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Ende der Kirdienbeiträge?

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In seiner ersten Regierungserklärung kündigte der sozialistische. Bundeskanzler Dr. Kreisky die Möglichkeit an, daß neben Bildungsausgaben künftig auch die Kirchenbeiträge abgesetzt werden können. Der neue Finanzminister erklärte in einem Fernsiehinterview, daß diese Möglichkeit durch eine Kommission geprüft werde.Die Erklärung der beiden Minister zeigt neuerlich, daß über die Kirchenbeiträge in Österreich ein gewisses Unbehagen herrscht und daß nach Wegen gesucht wird, dieses Unbehagen zu beseitigen. Eine Linderung dieses Unbehagens würde die Verwirklichung der Absetzbarkeit sicherlich mit sich bringen. Aber ganz beseitigen würde es das Unbehagen nicht. Denn nach wie vor bliebe das lästige Zahlen. So sollte nach neuen und endgültigen Wegen Ausschau gehalten werden, auf denen die finanziellen Bedürfnisse der Kirche geregelt werden können, ohne ein zu großes Unbehagen zu erzeugen.

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In seiner ersten Regierungserklärung kündigte der sozialistische. Bundeskanzler Dr. Kreisky die Möglichkeit an, daß neben Bildungsausgaben künftig auch die Kirchenbeiträge abgesetzt werden können. Der neue Finanzminister erklärte in einem Fernsiehinterview, daß diese Möglichkeit durch eine Kommission geprüft werde.Die Erklärung der beiden Minister zeigt neuerlich, daß über die Kirchenbeiträge in Österreich ein gewisses Unbehagen herrscht und daß nach Wegen gesucht wird, dieses Unbehagen zu beseitigen. Eine Linderung dieses Unbehagens würde die Verwirklichung der Absetzbarkeit sicherlich mit sich bringen. Aber ganz beseitigen würde es das Unbehagen nicht. Denn nach wie vor bliebe das lästige Zahlen. So sollte nach neuen und endgültigen Wegen Ausschau gehalten werden, auf denen die finanziellen Bedürfnisse der Kirche geregelt werden können, ohne ein zu großes Unbehagen zu erzeugen.

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Der Jdealzustand wäre es sicherlich, wenn die Kirchen Österreichs, insbesondere die katholische, nur von freiwilligen Gaben ihrer Gläubigen leben würden. Es gibt Länder, wo dies tatsächlich geschieht: Die Vereinigten Staaten, Holland, Großbritannien. In diesen Staaten lebt die katholische Kirche ausschließlich von den Spenden ihrer Gläubigen, und wer die Summen hört, die diese Gläubigen alljährlich aufbringen, ist erstaunt über deren für Österreich unglaubliche Höhe. Allerdings darf man nicht vergessen, daß die katholische Kirche in den genannten Ländern aus kleinen Diaspora-Gemeinden zu ihrer jetzigen Größe emporwuchs. Die Katholiken Hollands, Großbritanniens und der Vereinigten Staten waren, zumindest solange die katholische Kirche in diesen Ländern noch klein war, tiefgläubige Christen, die von einer bewundernswerten Opferbereitsehaft beseelt waren. Sie ließen sich ihre Kirche „etwas kosten“. Und dieser Geist ist heute noch vorhanden und bringt immer noch hohe Opfersummen auf. Allerdings sind auch die Geistlichen dieser Länder ohne weiteres immer wieder bereit, ihre Gläubigen auf die finanziellen Bedürfnisse der katholischen Kirche in dem betreffenden Land, wie auch in der Gesaimtkirche hinzuweisen. Der Österreicher aber ist durch verschiedene Umstände gewohnt, für zwei Dinge in seinem Leben kein Gold auszugeben: für seine Wohnung und für seine Kirche. Durch die Mieterschutzgesetzgebung wohnt ein Teil der Österreicher heute noch so gut wie umsonst. Ungefähr 50 Prozent aller Wiener leben heute noch immer in mietergeschützten Zimmer-Küche-Kabinett-Wohnungen, die im Monat vielleicht S 100.— oder etwas mehr an Zins kosten. Wenn in einer solchen Wohnung eine Familie logiert, in der drei Mitglieder verdienen und Beiträge für die Wohnung ä S 30.— monatlich leisten, dann wohnt sie wirklich umsonst. Erst die Jugend, die vielfach in sozial besseren Wohnungen ihr Leben verbringen will, ist bereit, dafür auch höhere Mietzinse zu bezahlen, die aber immer noch weit entfernt sind von jenen Zinsen, die in Ländern wie in der Schweiz oder Deutschland üblich sind

Durch das josephinische Kirchensystem, durch welches die Finanzierung der Kirche de facto durch den Staat erfolgte, wurde dem Österreicher abgewöhnt, sich auch um die finanziellen Bedürfnisse seiner Kirche zu kümmern. Der Nationalsoziaiismus wußte von dieser Steuerunlust der österreichischen Gläubigen für ihre Kirchen und wollte insbesondere der katholischen Kirche einen schweren Schlag durch die Einführung der Kirchenbeiträge versetzen. Es war ein Schlag ins Wasser. Die sonst so steuermüden Österreicher zahlten nach dem 1. Mai 1939 (an diesem Tag wurde das Kirchenbeitragsgesetz durch das NS-Re-gime eingeführt) zur Überraschung und zum Ärger dieses Regimes sehr brav ihre Kdrchenbeiträge. Dieses Phänomen hatte vor allen Dingen folgende Ursachen:

• Die Kirchenuntreuen zahlten sehr bewußt aus Gegnerschaft gegen das Regime und aus Treue zur Kirche ihre Beiträge.

• Gegner des Regimes bemerkten sehr bald, daß sich hier die vielleicht einzige Möglichkeit einer legalen Opposition gegen das Regime ergab.

• Viele Nationalsozialisten zahlten die Beiträge, weil sie sich dadurch eine Art Rückversicherung erhofften.

• Alle zahlten leicht diese Beiträge, weil Konsumgüter während des Krieges rar waren und dafür kein Geld ausgegeben werden kannte.

Die Sachlage änderte sich mit dem Ende des Krieges. Der totalitäre Gewaltstaat war verschwunden und damit die Chance, durch Zahlung von Beiträgen zu zeigen, daß man ihn ablehne. Die Geldverknappung, herbeigeführt durch Währungsreformen und durch die oft gegebene Notwendigkeit, eine neue Existenz zu gründen, begann sich bemerkbar zu machen. Viele eifrige Zahler von Beiträgen wurden plötzlich säumige Zahler oder zahlten überhaupt nicht. Die Kirche sah sich plötzlich einiem finanziellen Engpaß gegenüber, der noch dadurch verschärft wurde, daß außerordentlich viele Kirchen neu gebaut und zerstörte renoviert werden mußten. Das galt auch für viele Pfarrhäuser. Durch die Ausgabe von Kirchentbauanleihen konnte hier so manche Krise überwunden werden. Nicht minder vorteilhaft erwies sich die mit dem Staat vereinbarte Bezahlung der Religionsstunden und die Ablösung des seinerzeit beschlagnahmten Religionsfonds. Aber die Kirchenbeiträge blieben, und damit das Unbehagen, denn die Bezahlung der Kirchenbeiträee ist wie die Bezahlung jeder Steuer für viele nicht gerade eine angenehme Sache. Die meisten machen von der Möglichkeit, ihre Kirchenbeiträge in monatlichen Raten abzustatten, nicht Gebrauch und sehen sich oft plötzlich der Einforderung einer größeren Summe gegenüber. Mancher vergißt auch die Bezahlung seiner Kirchenbeiträge und ist dann unangenehm berührt und auch erbost, wenn er gemahnt wird. Wird gar eine gerichtliche Klage angedroht, so sieht der Betroffene nur selten sein eigenes Unrecht ein, sondern ist über die klagende Finanzkammer noch mehr erbost. All dies sind keine angenehmen Erscheinungen. Dabei darf nicht übersehen werden, daß in Österreich doch viel mehr Angehörige der Kirche ihre Beiträge bezahlen, als es praktizierende Katholiken gibt. Das ist ein Pluspunkt, der nicht hoch genug bewertet werden kann. Er beweist, daß die meisten österreichischen Katholiken, aiuch wenn sie noch so wenig Kontakt mit ihrer Kirche haben, diesen Kontakt dennoch nicht ganz aufgeben wollen.

Aber das Unbehagen bleibt Durch die Vorschläge der neuen Bundesregierung wird es vielleicht etwas gemildert werden. Aber dieses Unbehagen könnte auf zweierlei Weise ganz beseitigt werden:

• Entweder die Kirche in Österreich lebt wie die Kirche in den USA, Holland und Großbritannien nur noch von freiwilligen Beiträgen.

• Oder die Kirchen/beitrage werden in Kirchensteuern umgewandelt, die gleichzeitig mit den übrigen Steuern eingehoben werden.

Wer die Mentalität der Österreicher kennt, wird sofort davon überzeugt sein, daß der erste Vorschlag nicht durchführbar ist Bleibt somit der zweite. Er hätte viele Vorteile für sich: Die Einhebung der Kirchensteuer durch den Staat würde bedeuten, daß sie allwöchentlich bei den Löhnen und allmonatlich bei den Gehältern mit den Lohnsteuern einbahalten werden könnte.

• Der Betroffene würde die Zurückbehaltung dieser Steuer viel weniger spüren, als wenn er den Betrag auf einmal zahlen müßte, noch dazu separat.

• Durch dieses System würde jeder erfaßt werden, wodurch die Eingänge viel größer wären.

• Genaue Berechnungen haben überdies ergeben, daß die Einhebung der Kirchensteuer durch den Staat wesentlich billiger wäre als dies heute der Fall ist. Die Verbilligung würde ungefähr 7 Prozent betragen,

• Da durch dieses System alle erfaßt würden und somit mehr Beiträge eingingen, das System außerdem billiger wäre, böte sich der Kirche die Möglichkeit die Kirchenbeiträge zu senken und größere soziale Ermäßigungen, zum Beispiel für Verheiratete und für kinderreiche Familien, zu gewähren.

• Das lästige Eintreiben der Kirchenbeiträge durch Mahnungen oder gar auf gerichtlichem Weg, das immer böses Blut macht, würde wegfallen.

So würde dieses System nur beiden Seiten Vorteile bringen. Gegen die Einführung dieses Systems wurde immer wieder vorgebracht, daß man dem Staat dadurch zu viel Einblick in die finanzielle Gebarung der Kirche gewähre, ja ihm Druckmittel geradezu in die Hand speie. Auch wurde immer wieder betont, daß durch die Einhebung der Kir-chentoeiträge viele Geistliche Kontakte mit Angehörigen der Kirche bekämen, der sich sonst nicht ergeben würde.

Letzterer Einwand kann sogleich entkräftet werden: Der Kontakt, der sich auf dieser Ebene ergibt, ist nicht immer der erfreulichste und hat so gut wie keine seelsorgliche Wirkungen. Denn der betreffende Priester hat dann meist nur die Aufgabe, einen erbosten Katholiken zu beschwichtigen, was oft nur mit Hilfe einer Nachsicht von den Kirchenbeiträgen möglich ist.

Der erste Einwand ist auch nicht sehr stichhältig, denn auf Grund des bestehenden Gesetzes könnte der Staat ohnedies Einblick nehmen und außerdem hat es sich noch immer in der Geschichte gezeigt, daß jedes Regime, das die Kirche enteignen will, dies auch auf jeden Fall durchführen kann.

Den Josephiniismus zu beseitigen, ist auf vielen Gebieten gelungen. Nur teilweise oder auch gar nicht ist es gelungen, dem österreichisMirien Katholiken beizubringen, daß er sich seine Kirche „etwas kosten lassen soll“: ein Standpunkt, den die amerikanischen, deutschen und holländischen Katholiken längst schon einnehmen und in einer geradezu großartigen Weise verwirklichen. Die Einführung der Kirchensteuer wäire ein Weg, um dem Österreicher sanft und langsam diese Einstellung beizubringen und der Kirche alle jene notwendigen Mittel zu verschaffen, die sie für ihr Aufgaben in dieser Welt benötigt

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