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Warum nicht Totalreform ?

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Die ÖVP habe ja erklärt, die Reichen würden unter Kreisky immer reicher und die Armen immer ärmer; daher müssen die Reichen stärker zur Kasse gebeten werden, weshalb die Vermögenssteuer erhöht werden müsse. So simplifizierte vor kurzem Handelsminaster Starlbacher im Fernsehen ein kompliziertes Problem. Aber trifft die Vermögenssteuer in ihrer gegenwärtigen Form wirklich nur die Reichen, leiden andere relativ — also gemessen an ihrem „Vermögen“ — nicht sogar mehr darunter?

Da ist beispielsweise zu beachten, daß die Freigrenze generell bereits mit 100.000 Schilding festgesetzt ist, was ungefähr dem weitgehend ein-koimmensteuerfreien — und natürlich nicht vermögenssteuerpflichtigen — Monatseinkommen eines Ministers entspricht Wer mehr als diesen Betrag im Lauf eines arbeitsreichen Lebens aus voll versteuertem Einkommen gespart oder Werte in dieser Höhe erworben hat, wird mit der Vermögenssteuer zusätzlich zur Kasse gebeten.

Man mag einwenden, daß der Fiskus ohnehin beide Augen zudrückt und die Besitzer anonymer Sparkonten im großen und ganzen nicht ausforscht, obwohl ihn in Österreich — im Gegensatz zur Schweiz — kein gesetzlich garantiertes Bankgeheimnis daran hindern würde. Diese Diskretion kann daher jederzeit widerrufen werden und hört auch jetzt schon in dem Moment auf, in dem sich der Sparbuehfoesitzer deklarieren muß — beispielsweise, wenn ihm das Sparbuch gestohlen wurde. Darüber hinaus kommt der Besitzer eines Eigenheims, eines Grundstücks oder eines kleineren Gewerbebetriebs keineswegs in die Gunst dieser Diskretion.

Was ist das aber überhaupt für ein Zustand, wenn ein zugegebenermaßen unrealistisches und unsoziales Gesetz nur selektiv gehandhabt wird und eine bestimmte Form der Umgehung beinahe offiziell zulässig ist? Heißt das nicht, die Steuer- und Gesetzesmoral wissend zu unterminieren? Ein Gesetz, welches man vernünftigerweise nicht mehr anwenden kann, gehört abgeschafft oder reformiert.

Bevor man — wenn überhaupt — daran denkt, den Hebesatz der Vermögensteuer hinaufzusetzen, gehört das Gesetz gründlich reformiert. Gewiß wäre diese Reform auch unter den gegenwärtigen Bedingungen längst überfällig gewesen, doch je höher der Steuersatz wird, um so akuter wird die Notwendigkeit hierfür.

Die primäre Forderung muß daher sein, die Freigrenze stark hinaufzusetzen. Man könnte beispielsweise das Bruttoja'breseinkommen eines Ministers zur Richtlinie nehmen, was eine automatische Anhebung der Freigrenze nach Maßgabe der jeweiligen Inflation und Einkommensentwicklung brächte und deren Mini» malisierunig verhinderte. Neben diesem sozialen Aspekt gibt es allerdings auch noch ökonomische Gründe, welche gegen die konstante Erhöhung der Vermögenssteuer sprechen. Da ist zunächst die fatale Tatsache, daß die Vermögenssteuer unter allen Umständen das Sparen und das solide Wirtschaften bestraft, das Schuldenmachen und das riskante Operieren mit geborgten Geldern begünstigt. Jene Wohnbau-„Manager“, welche mit fremdem Geld spekulieren und in manchen Fällen die kleinen Leute um ihre Ersparnisse bringen, zahlen sicherlich kaum je Vermögenssteuer.

Dazu kommt noch, daß die Vermögenssteuer gewinnunabhängig ist, daß sie also von Unternehmen bei schlechter Konjunktur und geringen Umsätzen in gleicher Höhe wie bei guter Konjunktur gezahlt weiden muß. Dies erhöht gerade in der Krise die Produktionskosten pro Stück und verschlechtert die ohnehin schon angespannte Liquiditätssituation zusätzlich. Der Konjunktur-zyklus, welcher gemildert werden sollte, wird dadurch sogar noch verschärft!

Darüber hinaus ist es keineswegs so, daß die Vermögenssteuer keine Auswirkung auf die Preise hätte. Auch sie ist ein Kostenfaktor, welcher in einer ordnungsgemäßen Kalkulation ebenso wie jeder andere berücksichtigt werden muß. Sie nimmt auch keine Rücksicht darauf, um welche Art des Vermögens es sich handelt. Abgesehen davon, daß die Bemessung der Einheitswerte von Dreijahresperiode zu Dreijahrespe-riode immer kühnere Sprünge nach oben macht und in der gegenwärtigen Höhe keineswegs mehr in allen Fällen den Marktpreisen entspricht, wird jede Art von Besitz gleichermaßen besteuert. Wenn beispielsweise ein Unternehmen eine kostspielige Umweltschutzanlage baut, so steigt dadurch die Vermögenssteuer genau so, wie wenn das Kapital in die Produktion von überflüssigem Ramsch investiert worden wäre.

In ihrer heutigen Form ist die Vermögenssteuer ein sozial und ökonomisch dubioses Instrument, welches man nicht aus rein fiskalischen Gründen immer rigoroser einsetzen darf. Bevor also über Prozentsätze gesprochen wird, sollte zuerst die längst überfällige Reform durchgeführt werden.

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