Familien vor der Abrissbirne

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Kinder bekommt man nicht des Geldes wegen. Kinder bekommt man, wenn die unergründliche Sehnsucht nach Familie übermächtig wird, wenn man den passenden Partner gefunden hat – und wenn die Körper beider Beteiligten nicht streiken.

Eine gewisse materielle Sicherheit ist der Lust zur Fortpflanzung freilich nicht abträglich. Erst recht nicht ein Mindestmaß an Planungssicherheit.

Doch hier hapert es in Österreich gewaltig. Seit Jahren gleicht die Familienpolitik einer Baustelle, in der ein offizieller Baumeister und neun Poliere einfach drauflosbetonieren, wie sie lustig sind. Versprochen wurde den Bauherren, was gut und teuer ist: einkommensabhängiges Kindergeld, steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, 13. Familienbeihilfe und als Krönung der Gratiskindergarten (je nach zuständigem Polier in neun verschiedenen Varianten). Doch plötzlich, als die Kosten aus dem Ruder laufen, droht man mit der Abrissbirne.

Voves’ medialer Todestrieb

Österreichs Familien fühlen sich angesichts solcher Pfuscherei zu Recht verhöhnt. Jahrelang haben sich die Landeshauptleute – bevorzugt vor Urnengängen – im Austeilen familienfreundlicher Zuckerl überboten. Doch plötzlich bedarf es nur eines unglückseligen Interviews, das Franz Voves in einer Art Todestrieb der Kleinen Zeitung gibt – und alle Versprechungen werden Makulatur. Plötzlich gilt der Gratiskindergarten wieder als unleistbarer Luxus für Reiche. Plötzlich stellt sich der schwarze Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer schützend vor seine bankrotten Bürgermeister und gibt den roten Klassenkämpfer: „Wer es sich leisten kann, soll auch dafür zahlen.“ Pech für jene Tausende Jungfamilien, die fix mit dem Gratiskindergarten kalkuliert hatten; Pech für jene Tausende Mütter mit mittlerem Einkommen, für die sich die – vielfach angestrebte – Teilzeitarbeit nur dann rechnet, wenn das Gehalt nicht eins zu eins in die Kinderbetreuung fließt.

In Kärnten hat man die Spendierhosen bereits ausgezogen: Ab 2011 wird der Gratiskindergarten für Drei- und Vierjährige wieder gestrichen. Geht es nach der neuen Wiener VP-Chefin Christine Marek, soll angesichts leerer Kassen auch in Wien nur mehr der Vormittag im Kindergarten gratis sein.

Obskure Platzvergabe

Die Realität sah in der Bundeshauptstadt ohnehin schon immer düsterer aus als auf den Wahlplakaten: Weil die Nachfrage das Angebot bei Weitem überstieg, kam es zu einem gnadenlosen Verdrängungswettbewerb, der sich beim Start des verpflichtenden letzten Kindergartenjahres kommenden Herbst noch zuspitzen wird: Plätze für Fünf- und Sechsjährige werden ausgebaut – zulasten jener für Unter-Dreijährige. Schon jetzt hat nur jedes vierte Kleinkind die Chance auf einen Krippenplatz. Dazu kommen obskure Kriterien bei der Platzvergabe: Ist eine Mutter nicht berufstätig – wie dies insbesondere in Migrantenfamilien üblich ist –, hat sie automatisch eine geringere Chance auf einen Krippenplatz. Ein Teufelskreis: ohne Arbeit keine Kinderbetreuung, ohne Kinderbetreuung keine Arbeit. Von übergroßen Gruppen und schlecht dotierten Kindergartenpädagoginnen nicht zu reden.

Solche Zustände sind unerträglich – nicht nur aus Sicht der Eltern, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive: Schließlich ist die „Bildungsrendite“ bei Kleinkindern besonders hoch, wie WIFO-Expertin Margit Schratzenstaller unlängst betonte. Statt – wie von der Regierung ge plant – im Familienbereich 235 Millionen Euro zu kürzen, plädiert sie für Umschichtungen: weg von Geldleistungen (etwa dem anachronistischen Alleinverdienerabsetzbetrag) hin zur Verbesserung des Betreuungsangebots.

Ein kluger Vorschlag. Noch wichtiger wären politische Versprechen, auf die man sich verlassen kann. Ohne ein Mindestmaß an Vertrauen sagen junge Paare zu keinem Baumeister ja – geschweige denn zu einem Kind.

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