versicherungsprinzip. Anders als das Karenzgeld, das an eine Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gebunden war, steht es allen Eltern zu. Es kann nicht nur von unselbständig Erwerbstätigen, sondern auch von Selbständigen, Bäuerinnen, geringfügig Beschäftigten, Studentinnen und Hausfrauen bezogen werden. Die Loslösung des Anspruches von der Erwerbstätigkeit sieht das Sozialministerium als "Weiterentwicklung vom System des Lastenausgleichs zum Leistungsausgleich". Eine Leistung, die Eltern nicht nur aus persönlicher Verantwortung und auf Grund einer privatrechtlichen Verpflichtung, sondern auch im gesellschaftlichen Interesse erbringen, werde damit zumindest teilweise abgegolten. Darüber hinaus soll damit, so Haupt, für ein "kinderfreundliches Klima im Land" gesorgt werden.

Traditionelle Rollen

Dagegen sehen Kritiker im Kinderbetreuungsgeld vor allem einen Anreiz für Frauen, auf eigene Erwerbstätigkeit zu verzichten und zum traditionellen Rollenbild zurückzukehren. Tatsächlich begünstigt die neue Regelung auf den ersten Blick vor allem die nicht Berufstätigen, die bisher keinen Anspruch auf Karenzgeld hatten. Aber auch Selbständige und Bäuerinnen profitieren insoweit davon, als sie das Kindergeld in voller Höhe in Anspruch nehmen können, während sie bisher nur eine Teilzeitbeihilfe in der Höhe des halben Karenzgeldes beziehen konnten.

Für die unselbständig Erwerbstätigen beinhaltet die neue Regelung ebenfalls ein "Zuckerl": Kindergeldbezieherinnen dürfen mehr dazu verdienen als nach der alten Karenzgeldregelung und können achtzehn Monate der Kinderbetreuung als pensionsbegründende Beitragszeiten lukrieren. Durfte neben dem Karenzgeld nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze dazu verdient werden, geht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld erst bei einem jährlichen Einkommen von 14.600 Euro brutto verloren. Darüber hinaus ist der Anspruch nicht, wie zuvor, an eine überwiegende Eigenbetreuung des Kindes gebunden. Grundsätzlich darf der Elternteil, der das Kinderbetreuungsgeld bezieht, auch voll erwerbstätig sein; nur darf sein Einkommen die Zuverdienstgrenze nicht überschreiten.

Genau darin liegt aus der Sicht der Kritiker das Hauptproblem. Unselb-ständig Erwerbstätige, die über keine sonstigen Einkünfte verfügen, dürfen nicht mehr als 1.144 Euro pro Monat verdienen. Kommen weitere Einkünfte dazu, reduziert sich dieser Betrag weiter. Für Selbständige sind die monatlichen Verdienstgrenzen ähnlich; Unterschiede ergeben sich durch die verschieden hohen Sozialversicherungsbeiträge, die ebenfalls eingerechnet werden müssen. Bei einem unregelmäßigen Einkommen, wie es für Selbständige und Freiberufler typisch ist, darf zwar die Verdienstgrenze in einzelnen Monaten überschritten werden, aber nicht der Höchstbetrag von 14.600 Euro pro Kalenderjahr. Bei einer Überschreitung muss das gesamte Kinderbetreuungsgeld wieder zurückgezahlt werden.

Zuverdienstgrenze

"Geht man vom Durchschnittsverdienst der Frauen in Österreich aus, müsste die Zuverdienstgrenze eigentlich ausreichend sein", so ÖGB-Bundesfrauensekretärin Sylvia Ledwinka. "Eine Verkäuferin oder Supermarktkassierin kann auch wirklich problemlos voll weiterarbeiten und das Kindergeld beziehen." Aber schon eine besser qualifizierte Sekretärin hat es schwer, unter diesen Bedingungen ihren Beruf auszuüben. Eine gute Teilzeitkraft im Sekretariat verdient laut Auskunft der Personalberatung "Secretary Search" zwischen 1.160 und 1.300 Euro im Monat, mitunter auch mehr. Und muss auf das Kindergeld verzichten, wenn sie berufstätig bleiben will. "Besonders betroffen sind Lehrerinnen", so Ledwinka. "So gering kann man ihre Lehrverpflichtung kaum ansetzen, dass sie unter der Betragsgrenze bleiben würden." Für weibliche Führungskräfte stellt sich das Problem ebenso. Und den "wenigen Männern, die bereit sind, für eine Zeit die Kinderbetreuung zu übernehmen", so Ledwinka, werde das durch die Zuverdienstgrenze besonders schwer gemacht. Viele trauern deshalb der früheren Teilzeitkarenzregelung nach. Gegen Verzicht auf das halbe Karenzgeld konnte ohne Einschränkung dazu verdient werden, wenn auch unter der Bedingung, dass die Wochenarbeitszeit um mindestens 40 Prozent reduziert werden musste. Den arbeitsrechtlichen Anspruch auf Teilzeitkarenz gibt es zwar noch immer, aber losgelöst vom Kindergeld. Wer Teilzeitkarenz in Anspruch nimmt, muss zwar nicht auf das halbe Kindergeld verzichten, darf aber die Zuverdienstgrenze nicht überschreiten. Ledwinka: "Dadurch ist für besser verdienende Arbeitnehmerinnen diese lukrative Form der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefährdet. Man lässt sie langsam aussterben - und das, obwohl es sich um jene Karenzform handelt, die von Männern am häufigsten gewählt wurde."

Die fehlende Übereinstimmung der Kindergeldregelung mit der arbeitsrechtlichen Karenz habe sich auch sonst als problematisch erwiesen, so die Erfahrung des ÖGB. Kindergeld kann bis zum 30. Lebensmonat, bei Teilung zwischen beiden Elternteilen sogar bis zum 36. Lebensmonat des Kindes bezogen werden; die Karenz dauert aber, wie bisher, nur zwei Jahre. "Viele Frauen glauben, dass sie 30 Monate in Karenz bleiben können", so Ledwinka. "Oder Väter nehmen an, dass sie zwischen dem 30. und 36. Lebensmonat des Kindes Karenz in Anspruch nehmen können." Beides stimmt nicht - wer nach dem zweiten Geburtstag des Kindes zu Hause bleiben will und keine Sondervereinbarung mit seinem Arbeitgeber getroffen hat, ist seinen Job los.

Ein weiterer Trugschluss: Viele glauben, dass sie trotz eines Zuverdienstes zum Kindergeld "in Karenz" sind und damit Kündigungsschutz genießen. "Es gilt aber immer noch die alte Regelung", so Ledwinka. Während der Elternkarenz darf man, wie bisher, nur bis zur Geringfügigkeitsgrenze dazu verdienen, lediglich für einen Zeitraum von 13 Wochen ist auch ein höherer Zuverdienst gestattet. Wer die Zuverdienstgrenze durch einen längeren Zeitraum ausschöpft, ist nicht mehr in Karenz und verliert damit den Kündigungsschutz.

Noch eine Falle gibt es speziell für Väter, die planen, im letzten halben Jahr das Kinderbetreuungsgeld zu beziehen: Auch wenn die Mutter vorher nichts dazu verdient hat, steht dem Vater nicht die gesamte jährliche Zuverdienstgrenze zur Verfügung. Da der zweite Elternteil das Kindergeld nur für sechs Monate bezieht, wird auch die Zuverdienstgrenze entsprechend aliquotiert.

Rechtlich bedenklich

Wegen der Berechnung des Zuverdienstes nach Kalenderjahren und der Aliquotierungsregelung können sich selbst aus dem Geburtsdatum des Kindes unterschiedlich hohe Zuverdienstmöglichkeiten ergeben. "Angenommen, eine Arbeiterin hatte bis zum zweiten Lebensjahr des Kindes keinen Zuverdienst. Wurde ihr Kind am 1. Jänner geboren, darf sie vom 24. bis zum 30. Lebensmonat des Kindes 1.144 Euro verdienen. Hat das Kind dagegen am 1. Juli Geburtstag, ist ein Zuverdienst in doppelter Höhe möglich", so Ledwinka. Eine Ungleichbehandlung, die von Rechtsexperten als verfassungrechtlich bedenklich eingestuft wird.

Einige Fragen sind noch offen: Was geschieht etwa, wenn eine Frau, die während des Kindergeldbezuges voll in den Beruf zurückgekehrt ist, weil ihr Verdienst unter der Betragsgrenze liegt, eine Gehaltserhöhung bekommt? Muss sie das Kindergeld zurückzahlen oder kommt die "Härteklausel" zur Anwendung, die eine "geringfügige, unvorhersehbare Überschreitung" der Zuverdienstgrenze gestattet? "Obwohl es schon einen Fall gibt, hat das Ministerium diese Frage noch nicht beantwortet", so Ledwinka.

Die am meisten umstrittene Grundsatzfrage: Ist das Kindergeld nun insgesamt ein positiver Impuls für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder, wie der ÖGB kritisiert, eher eine "Ausstiegshilfe" aus der Erwerbstätigkeit? Wird durch die Zuverdienstregelung die Erhaltung des eigenen Arbeitsplatzes oder aber das Abdriften in atypische Beschäftigungsverhältnisse gefördert? Nach einigen Monaten Geltungsdauer lässt sich noch kein Trend erkennen. Wie bisher, wird das vor allem von der Bereitschaft der Arbeitgeber abhängen, flexibel auf die Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen - und Mitarbeitern - mit familiären Betreuungspflichten zu reagieren. Und vom Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen in und außerhalb der Betriebe.

Hier gibt es nach wie vor Defizite, vor allem im ländlichen Raum. So besteht zwar ein flächendeckendes Netz an Kindergärten, aber nur knapp über 50 Prozent sind ganztägig geöffnet. Kinderkrippen, in denen Kinder unter drei Jahren untergebracht werden können, stehen durchwegs nur in den größeren Städten zur Verfügung. Die Alternative: private und betriebliche Initiativen - von privaten "Kindergruppen" und Tagesmüttern bis zu Betriebskindergärten. Faktum ist, dass in Unternehmen, die selbst Kinderbetreuung anbieten oder zumindest zu flexiblen Arbeitszeitregelungen für Eltern von Kleinkindern bereit sind, die meisten Arbeitnehmerinnen nach der Karenz zurückkehren. Wo es Angebote gibt, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, werden sie auch angenommen. Woran sich auch durch die neue Kindergeldregelung kaum etwas ändern wird.

Infos zum Kinderbetreuungsgeld auf der Homepage des Sozialministeriums: www.bmsg.gv.at

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