6859210-1977_29_01.jpg
Digital In Arbeit

Keine Sanierungohne Kurskorrektur

Werbung
Werbung
Werbung

Die Budgetvorschau für die Jahre 1976 bis 1980, die der Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen der Öffentlichkeit vorgelegt hat, ist eines der bedeutendsten politischen Dokumente seit langem; ein Papier, das manche jäh aus dem Drogenschlaf weckte, die der offiziellen Lesart Glauben schenkten, die Darstellung dessen, was da als Folge der Finanzpolitik der letzten Jahre auf uns zukommt, sei lediglich eine Malerei der Schwarzen, die den Roten nicht grün sind.

Die Projektion der explosionsartigen Entwicklung der Finanzschuld des Bundes räumt mit der Illusion gründlich auf, das Defizit sei die Folge einer Finanzpolitik, die darauf abgestellt war, der Rezession frühzeitig und massiv gegenzusteuern. Wäre dies der Fall gewesen, müßte es möglich sein, bei sich erholender Konjunktur allmählich wieder den Boden unter den Füßen zu gewinnen.

Wie die Vorschau zeigt, kann davon aber keine Rede sein: Die Finanzschuld des Bundes, die 1968 unmittelbar nach vorausgegangener, freilich viel milderer Rezession noch 39,8 Milliarden Schilling und 1976 133,8 Milliarden betragen hat, wird - wenn die Annahrrien des Beirates zutreffen - seiner Meinung nach bis 1980 auf nicht weniger als 283,4 Milliarden oder rund 305 Milliarden angewachsen sein, je nachdem, ob in der Vorschauperiode eine Senkung des Einkommensteuertarifs - die der Beirat fördert - erfolgt oder nicht. Das ist ein Anwachsen von 13,2 Prozent des Bruttonationalproduktes (1968) über 18,4 (1976), auf 26,5 oder rund 28,5 (1980) und von 46,2 Prozent (1968) über 60,3 (1976) auf rund 83 bis 93 Prozent des Budgetvolumens 1980.

Dieses Ziffernmaterial, das wohl geeignet sein sollte, den Verantwortlichen den Schlaf aus den Augen zu treiben, beruht dabei auf relativ optimistischen Annahmen: ein durchschnittliches Wachstum von real 4 Prozent jährlich, das die derzeitige Auslastung des Arbeitskräftepotentials nicht gefährdet; keine neuerliche Rezession in diesen Jahren; keine noch höhere Inflationsrate als 6 Prozent; unveränderter Finanzausgleich mit den Bundesländern; kein wachsender Anteil des Bundeshaushalts um Sozialprodukt; Sinken des Anteils der Investitionen von 18,5 Prozent (1976) auf 15,8 bis 16,6 Prozent (1980) des Budgetvolumens; konstanter Personalstand sowie Ausklammerung der Lieferantenkredite an den Bund („Verwaltungsschuld”), die zu einer festen Säule der (außergesetzlichen!) Budgetfinanzierung geworden sind, aus der Vorschau.

Sicherlich: eine Vorschau dieser Art wird gemacht, damit sie nicht eintritt. Eine solche Prognose soll zeigen, was wir zu gewärtigen haben, wenn nichts zu ihrer Korrektur geschieht. Was diese Ziffern offenbaren, ist jedoch eine Größenordnung, die zeigt, in welchen Dimensionen das Steuer herumgerissen werden muß, soll der fehlgerichtete Trend korrigiert und die aus allen Fugen geratene Haushaltspolitik wieder in geordnete und finanzierbare Bahnen gelenkt werden.

Die Sanierung dieser finanzpolitischen Trümmerlandschaft ist notwendig, um eine inflationsfreie Finanzierbarkeit der öffentlichen Hand und damit das Vertrauen in die Budgetpolitik wieder herzustellen, den massiven Einflüssen des Staatsdefizits auf das Defizit der Leistungsbilanz gegenüber dem Ausland ein Ende zu setzen, zunehmende Einnahmen wieder zur Finanzierung neuer Aufgaben verwenden zu können und der National bank eine geldwertstabilisierende Währungspolitik überhaupt erst wieder möglich zu machen.

Was wird geschehen müssen, um das wieder gutzumachen, was in den letzten Jahren unbedenklichen Hasardie- rens mit dem Staatsbudget versündigt wurde? Der Beirat selbst stellt fest, daß der Weg zur Sanierung angesichts des rapiden Anwachsens von Steuerdruck und Staatsanteil an der Wirtschaft und der damit schwindenden Konkurrenzfähigkeit und dem steigenden Steuerwiderstand nur auf der Ausgabenseite gefunden werden kann. Das heißt, daß die Wiederherstellung einigermaßen beherrschbarer Dimensionen nur in einem Zeitraum von dieser und der nächsten Legislaturperiode gefunden werden kann, vorausgesetzt, daß beide voll auslaufen. Das bedeutet ferner, daß in dieser Zeit nicht nur keine zusätzlichen gesetzlichen Verpflichtungen hinzutreten dürfen, sondern daß finanzielle Verpflichtungen des Staates beträchtlich reduziert werden müssen.

Das wird nur auf Grund eingehender kritischer Überprüfung der Frage möglich sein, welche von den zahlreichen Aufgaben des Staates, die ihn heute ganz offensichtlich über- und den heutigen Wohlstandsbürger unterfordern, ihm auf Dauer abgenommen werden können. Wo immer sinnvoll, muß wieder ein spürbarer Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme öffentlicher Güter und ihrer Bezahlung hergestellt, und wo immer ökonomischer und sozialer, muß die Produktion solcher Güter und Dienstleistungen wieder der privatwirtschaftlichen Effizienz in die Hand gelegt werden.

Bei der tief eingewurzelten - und im wechselnden Verhältnis von Opposition und Regierung nicht ganz unverständlichen - Neigung vieler Exponenten aller Parteien, gerade das zu verteufeln, was von der Gegenseite - wenn auch vernünftigerweise - vorge- schlagen wurde, wird die Operation „Budgetsanierung” wohl nur von einer Koalition der beiden Großparteien wirklich durchgezogen werden können. Der Finanzminister eines solchen Unternehmens wird gut beraten sein, wenn er seine Mitwirkung an einige schriftliche Zusicherungen knüpft.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung