6694612-1963_01_08.jpg
Digital In Arbeit

Ende der Kirchenbeiträge?

Werbung
Werbung
Werbung

Mancher Leser wird über den Titel erstaunt sein und sich vielleicht der Hoffnung hingeben, es werde von der Beschaffung der notwendigen finanziellen Mittel für die Kirche im Wege freiwilliger Spenden geredet. Von diesem Idealzustand, wie er bereits in den USA und in Holland existiert, ist die österreichische Wirklichkeit noch weit entfernt. Im folgenden soll nur von der Umwandlung der Kirchenbeiträge in Kirchensteuern gesprochen werden. Die Zeit wäre dazu reif, und die Einführung der Kirchensteuer eine Wohltat für die Gläubigen, aber auch für die Kirche.

Mit dem 1. Mai 1939 begann für die katholische Kirche Österreichs ein neuer Abschnitt. An diesem Tag wurden auf Grund eines Landesgesetze« die staatlichen Leistungen, die der katholischen Kirche Österreichs seit der Zeit des Josephinismus zuflössen, eingestellt. Der „Religionsfonds“, der einst aus dem Vermögen beschlagnahmter Klöster geschaffen worden war und der ein kirchliches Vermögen unter staatlicher Verwaltung darstellte, wurde kurzerhand zugunsten des NS-Staates eingezogen. Die Kirche dagegen wurde „berechtigt“, zur Deckung ihrer materiellen Bedürfnisse Beiträge von den Gläubigen einzuheben.

Der Sinn dieser Neuregelung lag auf der Hand: den nationalsozialistischen Machthabern war es nur zu gut bekannt, daß den österreichischen Katholiken durch das Staatskirchentum jeder Gedanke, sie müßten persönlich für die finanziellen Bedürfnisse der Kirche aufkommen, aberzogen worden war. Das NS-Regime hoffte durch die Einführung dieser Kirchenbeiträge die katholische Kirche über kurz oder lang „auszuhungern“.

Aber das Gegenteil trat ein. Es geschah fast ein kleines österreichisches Wunder. Denn die so steuerfeindlichen Österreicher begannen sehr, bald und zum Ärger der NS-Größen ihrer Bei tragspflicht nachzukommen. Nicht nur die eifrigen Katholiken erfüllten ihre Pflicht, auch Personen, die nur noch äußerlich der Kirche angehörten und mit ihr jahrelang keinen Kontakt gehalten hatten, erschienen plötzlich auf den Pfarrämtern und bezahlten ihren Obulus.

Für diese seltsame Erscheinung gibt es mehrere Erklärungen: So mancher fand durch das Grauen des Kriegsgeschehens den Weg wieder zur Kirche. Mancher zahlte auch nur, um sich eine Rückversicherung zu schaffen. Viele genügten ihrer Pflicht, weil die Leistung von Kirchenbeiträgen eine Art — vielleicht die einzige Art — einer legalen Opposition gegen das herrschende System darstellte, die zu demonstrieren sie sich nicht entgehen lassen wollten. Die Kirche wurde nicht „ausgehungert“. Ja, diese durch das Gesetz deutlich gemachte Trennung von Kirche und Staat erwies sich bald als in mehrfacher Beziehung günstig. Jede Pfarrei hatte nun einen Steuerkataster als Kartothek seiner Pfarringehörigen anzulegen. Die Anlegung :iner solchen Kartei war zwar schon 'om Konzil von Trient empfohlen vorden und wurde durch den Codex /on 1918 allen wieder eingeschärft. Aber jur Durchführung dieser Bestimmungei hätte es in Österreich der Einführung ies Beitragsgesetzes bedurft. Die Pfar-•er erfuhren nun, wer ihre Pfarrkindei seien, viele Menschen in den größerei ütädten erhielten erst über den Weg ler Kartothek Kenntnis, zu welche; Pfarre sie gehörten. Ein Gespracl Aber den Kirchenbeitrag war oft dei \usgangspunkt für ein religiöses Gespräch.

Die Sachlage änderte sich mit den Ende des Krieges. Der totalitäre Gewaltstaat war verschwunden und damit die Chance, durch Zahlung vor Kirchenbeiträgen zu zeigen, daß mar hn ablehnte. Die Geldverknappung licht zuletzt herbeigeführt durch zwe Währungsreformen, begann sich be merkbar zu machen. Mancher Bei tragspflichtige glaubte, sich das so not wendige Geld durch Nichtbezahlunj ler Kirchenbeiträge zu beschaffen. Di» Kirche sah sich plötzlich einem finan siellen Engpaß gegenüber, hervorgerufen auch durch ihre nun größer ge wordenen finanziellen Bedürfnisse Denn außerordentlich viele Kirchen -in der Erzdiözese Wien allein 97 -waren gänzlich vernichtet oder schwe: beschädigt worden. Sie bedurften de: Wiederaufbaues und der Reparatur. Dil Verstädterung der Bevölkerung machti

Pfarrheimen dringend notwendig. Die Kirche suchte in den Jahren nach dem Krieg mit sparsamsten Mitteln auszukommen. Dies wirkte sich besonders bei den Gehältern der Geistlichen aus.

Pfarrer mit 50 Dienstjahren hatten uir 1949 manchmal noch einen Gehalt vor 450 Schilling monatlich.

Gewiß, die Kirchenbauanleihen schufen etwas Luft und ermöglichten, daf bis 1960/61 bereits 145 Kirchen neu gebaut, weitere 39 zu bauen begonnen werden konnten, nicht gerechnet die vielen Reparaturen. Nicht minder günstig waren die Vereinbarungen betreffend die Bezahlung der Religionsstunden durch den Staat und die Ablöse des seinerzeit beschlagnahmten Religionsfonds, wobei sich hier die Kirche gegenüber dem Staat außerordentlich großzügig zeigte, denn die Leistung entspricht nur der Verzinsung für das seit 1945 einbehaltene Kapital.

Schon bald nach dem Ende des zweiten Weltkrieges stellten sich die westlichen Diözesen Österreichs auf den Standpunkt, daß es besser wäre, die Kirchenbeiträge in Kirchensteuern umzuwandeln, also in Beiträge, die den Charakter von öffentlich-rechtlichen Abgaben besitzen und gleichzeitig mit der Lohn- und Einkommensteuer vom Staat eingehoben und gegen Entrichtung einer Gebühr für seine Mühewaltung an die Kirche abgeführt werden. Die Befürworter der Kirchensteuer konnten mit einigem Recht darauf hinweisen, daß die Beiträge seit Kriegsende spärlicher eingingen, daß die „Eintreibung“ den Pfarrern viel Mühe koste und sie von den eigentlichen seelsorgerlichen Aufgaben abziehe, daß die seelsorgerlichen Möglichkeiten, die sich so oft im Krieg ergeben hatten, immer mehr schwanden, daß die Mahnungen oder gar das gerichtliche Eintreiben viel böses Blut schaffe, auch wenn das Recht noch so augenscheinlich auf Seite der Kirche liege. Die östlichen Diözesen Österreichs nahmen dagegen lange den entgegengesetzten Standpunkt ein. Seelsorgerliche Bedenken spielten hier eine große Rolle, wie nicht minder die Tatsache, daß große Teile dieser Diözesen im russischen Besatzungsgebiet lagen, dessen politische Zukunft noch ungewiß war. Dem Staat unter diesen Verhältnissen sowenig wie möglich Einblick in die kirchlichen Finanzen zu geben, war begreiflich.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung