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Strapazierte Solidarität

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Zu Beginn dieses Jahres sind Änderungen im System der Pensionsversicherung eingetreten, die mit finanziellen Belastungen sowohl für die Pensionisten von heute als auch die von morgen verbunden sind. Zwar muß, wie schon bei ähnlichen Maßnahmen vor drei Jahren, kein Pensionist eine Kürzung seiner Pension befürchten, und einige Pensionsbewerber können sich aus der neuen Regelung sogar einen Vorteil ausrechnen.

Dennoch ist die generelle Tendenz der Reform: geringere Einkommenssteigerungen für die Pensionisten, niedrigere Pensionsansprüche der heute noch Aktiven. Diese Änderungen signalisieren, daß die Verschlechterung der Wirtschaftslage auch vor den Empfängern von Sozialleistungen nicht haltmacht.

Die Finanzierungsprobleme der Pensionsversicherung sind mittel- bis langfristiger Natur. Auf mittlere Sicht sind es die trüben Aussichten langsamen Wirtschaftswachstums und steigender Arbeitslosigkeit: dadurch stagniert oder sinkt die Zahl der beitragszahlenden Versicherten; gleichzeitig steigen aber die Ausgaben, da Frühpensionen häufiger in Anspruch genommen werden. Langfristig wird die steigende Lebenserwartung zum Problem, ab dem Jahr 2000 wird die Uberalterung der Bevölkerung rasch zunehmen.

Für den Finanzminister, der die Differenz zwischen Ausgaben und Einnahmen der Pensionsversicherung aus dem Budget zuschießen muß, ist das Problem im wesentlichen kurzfristig: heuer und in den nächsten Jahren soll das Budgetdefizit schrittweise verringert werden. Die Maßnahmen der Pensionsreform dienen auch dazu, die Finanzierungslast wieder stärker auf die Versicherten und die Pensionsbezieher zu überwälzen.

Änderungen im Pensionssystem eignen sich aber kaum für rasche Erfolge in der Budgetsanierung, da sie eine lange Vorlaufzeit haben. Bestehende Pensionsansprüche zu kürzen wäre sozial ungerecht, und auch den noch Aktiven muß man billigerweise eine Frist einräumen, um Dispositionen für ihr Ruhestandseinkommen zu treffen. Als kurzfristige Maßnahme kommt vor allem eine Anhebung der Versicherungsbeiträge - die diesmal nicht erfolgt ist! — in Frage, eventuell auch die Aufschiebung der Pensionsanpassung als „Solidaritätsbeitrag“ der Pensionisten zur Budgetkonsolidierung.

Um auf längere Sicht die Finanzierung der Pensionen zu sichern, muß sehr wohl auch die Höhe der Pensionen - sowohl in Relation zu Ansprüchen und Bedürfnissen der Empfänger, als auch zur damit verbundenen Beitragslast für die Versicherten - überprüft werden. Die 1984 und 1987 getroffenen Maßnahmen, insbesondere die Verlängerung des Zeitraums, der zur Berechnung der Bemessungsgrundlage herangezogen wird, und die Aufhebung der Anrechnung von Schul- und Studienzeiten für die Pensionshöhe, sind zumindest Schritte in die -richtige Richtung, um strukturelle Fehlentwicklungen im Pensionssystem zu vermeiden. Noch müssen aber die Fragen der Hinterbliebenenversorgung und der Doppelpensionen sowie der Unterschiede zwischen dem Pensionsrecht des öffentlichen Dienstes und der Sozialversicherung befriedigend gelöst werden.

Die eigentliche Bewährungsprobe der Pensionsversicherung kommt aber erst ab dem Jahr 2000. Sie besteht darin, die Finanzierungslast, die sich aus der Uberalterung der Bevölkerung ergibt, so zwischen den Generationen zu verteilen, daß sie von den Alten wie von den Jungen als gerecht oder zumindest zumutbar empfunden wird. Diese Solidarität zwischen den Generationen ist die einzige „Pensionsgarantie“, die es gibt.

Eine wichtige Rolle in der Diskussion um die langfristige Sicherung des Pensionssystems wird die Frage einer Anhebung des Pensionsalters spielen. In den neunziger Jahren werden wir ihr nicht mehr so einfach wie jetzt, mit dem Hinweis auf die hohe Arbeitslosigkeit, ausweichen können. Wir werden uns wohl beiden Problemen stellen und über eine grundsätzliche Neuverteilung von Arbeit und Freizeit im Lebenszyklus nachdenken müssen.

Der Autor ist Referent für Sozialpolitik im Osterreichischen Institut für Wirtschaftsforschung.

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