Rezepte fürs Kinderkriegen

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Trotz rekordverdächtiger finanzieller Familienleistungen bleibt die Fruchtbarkeitsrate hierzulande

niedrig. Welche Anreize steigern die Lust aufs Kind?

Ursula Haubner ist zufrieden: Die Regierung habe im Rahmen des Budgets 2005 "sehr viel Geld in die Hand genommen, um in Familien zu investieren", stellte die freiheitliche Sozialstaatssekretärin jüngst vor Journalisten fest. Tatsächlich lässt sich Österreich die Förderung seines Nachwuchses einiges kosten: Mit familienpolitischen Barleistungen im Wert von 5,17 Milliarden Euro - 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - wird man im kommenden Jahr einen Rekordwert erreichen. Nur Luxemburg stellt der bedrohten "Keimzelle der Gesellschaft" noch mehr Mittel zur Verfügung.

Viel Geld: richtig verteilt?

Ob die üppigen familienpolitischen Geldströme freilich auch in die richtigen Kanäle fließen, um die Bereitschaft zur Familiengründung zum Blühen zu bringen, ist eine andere Frage. Tatsächlich bleibt die Fertilitätsrate in Österreich hartnäckig niedrig: Zwar ist sie vom historischen Tiefststand des Jahres 2001 - 1,33 Kinder pro Frau im fruchtbaren Alter - auf 1,39 im Jahr 2002 gestiegen. Schon im Folgejahr 2003 sank sie aber wieder auf 1,38 Kinder pro fertiler Frau zurück.

Auslöser der kurzfristigen Erholung war nach Meinung von Sonja Dörfler vom Österreichischen Institut für Familienforschung zweifellos die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes im Jänner 2002 (siehe Kasten). Doch einen nachhaltigen "Kinderboom" erwartet sich die Expertin von dieser Maßnahme, die im kommenden Jahr 964 Millionen Euro kosten wird, nicht: "Untersuchungen in der gesamten westlichen Welt haben gezeigt, dass zusätzliche monetäre Leistungen nur dazu führen, dass bereits geplante Geburten vorgezogen werden", erklärt Dörfler im furche-Gespräch. An einer Koppelung der Geldspritzen mit einem Ausbau des Kinderbetreuungsangebots führe kein Weg vorbei, weiß die Expertin: "Die Frauen wollen heute eben arbeiten und sich den Kindern widmen."

Dass langfristig nur die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu einer höheren Geburtenrate führt, zeigt auch der internationale Vergleich: Länder wie Italien, Spanien und Griechenland, die einst für ihre Kinderfreundlichkeit berühmt waren, sind mangels Vereinbarkeitsmodellen mit Fertilitätsraten von 1,25 bzw. 1,26 zu den Schlusslichtern der EU-15 mutiert. Über reichlichen Kindersegen kann man sich hingegen in Schweden (1,65), Dänemark (1,73), den Niederlanden (1,73) und Frankreich (1,88) freuen. Übertroffen werden diese Staaten nur vom katholischen Irland (2,01), wobei man hier 1960 noch Fertilitätsraten von 3,76 Kindern pro Jahr verzeichnet hat.

Die Rezepte der neuen kinderreichen Staaten zur Geburtenförderung sind unterschiedlich - und bisweilen radikal, wie Sonja Dörfler im Rahmen einer Untersuchung über "Elternurlaub im internationalen Vergleich" festgestellt hat: So besteht zwar in Frankreich - wie in Österreich - der Anspruch auf einen 36-monatigen Elternurlaub. Die dazugehörige Geldleistung von 470 Euro monatlich wird aber erst ab dem zweiten Kind ausbezahlt. Dazu kommt ein Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung für Kinder ab zwei Jahren.

Noch früher und häufiger werden Kinder in Skandinavien in außerhäusliche Betreuung geschickt: Schwedische Eltern haben etwa einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung für Kinder zwischen einem und zwölf Jahren. Die Folgewirkung dieses Angebots: Knapp drei Viertel der schwedischen Frauen mit einem Kind unter vier Jahren sind erwerbstätig (in Österreich 44 Prozent). Die schnelle Rückkehr der Mütter und Väter an den Arbeitsplatz wird auch durch zwei andere Maßnahmen gefördert: So wird das Elternschaftsgeld nur 16 Monate lang bezahlt, entspricht aber 80 Prozent des letzten Einkommens.

Kinder statt Karriere

Die Stoßrichtung des österreichischen Kinderbetreuungsgeldes geht freilich in die andere Richtung: Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts habe sich gezeigt, "dass der mit der Kindergeldregelung gesetzte positive Arbeitsanreiz der höheren Zuverdienstgrenze (...) geringer ist als der negative Arbeitsanreiz in Folge der verlängerten Leistungsbezugsdauer". Die Frauen (Karenzväter sind nach wie vor Mangelware - siehe unten) kehren also erst später in den Beruf zurück.

Für Andreas Cancura, Geschäftsführer des Katholischen Familienverbandes der Erzdiözese Wien, eine eher erfreuliche Entwicklung: "Für Kinder unter drei Jahren ist es sicher nicht gut, wenn sie von fremden Personen betreut werden", ist er überzeugt. Im Rahmen einer Familienbefragung anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums des Vereins wollte man im Gegenzug erforschen, "Was den Familien wirklich am Herzen liegt". Schlussendlich rangierte bei den über 500 eingegangenen Wünschen der arbeitsfreie Sonntag an erster Stelle - gefolgt von der Anrechnung von Erziehungs-, Betreuungs- und Pflegearbeit für die Pension. Vergleichsweise gering war die Zustimmung zur Frage, ob das Kinderbetreuungsgeld bis zum Schuleintritt der Kinder verlängert werden sollte. "Aber das", glaubt Cancura, "lässt sich wohl ohnehin nicht finanzieren."

Kindergeld

Statt der Versicherungsleistung des Karenzgeldes (416 Euro monatlich, max. 24 Monate) wird seit 1. Jänner 2002 die Familienleistung des Kinderbetreuungsgeldes ausbezahlt (436 Euro monatlich, max. 36 Monate - davon 30 Monate durch einen Elternteil.) Der Kündigungsschutz endet nach 24 Monaten. Mit dieser Regelung wurde der Kreis der Anspruchsberechtigten auf Selbstständige, Hausfrauen, Studentinnen und Bäuerinnen ausgedehnt. Kindergeldbezieher dürfen pro Jahr max. 14.600 Euro dazuverdienen. 0,7 Prozent haben diese Zuverdienstgrenze im Jahr 2002 überschritten - und müssen die Bezüge zurückzahlen. Von den 165.456 Personen, die derzeit Kinder- oder Karenzgeld beziehen, sind 4.439 Männer (2,68 Prozent).

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