Anleitung zum Baby-Boom

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Drei Jahre nach Einführung des Kinderbetreuungsgeldes steigt die Kritik an diesem Konzept - und die Zahl an Alternativmodellen.

Schwangere in den Liften, Schwangere auf den Gängen, schwangere Chefinnen im Betriebskindergarten - und zuhause eine fünfköpfige Kinderschar, die auf die Frage um das eigene Wunschkindsein ein strahlendes "Ja" erhält: In Österreich herrscht Baby-Boom.

Zumindest in jener Österreich-Vision, die ein tv-Werbespot im Auftrag von Sozialministerin Ursula Haubner (bzö) entwarf.

Die Gegenwart zeigt sich nicht ganz so rosig: Montag dieser Woche präsentierte die Statistik Austria die Geburtenzahlen der Monate Jänner bis Oktober 2005. Ernüchterndes Fazit: Auch heuer blieb der erhoffte Kindersegen aus. Mit genau 64.914 neuen Erdenbürgern (plus 0,2 Prozent) hat sich die Zahl der Geburten gegenüber dem Vergleichszeitraum 2004 nur marginal erhöht.

Gescheitertes Kindergeld?

Einen neuen Rekordwert konnte man freilich in einer anderen Kategorie vermelden: So erreichte die Zahl der Kindergeld- und Karenzgeldbezieher im November den Höchstwert von 166.600 - wenngleich die Zahl der männlichen Bezieher leicht gesunken ist. Nur 3,18 Prozent derjenigen, die "hauptamtlich" Familienarbeit leisten und dafür 436 Euro monatlich (für maximal zweieinhalb Jahre) erhalten, sind demnach Männer.

Für die Oppositionsparteien ein Skandal - und ein Beweis dafür, dass das "Kindergeld"-Modell der Regierung gescheitert sei. "Durch das derzeit starre Kindergeld wird der Wiedereinstieg in den Beruf erheblich erschwert", kritisierte etwa sp-Familiensprecherin Andrea Kuntzl - und präsentierte als Alternative das Modell eines "Kindergeld-Plus": Je kürzer die Karenzdauer, desto höher sollte demnach das Kinderbetreuungsgeld sein. Zudem soll das Dazuverdienen erleichtert werden: Wer die Normalarbeitszeit um zwei Fünftel reduziert - also etwa statt 40 Stunden nur mehr 24 Stunden pro Woche arbeitet -, darf nach den Vorstellungen der Sozialdemokraten die Zuverdienstgrenze (derzeit 14.600 Euro pro Jahr) überschreiten.

Grünes Füllhorn

Auch die Grünen offenbarten ein Konkurrenzmodell - das jenen Ideen, die Anfang November von Industriellenvereinigung und Arbeiterkammer vorgestellt wurden, verdächtig ähnelt. Präsentiert wurde es von Eva Glawischnig, die erst wenige Tage zuvor ihre eigene Schwangerschaft bestätigt hatte und sich deshalb vorhalten lassen musste, ihre persönliche Situation für politische Zwecke zu missbrauchen (siehe unten).

Tatsächlich ist das grüne Familienpaket üppig gefüllt: So soll es in den ersten acht Monaten nach der Geburt eines Kindes für Mütter und Väter einen 80-prozentigen Einkommenersatz geben; im Anschluss hat der andere Elternteil Anspruch auf diese Leistung, die monatlich mindestens 600 Euro und maximal ca. 1.800 Euro betragen soll. Auch Teilkarenzen sollen - bei aliquoter Kindergeldkürzung - möglich sein. Auf diese erste Phase folgt eine zweite Phase, in der beide Elternteile je drei Monate den Sockelbetrag von 600 Euro monatlich erhalten - bei Aufhebung jeglicher Zuverdienstgrenze. Dazu kommt ein verpflichtender Vatermonat (bei vollem Einkommensersatz) und ein Rechts-Anspruch auf Betreuung für Kinder ab einem Jahr.

Für spö wie övp ein unfinanzierbares Wunsch-Konvolut, das den längst ausgeräumten Familienlastenausgleichsfonds ins Desaster treiben würde: "Dass das Interesse der stellvertretenden Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, aus gegebenem Anlass in Richtung Karenz geht, ist noch zu verstehen, aber dabei soll sie die Finanzierbarkeit und Ausgewogenheit eines Modells nicht außer Acht lassen", kritisierte etwa vp-Familiensprecherin Ridi Steibl.

Interessiert - wenngleich nicht kritiklos - ist indes die Haltung der Katholischen Männerbewegung Österreichs (kmb), deren aktuelles Jahresthema "Aktive Vaterschaft" lautet: "Das Grünmodell ist aus unserer Sicht prinzipiell gut, doch es bevorzugt eher Akademiker und Freiberufler", meint der kmb-Vorsitzende Raimund Löffelmann gegenüber der furche. Als größten Nachteil sieht er die starke Verkürzung der Karenzzeit: "Ein 16 Monate altes Kind in externe Betreuungseinrichtungen zu geben, ist nicht unproblematisch. Außerdem fehlen noch viele dieser Einrichtungen."

Auch einem verpflichtenden Vatermonat steht er reserviert gegenüber. Wünschenswerter als Zwang sei laut Löffelmann "mehr Bewusstseinsbildung" bei den Vätern - und ihren Arbeitgebern. Dass bei den Männern prinzipiell die Bereitschaft bestehe, ihren Anteil an der Haus- und Familienarbeit zu übernehmen, hätte aber die Untersuchung "Väterkarenz - eine männliche Herausforderung" des Geschlechterforschers Erich Lehner gezeigt.

Erträumte Flexibilität

Bewusstseinsarbeit - und Beratung - ist auch das Ziel des Projekts "Kinderkram und Elternwirtschaft", das 2003 im Rahmen eines arbeitsmarktpolitischen Pilotprojekts in Niederösterreich entstanden ist. Ziel der Leiterinnen, Doris Palz und Irene Kernthaler-Moser (siehe rechts), ist vor allem größtmögliche Flexibilität für Eltern: "Über die Fertilitätsrate mache ich mir weniger Sorgen, schon gar nicht aus völkischen Gründen", erklärt Kernthaler-Moser. "Aber wofür ich mit Leidenschaft kämpfe, ist, dass die Menschen das, was sie leben wollen, auch wirklich leben können."

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