Spielregeln für die Babypause

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Wenn Doris Hummer in den nächsten Tagen ihr erstes Kind auf die Welt bringt, wird sie deutlich schlechter dran sein, als die Frau, die im Kreißsaal neben ihr entbindet. Die wird nach der Geburt nämlich Kindergeld überwiesen bekommen, pünktlich jeden Monat, bis zu drei Jahre lang. Hummer hingegen wird gar nichts bekommen.

Doris Hummer, 39, sitzt für die ÖVP in der oberösterreichischen Regierung und ist die erste Landesrätin Österreichs, die während ihrer Amtszeit Mutter wird. Seit Montag ist sie in "Karenz“, heißt es. Aber: Karenz für Politikerinnen, das gibt es nicht. Nicht einmal Mutterschutz steht ihr zu. Korrekt gesprochen ist Doris Hummer daher "dienstverhindert“, und weil das maximal drei Monate geht, wird sie am 3. Dezember wieder im Amt sein. Bis dahin bekommt sie keine Bezüge, kein Kindergeld, auch kein Arbeitslosengeld. Als "dienstverhindert“ gelten Politiker üblicherweise bei schwerer Krankheit oder nach einem Unfall. In dieser Kategorie spielt also das Kinderkriegen bei Politikerinnen.

Geburt in der Sommerpause

Obwohl sich alle Parteien - zwar zerstritten im Wie aber einig im Was - eine kinderfreundliche Gesellschaft auf die Fahnen schreiben, sind die Volksvertreter nicht im Stande, ihre Parolen zu leben. Weil Abgeordnete und Regierungsmitglieder nämlich keine Dienstnehmer sind, fallen sie nicht unter das Arbeitszeitgesetz. Sie haben keinen Urlaubsanspruch, keine Überstundenabrechnung, können nicht in Karenz gehen.

Deshalb muss das Kinderkriegen gut geplant sein: Sylvia Kögler, SP-Bürgermeisterin der niederösterreichischen Gemeinde Grafenbach-St. Valentin, saß im Landtag, als sie ihr zweites Kind bekam. Nur, weil das Baby im Juni kam, und die Sommermonate sitzungsfrei waren, konnte sie nach der Entbindung daheim bleiben. Ähnlich glücklich fiel die Geburt der Tochter des burgenländischen Landtagsabgeordneten Michel Reimon (Grüne), der in einem anderen Beruf prädestiniert für einen Papa-Monat wäre: Sein Baby kam Mitte Juli, er konnte den sitzungsfreien Sommer mit der Familie verbringen.

Die Schweden haben’s besser

Die fehlenden Mutterschutz- und Karenzregelungen für Politikerinnen und (!) Politiker bedeuten weit mehr als erhöhten Planungsbedarf für einzelne Familien: Es zeigt, wie wenig das politische System darauf ausgerichtet ist, dass Frauen darin mitmischen. Die Spielregeln wurden gemacht, ohne dabei auch nur in Möglichkeit mitzudenken, dass Frauen politische Ämter - oder Männer Betreuungspflichten - übernehmen könnten. Ein Politiker, so legt es das Gesetz nahe, ist ein Mann. Ein familienfreundlicher Politiker ist ein Mann, der eine Frau zu Hause hat, die sich um Kinder und Haushalt kümmert, während er seine Termine abstrampelt.

Dieses Familienbild färbt wohl oder übel auf die Gesetzgebung ab. Und es entspricht beim Großteil der Familien nicht der gesellschaftlichen Realität. Das hat auch demokratiepolitische Folgen: In einer repräsentativen Demokratie sollte die Gesellschaft idealerweise in ihrer Gesamtheit vertreten sein: Männer wie Frauen, Väter wie Mütter sollten in den Parlamenten und Regierungen sitzen, um Gesetze zu verabschieden für Männer und Frauen, Väter und Mütter.

Deutlich besser funktioniert das im familienpolitischen Musterland Schweden. Dort werden Parlamentarier bei der Familienpolitik genauso behandelt wie ihre Mitbürger. Die schwedischen Abgeordneten haben Anspruch auf eine Elternzeit von 480 Tagen und bekommen auch Karenzgeld.

Vielleicht spricht sich auch zu uns durch, dass Familienpolitik mehr ist, als die Regelung von Steuerfreibeträgen und Familienbeihilfen. Es geht darum, moderne Lebensentwürfe auch lebbar zu machen. Dazu aber müssen erst die Spielregeln, die noch ohne Frauen und moderne Väter gemacht wurden, geändert werden.

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