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Uber bewährte neue Modelle nachdenken

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Bis 1939 sorgte der Staat für die Kirche in Osterreich. Das wäre keine Lösung für heute, wo es neue, bewährte Modelle in anderen Staaten gibt.

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Bis 1939 sorgte der Staat für die Kirche in Osterreich. Das wäre keine Lösung für heute, wo es neue, bewährte Modelle in anderen Staaten gibt.

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Als Kaiser Josef II. ab 1782 die Klöster aufhob, wurde aus dem Vermögen dieser Klöster der Religionsfonds gegründet. Aus diesem Fonds, den der Staat verwaltete, sollten sowohl der Seelsorgegeistlichkeit ein gesichertes Einkommen verschafft als auch die Kosten für kirchliche Gebäude, sofern kein Patronat vorhanden war, abgedeckt werden. Diese Regelung war durch kein Konkordat vereinbart, sondern einseitig vom Staat verfügt worden, und sie währte im Prinzip - auf Details und Modifikationen kann hier nicht eingegangen werden - bis 1939.

Das Geld, das der Staat aus den Erträgnissen und der Bewirtschaftung des Religionsfonds-Vermögens der Kirche zukommen ließ beziehungsweise mit dem er die Geistlichkeit besoldete oder die Pfründeneinkommen aufbesserte, hieß Kongrua. Diese „Kongrua-Regelung” betraf selbstredend nur die katholische Kirche, denn nur deren Kirchengüter wurden aufgehoben, die anderen Relgions-gemeinschaften hatten damals keine; sie wurden 1781 überhaupt erst toleriert.

Mit der Kongruanovelle des Nationalrates vom Jahre 1921 wurden die Besoldurigs-verhältnisse der Geistlichen den Bundesangestellten angeglichen. So blieb es bis Mai 1939, als das NS-Regime die Kirche mit der Einführung des Kirchenbeitrages ins wirtschaftliche und finanzielle Nichts zu stürzen versuchte.

Mit dem Konkordat 1933/34 wurde keine Neuregelung geschaffen, sondern der vorhandene Zustand lediglich näher fixiert, und, was den Religionsfonds betrifft, wurde erneut festgehalten, daß er kirchlichen Charakter besitzt, aber wie bisher bis auf weiteres vom Staat im Namen der Kirche verwaltet werde. Die Kirche blieb formeller Eigentümer ohne Mitspracherecht in der Fondsverwaltung.

Welche Motivation hinter dem NS-Gesetz stand, läßt sich aus der Urgenz der Wiener NS-Gauleitung klar ablesen: „Bei der Mentalität der hiesigen Bevölkerung, welcher der Begriff einer katholischen Kirchensteuer völlig fremd ist, würde die Einführung einer solchen einen vernichtenden Schlag gegen die Kirchenorganisation bedeuten.” In der gesetzlichen Endfassung wurde der Ausdruck Kirchensteuer durch den Ausdruck Kirchenbeiträge ersetzt, um klarzustellen, daß es sich nicht um eine staatliche, sondern um eine kirchliche Abgabe handle.

Odium der Schnüffelei

Mit Ende Mai desselben Jahres 1939 protestierte der österreichische Episkopat ungewohnt mannhaft gegen dieses - von einigen nicht unwesentlichen Modifikationen abgesehen - bis heute geltende Kirchenbeitragsgesetz.

Wenn nun der prominente langjährige frühere Rechtsan-waltskammerpräsident Walter Schuppich vom Verein der Österreichischen Steuerzahler die Bestauration des Systems vor 1939 in Erwägung zieht, läßt dies aufhorchen und zwingt zum Nachdenken über die Wiederherstellung des damaligen Zustandes ohne Pe-netranz und kulturkämpferische Emotionen. Hinter diesen Restaurationswünschen steckt sicher ein gewisses Unbehagen über die jetzt via Meldezettel angepeilte Modifikation der staatlichen Mithilfe bei der Erbringung des Kirchenbeitrages. Der Meldezettel ist emotionsbeladener und sensibler als es die einstigen Haushaltslisten waren. De* Einschau in die Meldezettel haftet das Odium der Schnüffelei an, und sich diesem auszusetzen hat weder eine Kirche noch eine Religionsgemeinschaft verdient.

Vielleicht wäre statt Restaurationsüberlegungen ein Nachdenken über Modelle, die sich in anderen Staaten bei vergleichbarer historischer Entwicklung bewähren, und deren Adaptionsmöglichkeiten für Österreich angebrachter. Wobei der Ausgangspunkt für die staatliche Mithilfe bei der Erbringung des Kirchen- oder Kulturbeitrages die enormen Leistungen der Kirchen und Religionsgemeinschaften im kulturellen und sozialen Bereich sein müßten. Bei bloß freiwilligem Spendenaufkommen käme es zum Beispiel über kurz oder J.ang unweigerlich zur Devastierung unserer Kulturlandschaft. Man braucht sich nur die halb verfallenen Dome, Kirchen, Kapellen und zerbröselnden Skulpturen vorzustellen, um zu ahnen, was das bloß für den Fremdenverkehr hieße. Wer will hier sagen, das gehe nur den frommen Gläubigen und religiös Engagierten etwas an?

Da der Staat bei der Beitragserhebung den Körperschaften öffentlichen Rechtes (Kammern, Sozialversicherungsinstitute) entscheidend hilft, sollte auch bei den Religionsgemeinschaften solches nicht von vornherein für obsolet erachtet werden.

Könnte der Steuerzahler jährlich entscheiden, welcher Religionsgemeinschaft er, ohne sein Religionsbekenntnis im Meldezettel oder überhaupt offenlegen zu müssen, seinen Kulturbeitrag zuwendet, wäre ein Maß an Liberalität erreicht, das allseits akzeptabel erscheinen müßte.

Der Autor ist Forstand des Instituts für Kirchengeschichte an der Universität Graz

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