6694612-1963_01_08.jpg
Digital In Arbeit

Eine Notwendigkeit der Stunde

Werbung
Werbung
Werbung

Aber diese Bedenken sind endgültig weggefallen, und so erhebt sich denn für ganz Österreich die Frage, ob nicht die Umwandlung der Kirchenbeiträge in Kirchensteuern eine Notwendigkeit der Stunde wäre. Große Vorteile ergäben sich daraus für die Kirche und die Gläubigen. Ein Vorteil für beide wäre allein schon darin zu sehen, daß sich die Einhebung der Kirchensteuer durch den Staat wesentlich billiger stellen würde, als dies heute der Fall ist. Genaue Berechnungen haben ergeben, daß die Verbilligung ungefähr sieben Prozent betragen würde. Dies allein schon würde der Kirche die Möglichkeit geben, die Kirchenbeiträge zu senken beziehungsweise größere soziale Ermäßigungen, zum Beispiel für Verheiratete und für kinderreiche Familien, zu gewähren. (Denn die jetzigen diesbezüglichen Bestimmungen sind recht gering und stehen nicht im richtigen Einklang mit den Forderungen der Kirche auf diesen Gebieren Grund wäre es möglich, die Höhe der Kirchensteuer im Vergleich zu den Kirchenbeiträgen zu senken: Die Einhebung der Steuer durch den Staat würde es mit sich bringen, daß alle Angehörigen der Kirche, mögen sie Lohn- oder Einkommensteuer bezahlen, erfaßt würden, und zwar sehr genau. Der Kirche würden deshalb weit größere Summen wie bisher zufließen, selbst bei Senkung der Sätze. Auch könnte bei dieser Gelegenheit die Ungerechtigkeit, daß Bauern auf Grund der Bemessung nach den Einheitswerten nur minimale Kirchenbeiträge leisten, beseitigt werden.

Fast alle Angehörigen der katholischen Kirche in Österreich, die Lohnoder Gehaltsempfänger sind, würden die Kirchensteuer als einen Vorteil ansehen und begrüßen. Denn durch dieses System würde ihnen allwöchentlich oder allmonatlich gleich ein gewisser Betrag als Kirchensteuer vom Lohn oder Gehalt abgezogen werden. Dies aber würden sie finanziell viel weniger spüren, als wenn sie am Ende des Jahres eine mehr oder minder große Summe auf einmal auf den Tisch des kirchlichen Finanzamtes legen müßten. Daß er am Monatsende — oder Wochenende — nur so und soviel auf die Hand bekommt, nimmt der Österreicher hin, aber daß er von diesem Nettobetrag auch noch Steuern zahlen muß, ärgert ihn zumindest innerlich. Wird er vielleicht auch noch gemahnt, weil er die Zahlung des Kirchenbeitrages „vergessen“ hat, dann kann es vorkommen, daß sogar gute Katholiken sich auch äußerlich aufregen.

Den Josephinismus zu beseitigen, ist auf vielen Gebieten gelungen. Nur teilweise oder auch gar nicht ist es gelungen, dem österreichischen Katholiken beizubringen, daß er sich seine Kirche „etwas kosten lassen soll“: ein Standpunkt, den die amerikanischen, deutschen und holländischen Katholiken schon in einer geradezu großartigen Weise kennen und verwirklichen. Die Einführung der Kirchensteuer ist ein Weg, dem Österreicher sanft und langsam diese Einstellung beizubringen, und der Kirche alle jene notwendigen Mittel zu verschaffen, die sie für ihre Aufgaben in dieser Welt benötigt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung