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Budgetsanierung mit 160 Mandaten?

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Die Chance für eine echte Budgetsanierung war noch nie so groß wie eben jetzt. Eigentlich, so möchte man meinen, spricht alles dafür, daß die in langen Jahren der Proporzwirtschaft in Unordnung geratenen und auch in den letzten vier ÖVP-Jahren nicht eben gesund erstellten Staatshaushalte jetzt endlich gesunden könnten. Die neue Koalitionsregierung (wer glaubt wirklich noch an eine ÖVP-Opposition?) braucht dringend einen überzeugenden Nachweis für ihre Arbeitsfähigkeit. Das Bundesflnanzgesetz würde von insgesamt 160 der 165 Parlamentsabgeordneten unterstützt werden. Gründe genug für die Annahme, daß das erste Budget eines eventuellen sozialistischen Finanzministers ein „gesundes“ Budget werden könnte. Was also bisher unter den Finanzministern Klaus und Schmitz in der schon dahinsiechenden „Zusammenarbeit der beiden großen Parteien“ und später Schmitz und Koren in der eben nicht sehr mutigen ÖVP-Alleinregierung nicht gelungen ist, sollte doch jetzt einer Koalitionsregierung „neuen Stils“ gelingen. Der Optimismus, so scheint's, ist aber nicht berechtigt. Die bei den Koalitionsverhandlungen präsentierten Papiere beschäftigen sich nämlich leider allzu ausführlich mit den populären „Sofortmaßnahmen“ und bestenfalls deklamatorisch mit jenen Problemen, die — so glaubt man — überhaupt nur eine große Koalition lösen könnte. Das überrascht nicht, denn:

• Kaum ein Mitglied der SPÖ- und ÖVP-Verhandlungsteams räumt der nächsten Regierung ernstlich vier Jahre Arbeits- und Bewährungszeit ein. Die einen suchen bereits jetzt, knapp einen Monat nach der Wahl, nach einem günstigen Zeitpunkt für ein Auflösen des Regierungsbündnisses, um bei den dann folgenden Neuwahlen gestärkt, das heißt mit absoluter Mehrheit (SPÖ) allein die politischen Geschicke Österreichs bestimmen zu können.

• Die ÖVP verhält sich nicht wesentlich anders. Auch sie kalkuliert kaltblütig, daß sie eine vierjährige Legislaturperiode unter Kreisky geschwächt beenden würde. Immerhin ist das gegenwärtige Budgetdeflzit schon beachtlich groß. Sein Anteil an den Gesamtausgaben stieg von 2,6 Prozent im Jahre 1960 stetig auf 8,8 Prozent im Jahre 1970. Die Budgetvorschau für das kommende Jahr wird einen Finanzierungsüberhang von nicht weniger als 14 Milliarden Schilling ergeben. Wie wird also eine Sanierung aussehen? In keiner Phase der bisherigen Regierungsverhandlungen wurde darüber geredet Zweifellos aber müssen die Reformmaßnahmen

Photo: Kern bei folgenden Bereichen zuerst wirksam werden:

• Beim Personalaufwand des Bundes. Er stieg zwischen 1965 und 1970 um insgesamt 60 Prozent, während das Wirtschaftswachstum im gleichen Zeitraum nominal rund 46 Prozent betrug.

• österreichische Bundesbahnen. Mehr als vier Milliarden Schilling schießt der Staat gegenwärtig pro Jahr zur Abdeckung des Bundes-bahndenzites au.

• Preisstützungen. Obwohl schon im Jahre 1967 mit einem Abbau begonnen worden war, werden jährlich noch immer 3 Milliarden Schilling für Preisstützungsmaßnahmen ausgegeben.

Allerdings: Auch bei konsequenter Durchführung eines Sparplanes fehlt dann noch immer das Geld für die Erfüllung der zur Zeit gegebenen Versprechen. Auch diesbezüglich wird das Budget 1971 zweifellos zum Testfall der rot-schwarzen Koalition.

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